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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827.

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den sie sich den Dolch nachträglich hineinstößt,
die selige Bethmann, la belle ferroniere, lauter
lockende Gesichter -- aber ich kaufte doch die
Pistolen, ohne viel zu dingen, und dann kauft'
ich Kugeln, dann Pulver, und dann ging ich in
den Keller des Signor Unbescheiden, und ließ mir
Austern und ein Glas Rheinwein vorstellen --

Essen konnt' ich nicht und trinken noch viel
weniger. Die heißen Tropfen fielen in's Glas,
und im Glas sah ich die liebe Heimath, den
blauen, heiligen Ganges, den ewigstrahlenden
Himalaya, die riesigen Banianenwälder, in deren
weiten Laubgängen die klugen Elephanten und
die weißen Pilger ruhig wandelten, seltsam träu¬
merische Blumen sahen mich an, heimlich mah¬
nend, goldne Wundervögel jubelten wild, flim¬
mernde Sonnenstrahlen und süßnärrische Laute von
lachenden Affen neckten mich lieblich, aus fernen
Pagoden ertönten die frommen Priestergebete,
und dazwischen klang die schmelzend klagende

den ſie ſich den Dolch nachtraͤglich hineinſtoͤßt,
die ſelige Bethmann, la belle ferronière, lauter
lockende Geſichter — aber ich kaufte doch die
Piſtolen, ohne viel zu dingen, und dann kauft'
ich Kugeln, dann Pulver, und dann ging ich in
den Keller des Signor Unbeſcheiden, und ließ mir
Auſtern und ein Glas Rheinwein vorſtellen —

Eſſen konnt' ich nicht und trinken noch viel
weniger. Die heißen Tropfen fielen in's Glas,
und im Glas ſah ich die liebe Heimath, den
blauen, heiligen Ganges, den ewigſtrahlenden
Himalaya, die rieſigen Banianenwaͤlder, in deren
weiten Laubgaͤngen die klugen Elephanten und
die weißen Pilger ruhig wandelten, ſeltſam traͤu¬
meriſche Blumen ſahen mich an, heimlich mah¬
nend, goldne Wundervoͤgel jubelten wild, flim¬
mernde Sonnenſtrahlen und ſuͤßnaͤrriſche Laute von
lachenden Affen neckten mich lieblich, aus fernen
Pagoden ertoͤnten die frommen Prieſtergebete,
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[141/0149] den ſie ſich den Dolch nachtraͤglich hineinſtoͤßt, die ſelige Bethmann, la belle ferronière, lauter lockende Geſichter — aber ich kaufte doch die Piſtolen, ohne viel zu dingen, und dann kauft' ich Kugeln, dann Pulver, und dann ging ich in den Keller des Signor Unbeſcheiden, und ließ mir Auſtern und ein Glas Rheinwein vorſtellen — Eſſen konnt' ich nicht und trinken noch viel weniger. Die heißen Tropfen fielen in's Glas, und im Glas ſah ich die liebe Heimath, den blauen, heiligen Ganges, den ewigſtrahlenden Himalaya, die rieſigen Banianenwaͤlder, in deren weiten Laubgaͤngen die klugen Elephanten und die weißen Pilger ruhig wandelten, ſeltſam traͤu¬ meriſche Blumen ſahen mich an, heimlich mah¬ nend, goldne Wundervoͤgel jubelten wild, flim¬ mernde Sonnenſtrahlen und ſuͤßnaͤrriſche Laute von lachenden Affen neckten mich lieblich, aus fernen Pagoden ertoͤnten die frommen Prieſtergebete, und dazwiſchen klang die ſchmelzend klagende

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Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827/149>, abgerufen am 01.05.2024.