der Insel gefunden, deren ganze männliche Fa¬ milie solcher Weise umgekommen; was sich leicht ereignet, da der Vater mit seinen Söhnen ge¬ wöhnlich auf demselben Schiffe zur See fährt. Das Seefahren hat für diese Menschen einen großen Reiz; und dennoch glaube ich, daheim ist ihnen allen am wohlsten zu Muthe. Sind sie auch auf ihren Schiffen sogar nach jenen südlichen Ländern gekommen, wo die Sonne blühender und der Mond romantischer leuchtet, so können doch alle Blumen dort nicht den Leck ihres Herzens stopfen, und mitten in der duf¬ tigen Heimath des Frühlings, sehnen sie sich wieder zurück nach ihrer Sandinsel, nach ihren kleinen Hütten, nach dem flackernden Heerde, wo die Ihrigen, wohlverwahrt in wollnen Jak¬ ken, herumkauern, und einen Thee trinken, der sich von gekochtem Seewasser nur durch den Na¬ men unterscheidet, und eine Sprache schwatzen, wovon kaum begreiflich scheint, wie es ihnen selber möglich ist, sie zu verstehen.
der Inſel gefunden, deren ganze maͤnnliche Fa¬ milie ſolcher Weiſe umgekommen; was ſich leicht ereignet, da der Vater mit ſeinen Soͤhnen ge¬ woͤhnlich auf demſelben Schiffe zur See faͤhrt. Das Seefahren hat fuͤr dieſe Menſchen einen großen Reiz; und dennoch glaube ich, daheim iſt ihnen allen am wohlſten zu Muthe. Sind ſie auch auf ihren Schiffen ſogar nach jenen ſuͤdlichen Laͤndern gekommen, wo die Sonne bluͤhender und der Mond romantiſcher leuchtet, ſo koͤnnen doch alle Blumen dort nicht den Leck ihres Herzens ſtopfen, und mitten in der duf¬ tigen Heimath des Fruͤhlings, ſehnen ſie ſich wieder zuruͤck nach ihrer Sandinſel, nach ihren kleinen Huͤtten, nach dem flackernden Heerde, wo die Ihrigen, wohlverwahrt in wollnen Jak¬ ken, herumkauern, und einen Thee trinken, der ſich von gekochtem Seewaſſer nur durch den Na¬ men unterſcheidet, und eine Sprache ſchwatzen, wovon kaum begreiflich ſcheint, wie es ihnen ſelber moͤglich iſt, ſie zu verſtehen.
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der Inſel gefunden, deren ganze maͤnnliche Fa¬
milie ſolcher Weiſe umgekommen; was ſich leicht
ereignet, da der Vater mit ſeinen Soͤhnen ge¬
woͤhnlich auf demſelben Schiffe zur See faͤhrt.
Das Seefahren hat fuͤr dieſe Menſchen einen
großen Reiz; und dennoch glaube ich, daheim
iſt ihnen allen am wohlſten zu Muthe. Sind
ſie auch auf ihren Schiffen ſogar nach jenen
ſuͤdlichen Laͤndern gekommen, wo die Sonne
bluͤhender und der Mond romantiſcher leuchtet,
ſo koͤnnen doch alle Blumen dort nicht den Leck
ihres Herzens ſtopfen, und mitten in der duf¬
tigen Heimath des Fruͤhlings, ſehnen ſie ſich
wieder zuruͤck nach ihrer Sandinſel, nach ihren
kleinen Huͤtten, nach dem flackernden Heerde,
wo die Ihrigen, wohlverwahrt in wollnen Jak¬
ken, herumkauern, und einen Thee trinken, der
ſich von gekochtem Seewaſſer nur durch den Na¬
men unterſcheidet, und eine Sprache ſchwatzen,
wovon kaum begreiflich ſcheint, wie es ihnen
ſelber moͤglich iſt, ſie zu verſtehen.
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827/52>, abgerufen am 24.11.2024.
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