Nur ein deutscher Jüngling wurde grob, und schimpfte über mein Nachäffen des welschen Ba¬ belthums, und donnerte im urteutonischen Bier¬ baß: "Auf einer teutschen Mummerey soll der Teutsche teutsch sprechen!" O deutscher Jüng¬ ling, wie finde ich dich und deine Worte sünd¬ lich und läppisch in solchen Momenten, wo meine Seele die ganze Welt mit Liebe umfaßt, wo ich Russen und Türken jauchzend umar¬ men würde, und wo ich weinend hinsinken möchte an die Bruderbrust des gefesselten Afri¬ kaners! Ich liebe Deutschland und die Deut¬ schen; aber ich liebe nicht minder die Bewohner des übrigen Theils der Erde, deren Zahl vierzig mal größer ist, als die der Deutschen. Die Liebe giebt dem Menschen seinen Werth. Gott lob! ich bin also vierzig mal mehr werth als Jene, die sich nicht aus dem Sumpfe der Na¬ tionalselbstsucht hervorwinden können, und die nur Deutschland und Deutsche lieben.
Nur ein deutſcher Juͤngling wurde grob, und ſchimpfte uͤber mein Nachaͤffen des welſchen Ba¬ belthums, und donnerte im urteutoniſchen Bier¬ baß: “Auf einer teutſchen Mummerey ſoll der Teutſche teutſch ſprechen!” O deutſcher Juͤng¬ ling, wie finde ich dich und deine Worte ſuͤnd¬ lich und laͤppiſch in ſolchen Momenten, wo meine Seele die ganze Welt mit Liebe umfaßt, wo ich Ruſſen und Tuͤrken jauchzend umar¬ men wuͤrde, und wo ich weinend hinſinken moͤchte an die Bruderbruſt des gefeſſelten Afri¬ kaners! Ich liebe Deutſchland und die Deut¬ ſchen; aber ich liebe nicht minder die Bewohner des uͤbrigen Theils der Erde, deren Zahl vierzig mal groͤßer iſt, als die der Deutſchen. Die Liebe giebt dem Menſchen ſeinen Werth. Gott lob! ich bin alſo vierzig mal mehr werth als Jene, die ſich nicht aus dem Sumpfe der Na¬ tionalſelbſtſucht hervorwinden koͤnnen, und die nur Deutſchland und Deutſche lieben.
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Nur ein deutſcher Juͤngling wurde grob, und
ſchimpfte uͤber mein Nachaͤffen des welſchen Ba¬
belthums, und donnerte im urteutoniſchen Bier¬
baß: “Auf einer teutſchen Mummerey ſoll der
Teutſche teutſch ſprechen!” O deutſcher Juͤng¬
ling, wie finde ich dich und deine Worte ſuͤnd¬
lich und laͤppiſch in ſolchen Momenten, wo
meine Seele die ganze Welt mit Liebe umfaßt,
wo ich Ruſſen und Tuͤrken jauchzend umar¬
men wuͤrde, und wo ich weinend hinſinken
moͤchte an die Bruderbruſt des gefeſſelten Afri¬
kaners! Ich liebe Deutſchland und die Deut¬
ſchen; aber ich liebe nicht minder die Bewohner
des uͤbrigen Theils der Erde, deren Zahl vierzig
mal groͤßer iſt, als die der Deutſchen. Die
Liebe giebt dem Menſchen ſeinen Werth. Gott
lob! ich bin alſo vierzig mal mehr werth als
Jene, die ſich nicht aus dem Sumpfe der Na¬
tionalſelbſtſucht hervorwinden koͤnnen, und die
nur Deutſchland und Deutſche lieben.
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827/324>, abgerufen am 04.05.2024.
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