Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

beschäftige. Ein junger Engländer hat mir das
eben erschienene Buch des Maitland mitgetheilt.
Dieser Seemann berichtet die Art und Weise,
wie Napoleon sich ihm ergab und auf dem Bel¬
lerophon sich betrug, bis er, auf Befehl des
englischen Ministeriums, an Bord des Northum¬
berland gebracht wurde. Aus diesem Buche
ergiebt sich sonnenklar, daß der Kaiser, in ro¬
mantischem Vertrauen auf brittische Großmuth,
und um der Welt endlich Ruhe zu schaffen, zu
den Engländern ging, mehr als Gast, denn als
Gefangener. Das war ein Fehler, den gewiß
kein Anderer, und am allerwenigsten ein Wel¬
lington begangen hätte. Die Geschichte aber
wird sagen, dieser Fehler ist so schön, so er¬
haben, so herrlich, daß dazu mehr Seelengröße
gehörte, als wir Anderen zu allen unseren
Großthaten erschwingen können.

Die Ursache, weßhalb Cap. Maitland jetzt
sein Buch herausgiebt, scheint keine andere zu
seyn, als das moralische Reinigungsbedürfniß,

beſchaͤftige. Ein junger Englaͤnder hat mir das
eben erſchienene Buch des Maitland mitgetheilt.
Dieſer Seemann berichtet die Art und Weiſe,
wie Napoleon ſich ihm ergab und auf dem Bel¬
lerophon ſich betrug, bis er, auf Befehl des
engliſchen Miniſteriums, an Bord des Northum¬
berland gebracht wurde. Aus dieſem Buche
ergiebt ſich ſonnenklar, daß der Kaiſer, in ro¬
mantiſchem Vertrauen auf brittiſche Großmuth,
und um der Welt endlich Ruhe zu ſchaffen, zu
den Englaͤndern ging, mehr als Gaſt, denn als
Gefangener. Das war ein Fehler, den gewiß
kein Anderer, und am allerwenigſten ein Wel¬
lington begangen haͤtte. Die Geſchichte aber
wird ſagen, dieſer Fehler iſt ſo ſchoͤn, ſo er¬
haben, ſo herrlich, daß dazu mehr Seelengroͤße
gehoͤrte, als wir Anderen zu allen unſeren
Großthaten erſchwingen koͤnnen.

Die Urſache, weßhalb Cap. Maitland jetzt
ſein Buch herausgiebt, ſcheint keine andere zu
ſeyn, als das moraliſche Reinigungsbeduͤrfniß,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0100" n="92"/>
be&#x017F;cha&#x0364;ftige. Ein junger Engla&#x0364;nder hat mir das<lb/>
eben er&#x017F;chienene Buch des Maitland mitgetheilt.<lb/>
Die&#x017F;er Seemann berichtet die Art und Wei&#x017F;e,<lb/>
wie Napoleon &#x017F;ich ihm ergab und auf dem Bel¬<lb/>
lerophon &#x017F;ich betrug, bis er, auf Befehl des<lb/>
engli&#x017F;chen Mini&#x017F;teriums, an Bord des Northum¬<lb/>
berland gebracht wurde. Aus die&#x017F;em Buche<lb/>
ergiebt &#x017F;ich &#x017F;onnenklar, daß der Kai&#x017F;er, in ro¬<lb/>
manti&#x017F;chem Vertrauen auf britti&#x017F;che Großmuth,<lb/>
und um der Welt endlich Ruhe zu &#x017F;chaffen, zu<lb/>
den Engla&#x0364;ndern ging, mehr als Ga&#x017F;t, denn als<lb/>
Gefangener. Das war ein Fehler, den gewiß<lb/>
kein Anderer, und am allerwenig&#x017F;ten ein Wel¬<lb/>
lington begangen ha&#x0364;tte. Die Ge&#x017F;chichte aber<lb/>
wird &#x017F;agen, die&#x017F;er Fehler i&#x017F;t &#x017F;o &#x017F;cho&#x0364;n, &#x017F;o er¬<lb/>
haben, &#x017F;o herrlich, daß dazu mehr Seelengro&#x0364;ße<lb/>
geho&#x0364;rte, als wir Anderen zu allen un&#x017F;eren<lb/>
Großthaten er&#x017F;chwingen ko&#x0364;nnen.</p><lb/>
          <p>Die Ur&#x017F;ache, weßhalb Cap. Maitland jetzt<lb/>
&#x017F;ein Buch herausgiebt, &#x017F;cheint keine andere zu<lb/>
&#x017F;eyn, als das morali&#x017F;che Reinigungsbedu&#x0364;rfniß,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[92/0100] beſchaͤftige. Ein junger Englaͤnder hat mir das eben erſchienene Buch des Maitland mitgetheilt. Dieſer Seemann berichtet die Art und Weiſe, wie Napoleon ſich ihm ergab und auf dem Bel¬ lerophon ſich betrug, bis er, auf Befehl des engliſchen Miniſteriums, an Bord des Northum¬ berland gebracht wurde. Aus dieſem Buche ergiebt ſich ſonnenklar, daß der Kaiſer, in ro¬ mantiſchem Vertrauen auf brittiſche Großmuth, und um der Welt endlich Ruhe zu ſchaffen, zu den Englaͤndern ging, mehr als Gaſt, denn als Gefangener. Das war ein Fehler, den gewiß kein Anderer, und am allerwenigſten ein Wel¬ lington begangen haͤtte. Die Geſchichte aber wird ſagen, dieſer Fehler iſt ſo ſchoͤn, ſo er¬ haben, ſo herrlich, daß dazu mehr Seelengroͤße gehoͤrte, als wir Anderen zu allen unſeren Großthaten erſchwingen koͤnnen. Die Urſache, weßhalb Cap. Maitland jetzt ſein Buch herausgiebt, ſcheint keine andere zu ſeyn, als das moraliſche Reinigungsbeduͤrfniß,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827/100
Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827/100>, abgerufen am 30.04.2024.