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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827.

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ich werde immer fatalerweise daran verhindert,
es findet sich gewöhnlich ein Schwätzer, der
mich auf dem Wege festhält, und gelange ich
auch einmal bis an die Pforten des Tem¬
pels, so erfaßt mich unversehens eine spa߬
hafte Stimmung, und dann halte ich es für
sündhaft, hineinzutreten. Vorigen Sonntag
begegnete mir etwas der Art, indem mir vor
der Kirchthüre die Stelle aus Goethes Faust
in den Kopf kam, wo dieser mit dem Me¬
phistopheles bey einem Kreuze vorübergeht und
ihn fragt:

Mephisto, hast du Eil?
Was schlägst vor'm Kreuz die Augen nieder?
Und worauf Mephistopheles antwortet:

Ich weiß es wohl, es ist ein Vorurtheil;
Allein es ist mir mahl zuwider.

Diese Verse sind, so viel ich weiß, in kei¬
ner Ausgabe des Fausts gedruckt, und bloß
der sel. Hofrath Moritz, der sie aus Goethes

ich werde immer fatalerweiſe daran verhindert,
es findet ſich gewoͤhnlich ein Schwaͤtzer, der
mich auf dem Wege feſthaͤlt, und gelange ich
auch einmal bis an die Pforten des Tem¬
pels, ſo erfaßt mich unverſehens eine ſpa߬
hafte Stimmung, und dann halte ich es fuͤr
ſuͤndhaft, hineinzutreten. Vorigen Sonntag
begegnete mir etwas der Art, indem mir vor
der Kirchthuͤre die Stelle aus Goethes Fauſt
in den Kopf kam, wo dieſer mit dem Me¬
phiſtopheles bey einem Kreuze voruͤbergeht und
ihn fragt:

Mephiſto, haſt du Eil?
Was ſchlaͤgſt vor'm Kreuz die Augen nieder?
Und worauf Mephiſtopheles antwortet:

Ich weiß es wohl, es iſt ein Vorurtheil;
Allein es iſt mir mahl zuwider.

Dieſe Verſe ſind, ſo viel ich weiß, in kei¬
ner Ausgabe des Fauſts gedruckt, und bloß
der ſel. Hofrath Moritz, der ſie aus Goethes

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[56/0064] ich werde immer fatalerweiſe daran verhindert, es findet ſich gewoͤhnlich ein Schwaͤtzer, der mich auf dem Wege feſthaͤlt, und gelange ich auch einmal bis an die Pforten des Tem¬ pels, ſo erfaßt mich unverſehens eine ſpa߬ hafte Stimmung, und dann halte ich es fuͤr ſuͤndhaft, hineinzutreten. Vorigen Sonntag begegnete mir etwas der Art, indem mir vor der Kirchthuͤre die Stelle aus Goethes Fauſt in den Kopf kam, wo dieſer mit dem Me¬ phiſtopheles bey einem Kreuze voruͤbergeht und ihn fragt: Mephiſto, haſt du Eil? Was ſchlaͤgſt vor'm Kreuz die Augen nieder? Und worauf Mephiſtopheles antwortet: Ich weiß es wohl, es iſt ein Vorurtheil; Allein es iſt mir mahl zuwider. Dieſe Verſe ſind, ſo viel ich weiß, in kei¬ ner Ausgabe des Fauſts gedruckt, und bloß der ſel. Hofrath Moritz, der ſie aus Goethes

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Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827/64>, abgerufen am 30.04.2024.