Aussicht versperrt. "Benebelt herauf gekommen und benebelt hinunter gegangen!" ist ein stehender Witz, der hier von Hunderten nachgerissen wird. Eine Carolina schreibt: daß sie bey dem Ersteigen des Berges nasse Füße bekommen. Ein naives Hannchen hat diese Klage im Sinn, und schreibt lakonisch: auch ich bin bey der Geschichte naß ge¬ worden. Das ganze Buch riecht nach Käse, Bier und Tabak; man glaubt einen Roman von Clau¬ ren zu lesen.
Während ich nun besagtermaßen Kaffee trank und im Brockenbuche blätterte, trat der Schweizer mit hochrothen Wangen herein, und voller Begei¬ sterung erzählte er von dem erhabenen Anblick, den er oben auf dem Thurm genossen, als das reine, ruhige Licht der Sonne, Sinnbild der Wahrheit, mit den nächtlichen Nebelmassen gekämpft, daß es ausgesehen habe wie eine Geisterschlacht, wo zürnende Riesen ihre langen Schwerdter ausstrecken, gehar¬ nischte Ritter, auf bäumenden Rossen, einher jagen, Streitwagen, flatternde Banner, abentheuerliche
Ausſicht verſperrt. “Benebelt herauf gekommen und benebelt hinunter gegangen!” iſt ein ſtehender Witz, der hier von Hunderten nachgeriſſen wird. Eine Carolina ſchreibt: daß ſie bey dem Erſteigen des Berges naſſe Fuͤße bekommen. Ein naives Hannchen hat dieſe Klage im Sinn, und ſchreibt lakoniſch: auch ich bin bey der Geſchichte naß ge¬ worden. Das ganze Buch riecht nach Kaͤſe, Bier und Tabak; man glaubt einen Roman von Clau¬ ren zu leſen.
Waͤhrend ich nun beſagtermaßen Kaffee trank und im Brockenbuche blaͤtterte, trat der Schweizer mit hochrothen Wangen herein, und voller Begei¬ ſterung erzaͤhlte er von dem erhabenen Anblick, den er oben auf dem Thurm genoſſen, als das reine, ruhige Licht der Sonne, Sinnbild der Wahrheit, mit den naͤchtlichen Nebelmaſſen gekaͤmpft, daß es ausgeſehen habe wie eine Geiſterſchlacht, wo zuͤrnende Rieſen ihre langen Schwerdter ausſtrecken, gehar¬ niſchte Ritter, auf baͤumenden Roſſen, einher jagen, Streitwagen, flatternde Banner, abentheuerliche
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Ausſicht verſperrt. “Benebelt herauf gekommen
und benebelt hinunter gegangen!” iſt ein ſtehender
Witz, der hier von Hunderten nachgeriſſen wird.
Eine Carolina ſchreibt: daß ſie bey dem Erſteigen
des Berges naſſe Fuͤße bekommen. Ein naives
Hannchen hat dieſe Klage im Sinn, und ſchreibt
lakoniſch: auch ich bin bey der Geſchichte naß ge¬
worden. Das ganze Buch riecht nach Kaͤſe, Bier
und Tabak; man glaubt einen Roman von Clau¬
ren zu leſen.
Waͤhrend ich nun beſagtermaßen Kaffee trank
und im Brockenbuche blaͤtterte, trat der Schweizer
mit hochrothen Wangen herein, und voller Begei¬
ſterung erzaͤhlte er von dem erhabenen Anblick, den
er oben auf dem Thurm genoſſen, als das reine,
ruhige Licht der Sonne, Sinnbild der Wahrheit,
mit den naͤchtlichen Nebelmaſſen gekaͤmpft, daß es
ausgeſehen habe wie eine Geiſterſchlacht, wo zuͤrnende
Rieſen ihre langen Schwerdter ausſtrecken, gehar¬
niſchte Ritter, auf baͤumenden Roſſen, einher jagen,
Streitwagen, flatternde Banner, abentheuerliche
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 1. Hamburg, 1826, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder01_1826/248>, abgerufen am 22.11.2024.
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