Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827.

Bild:
<< vorherige Seite

die Französinnen chaise percee nennen. Für
seine dicke Millionnärrin kaufe ich mir ein
Pferd. Sehe ich nun den Dicken -- ein Ka¬
meel kommt eher in's Himmelreich, als dieser
Mann durch ein Nadelöhr geht -- sehe ich
nun diesen auf der Promenade heranwatscheln,
so wird mir wunderlich zu Muthe, obschon ich
ihm ganz unbekannt bin, so grüße ich ihn un¬
willkührlich, und er grüßt wieder so herzlich,
so einladend, daß ich auf der Stelle von seiner
Güte Gebrauch machen möchte, und doch in
Verlegenheit komme wegen der vielen geputzten
Menschen, die just vorbeygehn. Seine Frau
Gemahlin ist gar keine üble Frau -- sie hat
zwar nur ein einziges Auge, aber es ist dafür
desto grüner, ihre Nase ist wie der Thurm,
der gen Damaskus schaut, ihr Busen ist groß
wie das Meer, und es flattern darauf allerley
Bänder, wie Flaggen der Schiffe, die in die¬
sen Meerbusen eingelaufen -- man wird see¬
krank schon durch den bloßen Anblick -- ihr

die Franzoͤſinnen chaise perçée nennen. Fuͤr
ſeine dicke Millionnaͤrrin kaufe ich mir ein
Pferd. Sehe ich nun den Dicken — ein Ka¬
meel kommt eher in's Himmelreich, als dieſer
Mann durch ein Nadeloͤhr geht — ſehe ich
nun dieſen auf der Promenade heranwatſcheln,
ſo wird mir wunderlich zu Muthe, obſchon ich
ihm ganz unbekannt bin, ſo gruͤße ich ihn un¬
willkuͤhrlich, und er gruͤßt wieder ſo herzlich,
ſo einladend, daß ich auf der Stelle von ſeiner
Guͤte Gebrauch machen moͤchte, und doch in
Verlegenheit komme wegen der vielen geputzten
Menſchen, die juſt vorbeygehn. Seine Frau
Gemahlin iſt gar keine uͤble Frau — ſie hat
zwar nur ein einziges Auge, aber es iſt dafuͤr
deſto gruͤner, ihre Naſe iſt wie der Thurm,
der gen Damaskus ſchaut, ihr Buſen iſt groß
wie das Meer, und es flattern darauf allerley
Baͤnder, wie Flaggen der Schiffe, die in die¬
ſen Meerbuſen eingelaufen — man wird ſee¬
krank ſchon durch den bloßen Anblick — ihr

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0260" n="252"/>
die Franzo&#x0364;&#x017F;innen <hi rendition="#aq">chaise perçée</hi> nennen. Fu&#x0364;r<lb/>
&#x017F;eine dicke Millionna&#x0364;rrin kaufe ich mir ein<lb/>
Pferd. Sehe ich nun den Dicken &#x2014; ein Ka¬<lb/>
meel kommt eher in's Himmelreich, als die&#x017F;er<lb/>
Mann durch ein Nadelo&#x0364;hr geht &#x2014; &#x017F;ehe ich<lb/>
nun die&#x017F;en auf der Promenade heranwat&#x017F;cheln,<lb/>
&#x017F;o wird mir wunderlich zu Muthe, ob&#x017F;chon ich<lb/>
ihm ganz unbekannt bin, &#x017F;o gru&#x0364;ße ich ihn un¬<lb/>
willku&#x0364;hrlich, und er gru&#x0364;ßt wieder &#x017F;o herzlich,<lb/>
&#x017F;o einladend, daß ich auf der Stelle von &#x017F;einer<lb/>
Gu&#x0364;te Gebrauch machen mo&#x0364;chte, und doch in<lb/>
Verlegenheit komme wegen der vielen geputzten<lb/>
Men&#x017F;chen, die ju&#x017F;t vorbeygehn. Seine Frau<lb/>
Gemahlin i&#x017F;t gar keine u&#x0364;ble Frau &#x2014; &#x017F;ie hat<lb/>
zwar nur ein einziges Auge, aber es i&#x017F;t dafu&#x0364;r<lb/>
de&#x017F;to gru&#x0364;ner, ihre Na&#x017F;e i&#x017F;t wie der Thurm,<lb/>
der gen Damaskus &#x017F;chaut, ihr Bu&#x017F;en i&#x017F;t groß<lb/>
wie das Meer, und es flattern darauf allerley<lb/>
Ba&#x0364;nder, wie Flaggen der Schiffe, die in die¬<lb/>
&#x017F;en Meerbu&#x017F;en eingelaufen &#x2014; man wird &#x017F;ee¬<lb/>
krank &#x017F;chon durch den bloßen Anblick &#x2014; ihr<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[252/0260] die Franzoͤſinnen chaise perçée nennen. Fuͤr ſeine dicke Millionnaͤrrin kaufe ich mir ein Pferd. Sehe ich nun den Dicken — ein Ka¬ meel kommt eher in's Himmelreich, als dieſer Mann durch ein Nadeloͤhr geht — ſehe ich nun dieſen auf der Promenade heranwatſcheln, ſo wird mir wunderlich zu Muthe, obſchon ich ihm ganz unbekannt bin, ſo gruͤße ich ihn un¬ willkuͤhrlich, und er gruͤßt wieder ſo herzlich, ſo einladend, daß ich auf der Stelle von ſeiner Guͤte Gebrauch machen moͤchte, und doch in Verlegenheit komme wegen der vielen geputzten Menſchen, die juſt vorbeygehn. Seine Frau Gemahlin iſt gar keine uͤble Frau — ſie hat zwar nur ein einziges Auge, aber es iſt dafuͤr deſto gruͤner, ihre Naſe iſt wie der Thurm, der gen Damaskus ſchaut, ihr Buſen iſt groß wie das Meer, und es flattern darauf allerley Baͤnder, wie Flaggen der Schiffe, die in die¬ ſen Meerbuſen eingelaufen — man wird ſee¬ krank ſchon durch den bloßen Anblick — ihr

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827/260
Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827/260>, abgerufen am 17.05.2024.