Menge anderer Quellen hüpften jetzt hastig aus ihrem Versteck, verbanden sich mit der zuerst her¬ vorgesprungenen, und bald bildeten sie zusammen ein schon bedeutendes Bächlein, das in unzähligen Wasserfällen, und in wunderlichen Windungen, das Bergthal hinab rauscht. Das ist nun die Ilse, die liebliche, süße Ilse. Sie zieht sich durch das gesegnete Ilsethal, an dessen beyden Seiten sich die Berge allmählig höher erheben, und diese sind, bis zu ihrem Fuße, meistens mit Buchen, Eichen und gewöhnlichem Blattgesträuche bewachsen, nicht mehr mir Tannen und anderm Nadelholz. Denn jene Blätterholzart wird vorherrschend auf dem "Unterharze," wie man die Ostseite des Brockens nennt, im Gegensatz zur Westseite desselben, die der "Oberharz" heißt, und wirklich viel höher ist, und also auch viel geeigneter zum Gedeihen der Nadelhölzer.
Es ist unbeschreibbar, mit welcher Fröhlichkeit, Naivität und Anmuth die Ilse sich hinunter stürzt über die abentheuerlich gebildeten Felsstücke, die sie
Menge anderer Quellen huͤpften jetzt haſtig aus ihrem Verſteck, verbanden ſich mit der zuerſt her¬ vorgeſprungenen, und bald bildeten ſie zuſammen ein ſchon bedeutendes Baͤchlein, das in unzaͤhligen Waſſerfaͤllen, und in wunderlichen Windungen, das Bergthal hinab rauſcht. Das iſt nun die Ilſe, die liebliche, ſuͤße Ilſe. Sie zieht ſich durch das geſegnete Ilſethal, an deſſen beyden Seiten ſich die Berge allmaͤhlig hoͤher erheben, und dieſe ſind, bis zu ihrem Fuße, meiſtens mit Buchen, Eichen und gewoͤhnlichem Blattgeſtraͤuche bewachſen, nicht mehr mir Tannen und anderm Nadelholz. Denn jene Blaͤtterholzart wird vorherrſchend auf dem „Unterharze,“ wie man die Oſtſeite des Brockens nennt, im Gegenſatz zur Weſtſeite deſſelben, die der „Oberharz“ heißt, und wirklich viel hoͤher iſt, und alſo auch viel geeigneter zum Gedeihen der Nadelhoͤlzer.
Es iſt unbeſchreibbar, mit welcher Froͤhlichkeit, Naivitaͤt und Anmuth die Ilſe ſich hinunter ſtuͤrzt uͤber die abentheuerlich gebildeten Felsſtuͤcke, die ſie
<TEI><text><body><divtype="poem"n="1"><p><pbfacs="#f0254"n="242"/>
Menge anderer Quellen huͤpften jetzt haſtig aus<lb/>
ihrem Verſteck, verbanden ſich mit der zuerſt her¬<lb/>
vorgeſprungenen, und bald bildeten ſie zuſammen<lb/>
ein ſchon bedeutendes Baͤchlein, das in unzaͤhligen<lb/>
Waſſerfaͤllen, und in wunderlichen Windungen,<lb/>
das Bergthal hinab rauſcht. Das iſt nun die Ilſe,<lb/>
die liebliche, ſuͤße Ilſe. Sie zieht ſich durch das<lb/>
geſegnete Ilſethal, an deſſen beyden Seiten ſich die<lb/>
Berge allmaͤhlig hoͤher erheben, und dieſe ſind, bis<lb/>
zu ihrem Fuße, meiſtens mit Buchen, Eichen und<lb/>
gewoͤhnlichem Blattgeſtraͤuche bewachſen, nicht<lb/>
mehr mir Tannen und anderm Nadelholz. Denn<lb/>
jene Blaͤtterholzart wird vorherrſchend auf dem<lb/>„Unterharze,“ wie man die Oſtſeite des Brockens<lb/>
nennt, im Gegenſatz zur Weſtſeite deſſelben, die<lb/>
der „Oberharz“ heißt, und wirklich viel hoͤher iſt,<lb/>
und alſo auch viel geeigneter zum Gedeihen der<lb/>
Nadelhoͤlzer.</p><lb/><p>Es iſt unbeſchreibbar, mit welcher Froͤhlichkeit,<lb/>
Naivitaͤt und Anmuth die Ilſe ſich hinunter ſtuͤrzt<lb/>
uͤber die abentheuerlich gebildeten Felsſtuͤcke, die ſie<lb/></p></div></body></text></TEI>
[242/0254]
Menge anderer Quellen huͤpften jetzt haſtig aus
ihrem Verſteck, verbanden ſich mit der zuerſt her¬
vorgeſprungenen, und bald bildeten ſie zuſammen
ein ſchon bedeutendes Baͤchlein, das in unzaͤhligen
Waſſerfaͤllen, und in wunderlichen Windungen,
das Bergthal hinab rauſcht. Das iſt nun die Ilſe,
die liebliche, ſuͤße Ilſe. Sie zieht ſich durch das
geſegnete Ilſethal, an deſſen beyden Seiten ſich die
Berge allmaͤhlig hoͤher erheben, und dieſe ſind, bis
zu ihrem Fuße, meiſtens mit Buchen, Eichen und
gewoͤhnlichem Blattgeſtraͤuche bewachſen, nicht
mehr mir Tannen und anderm Nadelholz. Denn
jene Blaͤtterholzart wird vorherrſchend auf dem
„Unterharze,“ wie man die Oſtſeite des Brockens
nennt, im Gegenſatz zur Weſtſeite deſſelben, die
der „Oberharz“ heißt, und wirklich viel hoͤher iſt,
und alſo auch viel geeigneter zum Gedeihen der
Nadelhoͤlzer.
Es iſt unbeſchreibbar, mit welcher Froͤhlichkeit,
Naivitaͤt und Anmuth die Ilſe ſich hinunter ſtuͤrzt
uͤber die abentheuerlich gebildeten Felsſtuͤcke, die ſie
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 1. Hamburg, 1826, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder01_1826/254>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.