Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830.

Bild:
<< vorherige Seite

und gehören zu dem Cyklus großer Meister, die
größtentheils zur Zeit des Raphael blühten, einer
Zeit, die auf Rubens noch ihren unmittelbaren
Einfluß üben konnte, die aber von der unsrigen
so abgeschieden ist, daß wir ob der Erscheinung
des Peter Cornelius fast erschrecken, daß er uns
manchmal vorkommt, wie der Geist eines jener
großen Maler aus raphaelscher Zeit, der aus
dem Grabe hervorsteige, um noch einige Bilder
zu malen, ein todter Schöpfer, selbstbeschworen
durch das mitbegrabene, inwohnende Lebens¬
wort. Betrachten wir seine Bilder, so sehen sie
uns an, wie mit Augen des funfzehnten Jahr¬
hunderts, gespenstisch sind die Gewänder, als
rauschten sie uns vorbey um Mitternacht, zau¬
berkräftig sind die Leiber, traumrichtig gezeichnet,
gewaltsam wahr, nur das Blut fehlt ihnen, das
pulsirende Leben, die Farbe. Ja, Cornelius ist
ein Schöpfer, doch betrachten wir seine Geschöpfe,
so will es uns bedünken, als könnten sie alle

und gehoͤren zu dem Cyklus großer Meiſter, die
groͤßtentheils zur Zeit des Raphael bluͤhten, einer
Zeit, die auf Rubens noch ihren unmittelbaren
Einfluß uͤben konnte, die aber von der unſrigen
ſo abgeſchieden iſt, daß wir ob der Erſcheinung
des Peter Cornelius faſt erſchrecken, daß er uns
manchmal vorkommt, wie der Geiſt eines jener
großen Maler aus raphaelſcher Zeit, der aus
dem Grabe hervorſteige, um noch einige Bilder
zu malen, ein todter Schoͤpfer, ſelbſtbeſchworen
durch das mitbegrabene, inwohnende Lebens¬
wort. Betrachten wir ſeine Bilder, ſo ſehen ſie
uns an, wie mit Augen des funfzehnten Jahr¬
hunderts, geſpenſtiſch ſind die Gewaͤnder, als
rauſchten ſie uns vorbey um Mitternacht, zau¬
berkraͤftig ſind die Leiber, traumrichtig gezeichnet,
gewaltſam wahr, nur das Blut fehlt ihnen, das
pulſirende Leben, die Farbe. Ja, Cornelius iſt
ein Schoͤpfer, doch betrachten wir ſeine Geſchoͤpfe,
ſo will es uns beduͤnken, als koͤnnten ſie alle

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0214" n="206"/>
und geho&#x0364;ren zu dem Cyklus großer Mei&#x017F;ter, die<lb/>
gro&#x0364;ßtentheils zur Zeit des Raphael blu&#x0364;hten, einer<lb/>
Zeit, die auf Rubens noch ihren unmittelbaren<lb/>
Einfluß u&#x0364;ben konnte, die aber von der un&#x017F;rigen<lb/>
&#x017F;o abge&#x017F;chieden i&#x017F;t, daß wir ob der Er&#x017F;cheinung<lb/>
des Peter Cornelius fa&#x017F;t er&#x017F;chrecken, daß er uns<lb/>
manchmal vorkommt, wie der Gei&#x017F;t eines jener<lb/>
großen Maler aus raphael&#x017F;cher Zeit, der aus<lb/>
dem Grabe hervor&#x017F;teige, um noch einige Bilder<lb/>
zu malen, ein todter Scho&#x0364;pfer, &#x017F;elb&#x017F;tbe&#x017F;chworen<lb/>
durch das mitbegrabene, inwohnende Lebens¬<lb/>
wort. Betrachten wir &#x017F;eine Bilder, &#x017F;o &#x017F;ehen &#x017F;ie<lb/>
uns an, wie mit Augen des funfzehnten Jahr¬<lb/>
hunderts, ge&#x017F;pen&#x017F;ti&#x017F;ch &#x017F;ind die Gewa&#x0364;nder, als<lb/>
rau&#x017F;chten &#x017F;ie uns vorbey um Mitternacht, zau¬<lb/>
berkra&#x0364;ftig &#x017F;ind die Leiber, traumrichtig gezeichnet,<lb/>
gewalt&#x017F;am wahr, nur das Blut fehlt ihnen, das<lb/><choice><sic>pnl&#x017F;irende</sic><corr>pul&#x017F;irende</corr></choice> Leben, die Farbe. Ja, Cornelius i&#x017F;t<lb/>
ein Scho&#x0364;pfer, doch betrachten wir &#x017F;eine Ge&#x017F;cho&#x0364;pfe,<lb/>
&#x017F;o will es uns bedu&#x0364;nken, als ko&#x0364;nnten &#x017F;ie alle<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[206/0214] und gehoͤren zu dem Cyklus großer Meiſter, die groͤßtentheils zur Zeit des Raphael bluͤhten, einer Zeit, die auf Rubens noch ihren unmittelbaren Einfluß uͤben konnte, die aber von der unſrigen ſo abgeſchieden iſt, daß wir ob der Erſcheinung des Peter Cornelius faſt erſchrecken, daß er uns manchmal vorkommt, wie der Geiſt eines jener großen Maler aus raphaelſcher Zeit, der aus dem Grabe hervorſteige, um noch einige Bilder zu malen, ein todter Schoͤpfer, ſelbſtbeſchworen durch das mitbegrabene, inwohnende Lebens¬ wort. Betrachten wir ſeine Bilder, ſo ſehen ſie uns an, wie mit Augen des funfzehnten Jahr¬ hunderts, geſpenſtiſch ſind die Gewaͤnder, als rauſchten ſie uns vorbey um Mitternacht, zau¬ berkraͤftig ſind die Leiber, traumrichtig gezeichnet, gewaltſam wahr, nur das Blut fehlt ihnen, das pulſirende Leben, die Farbe. Ja, Cornelius iſt ein Schoͤpfer, doch betrachten wir ſeine Geſchoͤpfe, ſo will es uns beduͤnken, als koͤnnten ſie alle

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/214
Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/214>, abgerufen am 05.05.2024.