auch Apollo Hosen anziehe. Die Leute nennen ihn dann einen sittlichen Mann, und wissen nicht, daß in dem Clauren-Lächeln eines ver¬ mummten Satyrs mehr Anstößiges liegt, als in der ganzen Nacktheit eines Wolfgang Apollo, und daß just in den Zeiten, wo die Menschheit jene Pluderhosen trug, wozu sechzig Ellen Zeug nöthig waren, die Sitten nicht anständiger ge¬ wesen sind als jetzt.
Aber werden es mir nicht die Damen übel nehmen, daß ich Hosen, statt Beinkleider, sage? O, über das Feingefühl der Damen! Am Ende werden nur Eunuchen für sie schreiben dürfen, und ihre Geistesdiener im Occident werden so harmlos seyn müssen, wie ihre Leibdiener im Orient.
Hier kommt mir ins Gedächtniß eine Stelle aus Bertholds Tagebuch:
"Wenn wir es recht überdenken, so stecken wir doch alle nackt in unseren Kleidern, sagte der Doktor M. zu einer Dame, die ihm
auch Apollo Hoſen anziehe. Die Leute nennen ihn dann einen ſittlichen Mann, und wiſſen nicht, daß in dem Clauren-Laͤcheln eines ver¬ mummten Satyrs mehr Anſtoͤßiges liegt, als in der ganzen Nacktheit eines Wolfgang Apollo, und daß juſt in den Zeiten, wo die Menſchheit jene Pluderhoſen trug, wozu ſechzig Ellen Zeug noͤthig waren, die Sitten nicht anſtaͤndiger ge¬ weſen ſind als jetzt.
Aber werden es mir nicht die Damen uͤbel nehmen, daß ich Hoſen, ſtatt Beinkleider, ſage? O, uͤber das Feingefuͤhl der Damen! Am Ende werden nur Eunuchen fuͤr ſie ſchreiben duͤrfen, und ihre Geiſtesdiener im Occident werden ſo harmlos ſeyn muͤſſen, wie ihre Leibdiener im Orient.
Hier kommt mir ins Gedaͤchtniß eine Stelle aus Bertholds Tagebuch:
„Wenn wir es recht uͤberdenken, ſo ſtecken wir doch alle nackt in unſeren Kleidern, ſagte der Doktor M. zu einer Dame, die ihm
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auch Apollo Hoſen anziehe. Die Leute nennen
ihn dann einen ſittlichen Mann, und wiſſen
nicht, daß in dem Clauren-Laͤcheln eines ver¬
mummten Satyrs mehr Anſtoͤßiges liegt, als
in der ganzen Nacktheit eines Wolfgang Apollo,
und daß juſt in den Zeiten, wo die Menſchheit
jene Pluderhoſen trug, wozu ſechzig Ellen Zeug
noͤthig waren, die Sitten nicht anſtaͤndiger ge¬
weſen ſind als jetzt.
Aber werden es mir nicht die Damen uͤbel
nehmen, daß ich Hoſen, ſtatt Beinkleider, ſage?
O, uͤber das Feingefuͤhl der Damen! Am Ende
werden nur Eunuchen fuͤr ſie ſchreiben duͤrfen,
und ihre Geiſtesdiener im Occident werden ſo
harmlos ſeyn muͤſſen, wie ihre Leibdiener im
Orient.
Hier kommt mir ins Gedaͤchtniß eine Stelle
aus Bertholds Tagebuch:
„Wenn wir es recht uͤberdenken, ſo ſtecken
wir doch alle nackt in unſeren Kleidern, ſagte
der Doktor M. zu einer Dame, die ihm
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827/67>, abgerufen am 25.11.2024.
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