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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830.

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sitzt vortreffliche Eigenschaften, z. B. viel Geld,
gesunden Verstand, und die Sucht alle Narr¬
heiten der Zeit in sich aufzunehmen; dazu ist er
in meine grünäugige Freundin Julie Maxfield
verliebt und nennt sie seine Julia und sich ihren
Romeo, und deklamirt und seufzt -- und Lord
Maxfield, der Schwager, dem die treue Julia
von ihrem Manne anvertraut worden, ist ein Ar¬
gus --

Schon wollte ich bemerken, daß Argus eine
Kuh bewachte, als die Thüre sich weit öffnete und,
zu meinem höchsten Erstaunen, mein alter Freund,
der Banquier Christian Gumpel, mit seinem
wohlhabenden Lächeln und gottgefälligem Bauche,
hereinwatschelte. Nachdem seine glänzenden breiten
Lippen sich an Myladys Hand genugsam ge¬
scheuert und übliche Gesundheitsfragen hervorge¬
brockt hatten, erkannte er auch mich -- und in
die Arme sanken sich die Freunde.


ſitzt vortreffliche Eigenſchaften, z. B. viel Geld,
geſunden Verſtand, und die Sucht alle Narr¬
heiten der Zeit in ſich aufzunehmen; dazu iſt er
in meine gruͤnaͤugige Freundin Julie Maxfield
verliebt und nennt ſie ſeine Julia und ſich ihren
Romeo, und deklamirt und ſeufzt — und Lord
Maxfield, der Schwager, dem die treue Julia
von ihrem Manne anvertraut worden, iſt ein Ar¬
gus —

Schon wollte ich bemerken, daß Argus eine
Kuh bewachte, als die Thuͤre ſich weit oͤffnete und,
zu meinem hoͤchſten Erſtaunen, mein alter Freund,
der Banquier Chriſtian Gumpel, mit ſeinem
wohlhabenden Laͤcheln und gottgefaͤlligem Bauche,
hereinwatſchelte. Nachdem ſeine glaͤnzenden breiten
Lippen ſich an Myladys Hand genugſam ge¬
ſcheuert und uͤbliche Geſundheitsfragen hervorge¬
brockt hatten, erkannte er auch mich — und in
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[228/0236] ſitzt vortreffliche Eigenſchaften, z. B. viel Geld, geſunden Verſtand, und die Sucht alle Narr¬ heiten der Zeit in ſich aufzunehmen; dazu iſt er in meine gruͤnaͤugige Freundin Julie Maxfield verliebt und nennt ſie ſeine Julia und ſich ihren Romeo, und deklamirt und ſeufzt — und Lord Maxfield, der Schwager, dem die treue Julia von ihrem Manne anvertraut worden, iſt ein Ar¬ gus — Schon wollte ich bemerken, daß Argus eine Kuh bewachte, als die Thuͤre ſich weit oͤffnete und, zu meinem hoͤchſten Erſtaunen, mein alter Freund, der Banquier Chriſtian Gumpel, mit ſeinem wohlhabenden Laͤcheln und gottgefaͤlligem Bauche, hereinwatſchelte. Nachdem ſeine glaͤnzenden breiten Lippen ſich an Myladys Hand genugſam ge¬ ſcheuert und uͤbliche Geſundheitsfragen hervorge¬ brockt hatten, erkannte er auch mich — und in die Arme ſanken ſich die Freunde.

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Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/236>, abgerufen am 24.11.2024.