Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827.

Bild:
<< vorherige Seite

hast wie ein Rekrut im Mutterleibe! weißt du
denn nicht, daß die Großen des Landes nur
denjenigen erhöhen, der sich selbst erniedrigt und
ihr Blut für besser rühmt als das seinige.
Und nun gar verdirbst du es mit den Frommen
des Landes! Ist es denn so überaus schwer,
die gnadenseligen Augen zu verdrehen, die gläu¬
bigverschränkten Hände in die Rockärmel zu
vermuffen, das Haupt wie ein Lamm Gottes
herabhängen zu lassen, und auswendiggelernte
Bibelsprüche zu wispern! Glaub' mir, keine
Hocherlauchte wird dich für deine Gottlosigkeit
bezahlen, die Männer der Liebe werden dich
hassen, verläumden und verfolgen, und du
machst keine Carriere weder im Himmel noch
auf Erden!"

Ach! das ist alles wahr! Aber ich hab' nun
mahl diese unglückliche Passion für die Ver¬
nunft! Ich liebe sie, obgleich sie mich nicht
mit Gegenliebe beglückt. Ich gebe ihr Alles

haſt wie ein Rekrut im Mutterleibe! weißt du
denn nicht, daß die Großen des Landes nur
denjenigen erhoͤhen, der ſich ſelbſt erniedrigt und
ihr Blut fuͤr beſſer ruͤhmt als das ſeinige.
Und nun gar verdirbſt du es mit den Frommen
des Landes! Iſt es denn ſo uͤberaus ſchwer,
die gnadenſeligen Augen zu verdrehen, die glaͤu¬
bigverſchraͤnkten Haͤnde in die Rockaͤrmel zu
vermuffen, das Haupt wie ein Lamm Gottes
herabhaͤngen zu laſſen, und auswendiggelernte
Bibelſpruͤche zu wispern! Glaub' mir, keine
Hocherlauchte wird dich fuͤr deine Gottloſigkeit
bezahlen, die Maͤnner der Liebe werden dich
haſſen, verlaͤumden und verfolgen, und du
machſt keine Carriere weder im Himmel noch
auf Erden!”

Ach! das iſt alles wahr! Aber ich hab' nun
mahl dieſe ungluͤckliche Paſſion fuͤr die Ver¬
nunft! Ich liebe ſie, obgleich ſie mich nicht
mit Gegenliebe begluͤckt. Ich gebe ihr Alles

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0279" n="271"/>
ha&#x017F;t wie ein Rekrut im Mutterleibe! weißt du<lb/>
denn nicht, daß die Großen des Landes nur<lb/>
denjenigen erho&#x0364;hen, der &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t erniedrigt und<lb/>
ihr Blut fu&#x0364;r be&#x017F;&#x017F;er ru&#x0364;hmt als das &#x017F;einige.<lb/>
Und nun gar verdirb&#x017F;t du es mit den Frommen<lb/>
des Landes! I&#x017F;t es denn &#x017F;o u&#x0364;beraus &#x017F;chwer,<lb/>
die gnaden&#x017F;eligen Augen zu verdrehen, die gla&#x0364;<lb/>
bigver&#x017F;chra&#x0364;nkten Ha&#x0364;nde in die Rocka&#x0364;rmel zu<lb/>
vermuffen, das Haupt wie ein Lamm Gottes<lb/>
herabha&#x0364;ngen zu la&#x017F;&#x017F;en, und auswendiggelernte<lb/>
Bibel&#x017F;pru&#x0364;che zu wispern! Glaub' mir, keine<lb/>
Hocherlauchte wird dich fu&#x0364;r deine Gottlo&#x017F;igkeit<lb/>
bezahlen, die Ma&#x0364;nner der Liebe werden dich<lb/>
ha&#x017F;&#x017F;en, verla&#x0364;umden und verfolgen, und du<lb/>
mach&#x017F;t keine Carriere weder im Himmel noch<lb/>
auf Erden!&#x201D;</p><lb/>
          <p>Ach! das i&#x017F;t alles wahr! Aber ich hab' nun<lb/>
mahl die&#x017F;e unglu&#x0364;ckliche Pa&#x017F;&#x017F;ion fu&#x0364;r die Ver¬<lb/>
nunft! Ich liebe &#x017F;ie, obgleich &#x017F;ie mich nicht<lb/>
mit Gegenliebe beglu&#x0364;ckt. Ich gebe ihr Alles<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[271/0279] haſt wie ein Rekrut im Mutterleibe! weißt du denn nicht, daß die Großen des Landes nur denjenigen erhoͤhen, der ſich ſelbſt erniedrigt und ihr Blut fuͤr beſſer ruͤhmt als das ſeinige. Und nun gar verdirbſt du es mit den Frommen des Landes! Iſt es denn ſo uͤberaus ſchwer, die gnadenſeligen Augen zu verdrehen, die glaͤu¬ bigverſchraͤnkten Haͤnde in die Rockaͤrmel zu vermuffen, das Haupt wie ein Lamm Gottes herabhaͤngen zu laſſen, und auswendiggelernte Bibelſpruͤche zu wispern! Glaub' mir, keine Hocherlauchte wird dich fuͤr deine Gottloſigkeit bezahlen, die Maͤnner der Liebe werden dich haſſen, verlaͤumden und verfolgen, und du machſt keine Carriere weder im Himmel noch auf Erden!” Ach! das iſt alles wahr! Aber ich hab' nun mahl dieſe ungluͤckliche Paſſion fuͤr die Ver¬ nunft! Ich liebe ſie, obgleich ſie mich nicht mit Gegenliebe begluͤckt. Ich gebe ihr Alles

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827/279
Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827/279>, abgerufen am 20.05.2024.