tern, Trinken und Baden zu verbieten. Ich hätte mich gewiß in das schöne Mädchen ver¬ liebt, wenn sie gleichgültig gegen mich gewesen wäre; und ich war gleichgültig gegen sie, weil ich wußte, daß sie mich liebte -- Madame, wenn man von mir geliebt seyn will, muß man mich en canaille behandeln.
Die schöne Johanna war die Base der drey Schwestern, und ich setzte mich gern zu ihr. Sie wußte die schönsten Sagen, und wenn sie mit der weißen Hand zum Fenster hinauszeigte, nach den Bergen, wo das alles passirt war, was sie erzählte, so wurde mir ordentlich ver¬ zaubert zu Muthe, die alten Ritter stiegen sichtbar aus den Bergruinen und zerhackten sich die eisernen Kleider, die Lore-Ley stand wieder auf der Bergesspitze und sang hinab ihr süßver¬ derbliches Lied, und der Rhein rauschte so ver¬ nünftig, beruhigend und doch zugleich neckend schauerlich -- und die schöne Johanna sah mich
tern, Trinken und Baden zu verbieten. Ich haͤtte mich gewiß in das ſchoͤne Maͤdchen ver¬ liebt, wenn ſie gleichguͤltig gegen mich geweſen waͤre; und ich war gleichguͤltig gegen ſie, weil ich wußte, daß ſie mich liebte — Madame, wenn man von mir geliebt ſeyn will, muß man mich en canaille behandeln.
Die ſchoͤne Johanna war die Baſe der drey Schweſtern, und ich ſetzte mich gern zu ihr. Sie wußte die ſchoͤnſten Sagen, und wenn ſie mit der weißen Hand zum Fenſter hinauszeigte, nach den Bergen, wo das alles paſſirt war, was ſie erzaͤhlte, ſo wurde mir ordentlich ver¬ zaubert zu Muthe, die alten Ritter ſtiegen ſichtbar aus den Bergruinen und zerhackten ſich die eiſernen Kleider, die Lore-Ley ſtand wieder auf der Bergesſpitze und ſang hinab ihr ſuͤßver¬ derbliches Lied, und der Rhein rauſchte ſo ver¬ nuͤnftig, beruhigend und doch zugleich neckend ſchauerlich — und die ſchoͤne Johanna ſah mich
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0170"n="162"/>
tern, Trinken und Baden zu verbieten. Ich<lb/>
haͤtte mich gewiß in das ſchoͤne Maͤdchen ver¬<lb/>
liebt, wenn ſie gleichguͤltig gegen mich geweſen<lb/>
waͤre; und ich war gleichguͤltig gegen ſie, weil<lb/>
ich wußte, daß ſie mich liebte — Madame,<lb/>
wenn man von mir geliebt ſeyn will, muß man<lb/>
mich <hirendition="#aq">en canaille</hi> behandeln.</p><lb/><p>Die ſchoͤne Johanna war die Baſe der drey<lb/>
Schweſtern, und ich ſetzte mich gern zu ihr.<lb/>
Sie wußte die ſchoͤnſten Sagen, und wenn ſie<lb/>
mit der weißen Hand zum Fenſter hinauszeigte,<lb/>
nach den Bergen, wo das alles paſſirt war,<lb/>
was ſie erzaͤhlte, ſo wurde mir ordentlich ver¬<lb/>
zaubert zu Muthe, die alten Ritter ſtiegen<lb/>ſichtbar aus den Bergruinen und zerhackten ſich<lb/>
die eiſernen Kleider, die Lore-Ley ſtand wieder<lb/>
auf der Bergesſpitze und ſang hinab ihr ſuͤßver¬<lb/>
derbliches Lied, und der Rhein rauſchte ſo ver¬<lb/>
nuͤnftig, beruhigend und doch zugleich neckend<lb/>ſchauerlich — und die ſchoͤne Johanna ſah mich<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[162/0170]
tern, Trinken und Baden zu verbieten. Ich
haͤtte mich gewiß in das ſchoͤne Maͤdchen ver¬
liebt, wenn ſie gleichguͤltig gegen mich geweſen
waͤre; und ich war gleichguͤltig gegen ſie, weil
ich wußte, daß ſie mich liebte — Madame,
wenn man von mir geliebt ſeyn will, muß man
mich en canaille behandeln.
Die ſchoͤne Johanna war die Baſe der drey
Schweſtern, und ich ſetzte mich gern zu ihr.
Sie wußte die ſchoͤnſten Sagen, und wenn ſie
mit der weißen Hand zum Fenſter hinauszeigte,
nach den Bergen, wo das alles paſſirt war,
was ſie erzaͤhlte, ſo wurde mir ordentlich ver¬
zaubert zu Muthe, die alten Ritter ſtiegen
ſichtbar aus den Bergruinen und zerhackten ſich
die eiſernen Kleider, die Lore-Ley ſtand wieder
auf der Bergesſpitze und ſang hinab ihr ſuͤßver¬
derbliches Lied, und der Rhein rauſchte ſo ver¬
nuͤnftig, beruhigend und doch zugleich neckend
ſchauerlich — und die ſchoͤne Johanna ſah mich
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827/170>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.