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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827.

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ein dummer Teufel? Diese delikaten Fragen
liegen aber alle in den unverfänglichen Worten:
Was halten Sie von Goethe? Denn, indem
uns Allen Goethes Werke vor Augen liegen, so
können wir das Urtheil, das Jemand darüber
fällt, mit dem unsrigen schnell vergleichen, wir
bekommen dadurch einen festen Maaßstab, wo¬
mit wir gleich alle seine Gedanken und Ge¬
fühle messen können, und er hat unbewußt sein
eignes Urtheil gesprochen. Wie aber Goethe,
auf diese Weise, weil er eine gemeinschaftliche
Welt ist, die der Betrachtung eines jeden offen
liegt, uns das beste Mittel wird, um die Leute
kennen zu lernen, so können wir wiederum Goe¬
the selbst am besten kennen lernen, durch sein
eignes Urtheil über Gegenstände, die uns allen
vor Augen liegen, und worüber uns schon die
bedeutendsten Menschen ihre Ansichten mitge¬
theilt haben. In dieser Hinsicht möchte ich am
liebsten auf Goethe's italienische Reise hindeuten,
indem wir alle, entweder durch eigne Betrach¬

ein dummer Teufel? Dieſe delikaten Fragen
liegen aber alle in den unverfaͤnglichen Worten:
Was halten Sie von Goethe? Denn, indem
uns Allen Goethes Werke vor Augen liegen, ſo
koͤnnen wir das Urtheil, das Jemand daruͤber
faͤllt, mit dem unſrigen ſchnell vergleichen, wir
bekommen dadurch einen feſten Maaßſtab, wo¬
mit wir gleich alle ſeine Gedanken und Ge¬
fuͤhle meſſen koͤnnen, und er hat unbewußt ſein
eignes Urtheil geſprochen. Wie aber Goethe,
auf dieſe Weiſe, weil er eine gemeinſchaftliche
Welt iſt, die der Betrachtung eines jeden offen
liegt, uns das beſte Mittel wird, um die Leute
kennen zu lernen, ſo koͤnnen wir wiederum Goe¬
the ſelbſt am beſten kennen lernen, durch ſein
eignes Urtheil uͤber Gegenſtaͤnde, die uns allen
vor Augen liegen, und woruͤber uns ſchon die
bedeutendſten Menſchen ihre Anſichten mitge¬
theilt haben. In dieſer Hinſicht moͤchte ich am
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[62/0070] ein dummer Teufel? Dieſe delikaten Fragen liegen aber alle in den unverfaͤnglichen Worten: Was halten Sie von Goethe? Denn, indem uns Allen Goethes Werke vor Augen liegen, ſo koͤnnen wir das Urtheil, das Jemand daruͤber faͤllt, mit dem unſrigen ſchnell vergleichen, wir bekommen dadurch einen feſten Maaßſtab, wo¬ mit wir gleich alle ſeine Gedanken und Ge¬ fuͤhle meſſen koͤnnen, und er hat unbewußt ſein eignes Urtheil geſprochen. Wie aber Goethe, auf dieſe Weiſe, weil er eine gemeinſchaftliche Welt iſt, die der Betrachtung eines jeden offen liegt, uns das beſte Mittel wird, um die Leute kennen zu lernen, ſo koͤnnen wir wiederum Goe¬ the ſelbſt am beſten kennen lernen, durch ſein eignes Urtheil uͤber Gegenſtaͤnde, die uns allen vor Augen liegen, und woruͤber uns ſchon die bedeutendſten Menſchen ihre Anſichten mitge¬ theilt haben. In dieſer Hinſicht moͤchte ich am liebſten auf Goethe's italieniſche Reiſe hindeuten, indem wir alle, entweder durch eigne Betrach¬

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Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827/70>, abgerufen am 30.04.2024.