schmettern, und liebliche Flöten und Geigenstim¬ men lockend dazwischen tönen: dann stürze ich mich, wie ein toller Schwimmer, in die tosende, buntbeleuchtete Menschenfluth, und tanze, und renne, und scherze, und necke Jeden, und lache, und schwatze, was mir in den Kopf kömmt. Auf der letzten Redoute war ich besonders freudig, ich hätte auf dem Kopfe gehen mögen, ein bachantischer Geist hatte mein ganzes Wesen ergriffen, und wär' mein Todfeind mir in den Weg gekommen, ich hätte ihm gesagt: Mor¬ gen wollen wir uns schießen, aber heute will ich dich recht herzlich abküssen. Die reinste Lustigkeit ist die Liebe, Gott ist die Liebe, Gott ist die reinste Lustigkeit! "Tu es beau! tu es charmant! tu es l'objet de ma flamme! je t'a¬ dore, ma belle!" das waren die Worte, die meine Lippen hundertmal unwillkührlich wieder¬ holten. Und allen Leuten drückte ich die Hand, und zog vor allen hübsch den Hut ab; und alle Menschen waren auch so höflich gegen mich.
ſchmettern, und liebliche Floͤten und Geigenſtim¬ men lockend dazwiſchen toͤnen: dann ſtuͤrze ich mich, wie ein toller Schwimmer, in die toſende, buntbeleuchtete Menſchenfluth, und tanze, und renne, und ſcherze, und necke Jeden, und lache, und ſchwatze, was mir in den Kopf koͤmmt. Auf der letzten Redoute war ich beſonders freudig, ich haͤtte auf dem Kopfe gehen moͤgen, ein bachantiſcher Geiſt hatte mein ganzes Weſen ergriffen, und waͤr' mein Todfeind mir in den Weg gekommen, ich haͤtte ihm geſagt: Mor¬ gen wollen wir uns ſchießen, aber heute will ich dich recht herzlich abkuͤſſen. Die reinſte Luſtigkeit iſt die Liebe, Gott iſt die Liebe, Gott iſt die reinſte Luſtigkeit! “Tu ès beau! tu ès charmant! tu ès l'objet de ma flamme! je t'a¬ dore, ma belle!” das waren die Worte, die meine Lippen hundertmal unwillkuͤhrlich wieder¬ holten. Und allen Leuten druͤckte ich die Hand, und zog vor allen huͤbſch den Hut ab; und alle Menſchen waren auch ſo hoͤflich gegen mich.
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ſchmettern, und liebliche Floͤten und Geigenſtim¬
men lockend dazwiſchen toͤnen: dann ſtuͤrze ich
mich, wie ein toller Schwimmer, in die toſende,
buntbeleuchtete Menſchenfluth, und tanze, und
renne, und ſcherze, und necke Jeden, und lache,
und ſchwatze, was mir in den Kopf koͤmmt.
Auf der letzten Redoute war ich beſonders
freudig, ich haͤtte auf dem Kopfe gehen moͤgen,
ein bachantiſcher Geiſt hatte mein ganzes Weſen
ergriffen, und waͤr' mein Todfeind mir in den
Weg gekommen, ich haͤtte ihm geſagt: Mor¬
gen wollen wir uns ſchießen, aber heute will
ich dich recht herzlich abkuͤſſen. Die reinſte
Luſtigkeit iſt die Liebe, Gott iſt die Liebe, Gott
iſt die reinſte Luſtigkeit! “Tu ès beau! tu ès
charmant! tu ès l'objet de ma flamme! je t'a¬
dore, ma belle!” das waren die Worte, die
meine Lippen hundertmal unwillkuͤhrlich wieder¬
holten. Und allen Leuten druͤckte ich die Hand,
und zog vor allen huͤbſch den Hut ab; und alle
Menſchen waren auch ſo hoͤflich gegen mich.
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827/323>, abgerufen am 22.11.2024.
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