Bergabsteigen, und waren um so vergnügter. End¬ lich gelangten wir auf den Ilsenstein.
Das ist ein ungeheurer Granitfelsen, der sich lang und keck aus der Tiefe erhebt. Von drey Seiten umschließen ihn die hohen, waldbedeckten Berge, aber die vierte, die Nordseite, ist frei und hier schaut man das unten liegende Ilsenburg und die Ilse, weit hinab in's niedere Land. Auf der thurmartigen Spitze des Felsens steht ein großes, eisernes Kreuz, und zur Noth ist da noch Platz für vier Menschenfüße.
Wie nun die Natur, durch Stellung und Form, den Ilsenstein mit phantastischen Reizen geschmückt, so hat auch die Sage ihren Rosenschein darüber ausgegossen. Gottschalk berichtet: "Man erzählt, hier habe ein verwünschtes Schloß gestanden, in welchem die reiche, schöne Prinzessin Ilse gewohnt, die sich noch jetzt jeden Morgen in der Ilse bade; und wer so glücklich ist, den rechten Zeitpunkt zu treffen, werde von ihr in den Felsen, wo ihr Schloß sey, geführt und königlich belohnt!" An¬
Bergabſteigen, und waren um ſo vergnuͤgter. End¬ lich gelangten wir auf den Ilſenſtein.
Das iſt ein ungeheurer Granitfelſen, der ſich lang und keck aus der Tiefe erhebt. Von drey Seiten umſchließen ihn die hohen, waldbedeckten Berge, aber die vierte, die Nordſeite, iſt frei und hier ſchaut man das unten liegende Ilſenburg und die Ilſe, weit hinab in's niedere Land. Auf der thurmartigen Spitze des Felſens ſteht ein großes, eiſernes Kreuz, und zur Noth iſt da noch Platz fuͤr vier Menſchenfuͤße.
Wie nun die Natur, durch Stellung und Form, den Ilſenſtein mit phantaſtiſchen Reizen geſchmuͤckt, ſo hat auch die Sage ihren Roſenſchein daruͤber ausgegoſſen. Gottſchalk berichtet: “Man erzaͤhlt, hier habe ein verwuͤnſchtes Schloß geſtanden, in welchem die reiche, ſchoͤne Prinzeſſin Ilſe gewohnt, die ſich noch jetzt jeden Morgen in der Ilſe bade; und wer ſo gluͤcklich iſt, den rechten Zeitpunkt zu treffen, werde von ihr in den Felſen, wo ihr Schloß ſey, gefuͤhrt und koͤniglich belohnt!” An¬
<TEI><text><body><divtype="poem"n="1"><p><pbfacs="#f0259"n="247"/>
Bergabſteigen, und waren um ſo vergnuͤgter. End¬<lb/>
lich gelangten wir auf den Ilſenſtein.</p><lb/><p>Das iſt ein ungeheurer Granitfelſen, der ſich<lb/>
lang und keck aus der Tiefe erhebt. Von drey<lb/>
Seiten umſchließen ihn die hohen, waldbedeckten<lb/>
Berge, aber die vierte, die Nordſeite, iſt frei und<lb/>
hier ſchaut man das unten liegende Ilſenburg und<lb/>
die Ilſe, weit hinab in's niedere Land. Auf der<lb/>
thurmartigen Spitze des Felſens ſteht ein großes,<lb/>
eiſernes Kreuz, und zur Noth iſt da noch Platz<lb/>
fuͤr vier Menſchenfuͤße.</p><lb/><p>Wie nun die Natur, durch Stellung und Form,<lb/>
den Ilſenſtein mit phantaſtiſchen Reizen geſchmuͤckt,<lb/>ſo hat auch die Sage ihren Roſenſchein daruͤber<lb/>
ausgegoſſen. Gottſchalk berichtet: “Man erzaͤhlt,<lb/>
hier habe ein verwuͤnſchtes Schloß geſtanden, in<lb/>
welchem die reiche, ſchoͤne Prinzeſſin Ilſe gewohnt,<lb/>
die ſich noch jetzt jeden Morgen in der Ilſe bade;<lb/>
und wer ſo gluͤcklich iſt, den rechten Zeitpunkt zu<lb/>
treffen, werde von ihr in den Felſen, wo ihr<lb/>
Schloß ſey, gefuͤhrt und koͤniglich belohnt!” An¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[247/0259]
Bergabſteigen, und waren um ſo vergnuͤgter. End¬
lich gelangten wir auf den Ilſenſtein.
Das iſt ein ungeheurer Granitfelſen, der ſich
lang und keck aus der Tiefe erhebt. Von drey
Seiten umſchließen ihn die hohen, waldbedeckten
Berge, aber die vierte, die Nordſeite, iſt frei und
hier ſchaut man das unten liegende Ilſenburg und
die Ilſe, weit hinab in's niedere Land. Auf der
thurmartigen Spitze des Felſens ſteht ein großes,
eiſernes Kreuz, und zur Noth iſt da noch Platz
fuͤr vier Menſchenfuͤße.
Wie nun die Natur, durch Stellung und Form,
den Ilſenſtein mit phantaſtiſchen Reizen geſchmuͤckt,
ſo hat auch die Sage ihren Roſenſchein daruͤber
ausgegoſſen. Gottſchalk berichtet: “Man erzaͤhlt,
hier habe ein verwuͤnſchtes Schloß geſtanden, in
welchem die reiche, ſchoͤne Prinzeſſin Ilſe gewohnt,
die ſich noch jetzt jeden Morgen in der Ilſe bade;
und wer ſo gluͤcklich iſt, den rechten Zeitpunkt zu
treffen, werde von ihr in den Felſen, wo ihr
Schloß ſey, gefuͤhrt und koͤniglich belohnt!” An¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 1. Hamburg, 1826, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder01_1826/259>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.