Stimme der Sultanin von Delhi -- in ihrem Teppichgemache rannte sie stürmisch auf und nieder, sie zerriß ihren silbernen Schleyer, sie stieß zu Boden die schwarze Sklavin mit dem Pfauenwedel, sie weinte, sie tobte, sie schrie -- Ich konnte sie aber nicht verstehen, der Keller des Signor Unbescheiden ist 3000 Meilen entfernt vom Harem zu Delhi, und dazu war die schöne Sultanin schon todt seit 3000 Jahren -- und ich trank hastig den Wein, den hellen, freudigen Wein, und doch wurde es in meiner Seele immer dunkler und trauriger -- Ich war zum Tode verurtheilt -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- --
Als ich die Kellertreppe wieder hinaufstieg, hörte ich das Armesünderglöckchen läuten, die Menschenmenge wogte vorüber, ich aber stellte mich an die Ecke der Strada di San Giovanni und hielt folgenden Monolog:
Stimme der Sultanin von Delhi — in ihrem Teppichgemache rannte ſie ſtuͤrmiſch auf und nieder, ſie zerriß ihren ſilbernen Schleyer, ſie ſtieß zu Boden die ſchwarze Sklavin mit dem Pfauenwedel, ſie weinte, ſie tobte, ſie ſchrie — Ich konnte ſie aber nicht verſtehen, der Keller des Signor Unbeſcheiden iſt 3000 Meilen entfernt vom Harem zu Delhi, und dazu war die ſchoͤne Sultanin ſchon todt ſeit 3000 Jahren — und ich trank haſtig den Wein, den hellen, freudigen Wein, und doch wurde es in meiner Seele immer dunkler und trauriger — Ich war zum Tode verurtheilt — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —
Als ich die Kellertreppe wieder hinaufſtieg, hoͤrte ich das Armeſuͤndergloͤckchen laͤuten, die Menſchenmenge wogte voruͤber, ich aber ſtellte mich an die Ecke der Strada di San Giovanni und hielt folgenden Monolog:
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Stimme der Sultanin von Delhi — in ihrem
Teppichgemache rannte ſie ſtuͤrmiſch auf und
nieder, ſie zerriß ihren ſilbernen Schleyer, ſie
ſtieß zu Boden die ſchwarze Sklavin mit dem
Pfauenwedel, ſie weinte, ſie tobte, ſie ſchrie —
Ich konnte ſie aber nicht verſtehen, der Keller des
Signor Unbeſcheiden iſt 3000 Meilen entfernt
vom Harem zu Delhi, und dazu war die ſchoͤne
Sultanin ſchon todt ſeit 3000 Jahren — und
ich trank haſtig den Wein, den hellen, freudigen
Wein, und doch wurde es in meiner Seele
immer dunkler und trauriger — Ich war zum
Tode verurtheilt — — — —
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Als ich die Kellertreppe wieder hinaufſtieg,
hoͤrte ich das Armeſuͤndergloͤckchen laͤuten, die
Menſchenmenge wogte voruͤber, ich aber ſtellte
mich an die Ecke der Strada di San Giovanni
und hielt folgenden Monolog:
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827/150>, abgerufen am 22.11.2024.
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