Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830.

Bild:
<< vorherige Seite

die gepudert moderne, und recht interessant war
mir das civilisirte Wesen dieser Frau im Kontrast
mit Gewerb und leidenschaftlicher Gewöhnung.
Nicht minder interessant waren mir die Gegen¬
stände ihres Gewerbes, die frischen Mandeln,
die ich noch nie in ihrer ursprünglich grünen
Schale gesehn, und die duftig frischen Feigen,
die hochaufgeschüttet lagen, wie bei uns die
Birnen. Auch die großen Körbe mit frischen
Citronen und Orangen ergötzten mich; und wun¬
derlieblicher Anblick! in einem leeren Korbe da¬
neben lag ein bildschöner Knabe, der ein kleines
Glöckchen in den Händen hielt, und während jetzt
die große Domglocke läutete, zwischen jedem Schlag
derselben mit seinem kleinen Glöckchen klingelte,
und dabei so weltvergessen selig in den blauen
Himmel hineinlächelte, daß mir selbst wieder die
drolligste Kinderlaune im Gemüthe aufstieg, und ich
mich, wie ein Kind, vor die lachenden Körbe hin¬
stellte und naschte und mit der Obstfrau diskurirte.

7 *

die gepudert moderne, und recht intereſſant war
mir das civiliſirte Weſen dieſer Frau im Kontraſt
mit Gewerb und leidenſchaftlicher Gewoͤhnung.
Nicht minder intereſſant waren mir die Gegen¬
ſtaͤnde ihres Gewerbes, die friſchen Mandeln,
die ich noch nie in ihrer urſpruͤnglich gruͤnen
Schale geſehn, und die duftig friſchen Feigen,
die hochaufgeſchuͤttet lagen, wie bei uns die
Birnen. Auch die großen Koͤrbe mit friſchen
Citronen und Orangen ergoͤtzten mich; und wun¬
derlieblicher Anblick! in einem leeren Korbe da¬
neben lag ein bildſchoͤner Knabe, der ein kleines
Gloͤckchen in den Haͤnden hielt, und waͤhrend jetzt
die große Domglocke laͤutete, zwiſchen jedem Schlag
derſelben mit ſeinem kleinen Gloͤckchen klingelte,
und dabei ſo weltvergeſſen ſelig in den blauen
Himmel hineinlaͤchelte, daß mir ſelbſt wieder die
drolligſte Kinderlaune im Gemuͤthe aufſtieg, und ich
mich, wie ein Kind, vor die lachenden Koͤrbe hin¬
ſtellte und naſchte und mit der Obſtfrau diskurirte.

7 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0107" n="99"/>
die gepudert moderne, und recht intere&#x017F;&#x017F;ant war<lb/>
mir das civili&#x017F;irte We&#x017F;en die&#x017F;er Frau im Kontra&#x017F;t<lb/>
mit Gewerb und leiden&#x017F;chaftlicher Gewo&#x0364;hnung.<lb/>
Nicht minder intere&#x017F;&#x017F;ant waren mir die Gegen¬<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;nde ihres Gewerbes, die fri&#x017F;chen Mandeln,<lb/>
die ich noch nie in ihrer ur&#x017F;pru&#x0364;nglich gru&#x0364;nen<lb/>
Schale ge&#x017F;ehn, und die duftig fri&#x017F;chen Feigen,<lb/>
die hochaufge&#x017F;chu&#x0364;ttet lagen, wie bei uns die<lb/>
Birnen. Auch die großen Ko&#x0364;rbe mit fri&#x017F;chen<lb/>
Citronen und Orangen ergo&#x0364;tzten mich; und wun¬<lb/>
derlieblicher Anblick! in einem leeren Korbe da¬<lb/>
neben lag ein bild&#x017F;cho&#x0364;ner Knabe, der ein kleines<lb/>
Glo&#x0364;ckchen in den Ha&#x0364;nden hielt, und wa&#x0364;hrend jetzt<lb/>
die große Domglocke la&#x0364;utete, zwi&#x017F;chen jedem Schlag<lb/>
der&#x017F;elben mit &#x017F;einem kleinen Glo&#x0364;ckchen klingelte,<lb/>
und dabei &#x017F;o weltverge&#x017F;&#x017F;en &#x017F;elig in den blauen<lb/>
Himmel hineinla&#x0364;chelte, daß mir &#x017F;elb&#x017F;t wieder die<lb/>
drollig&#x017F;te Kinderlaune im Gemu&#x0364;the auf&#x017F;tieg, und ich<lb/>
mich, wie ein Kind, vor die lachenden Ko&#x0364;rbe hin¬<lb/>
&#x017F;tellte und na&#x017F;chte und mit der Ob&#x017F;tfrau diskurirte.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">7 *<lb/></fw>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[99/0107] die gepudert moderne, und recht intereſſant war mir das civiliſirte Weſen dieſer Frau im Kontraſt mit Gewerb und leidenſchaftlicher Gewoͤhnung. Nicht minder intereſſant waren mir die Gegen¬ ſtaͤnde ihres Gewerbes, die friſchen Mandeln, die ich noch nie in ihrer urſpruͤnglich gruͤnen Schale geſehn, und die duftig friſchen Feigen, die hochaufgeſchuͤttet lagen, wie bei uns die Birnen. Auch die großen Koͤrbe mit friſchen Citronen und Orangen ergoͤtzten mich; und wun¬ derlieblicher Anblick! in einem leeren Korbe da¬ neben lag ein bildſchoͤner Knabe, der ein kleines Gloͤckchen in den Haͤnden hielt, und waͤhrend jetzt die große Domglocke laͤutete, zwiſchen jedem Schlag derſelben mit ſeinem kleinen Gloͤckchen klingelte, und dabei ſo weltvergeſſen ſelig in den blauen Himmel hineinlaͤchelte, daß mir ſelbſt wieder die drolligſte Kinderlaune im Gemuͤthe aufſtieg, und ich mich, wie ein Kind, vor die lachenden Koͤrbe hin¬ ſtellte und naſchte und mit der Obſtfrau diskurirte. 7 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/107
Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/107>, abgerufen am 28.04.2024.