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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 1. Hamburg, 1826.

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sich in polternden Recitativen, Marcus Tullius El¬
versus, als Prima Donna legataria, all' seine holde
Weiblichkeit offenbarend, sang die liebeschmelzende
Bravour-Arie quicunque civis romanus, ziegelroth ge¬
schminkte Referendarien brüllten als Chor der Un¬
mündigen, Privat-Dozenten, als Genien in fleisch¬
farbigen Trikot gekleidet, tanzten ein antejustinianei¬
sches Ballet und bekränzten mit Blumen die zwölf
Tafeln, unter Donner und Blitz stieg aus der Erde
der beleidigte Geist der römischen Gesetzgebung,
Posaunen, Tamtam, Feuerregen, cum omni causa.

Aus diesem Lärmen zog mich der Brockenwirth,
indem er mich weckte, um den Sonnen-Auf¬
gang anzusehen. Auf dem Thurm fand ich schon
einige Harrende, die sich die frierenden Hände rie¬
ben, Andere, noch den Schlaf in den Augen, tau¬
melten herauf: endlich stand die stille Gemeinde
von gestern Abend wieder ganz versammelt, und
schweigend sahen wir: wie am Horizonte die kleine,
carmoisinrothe Kugel empor stieg, eine winterlich
dämmernde Beleuchtung sich verbreitete, die Berge

ſich in polternden Recitativen, Marcus Tullius El¬
verſus, als Prima Donna legataria, all' ſeine holde
Weiblichkeit offenbarend, ſang die liebeſchmelzende
Bravour-Arie quicunque civis romanus, ziegelroth ge¬
ſchminkte Referendarien bruͤllten als Chor der Un¬
muͤndigen, Privat-Dozenten, als Genien in fleiſch¬
farbigen Trikot gekleidet, tanzten ein antejuſtinianei¬
ſches Ballet und bekraͤnzten mit Blumen die zwoͤlf
Tafeln, unter Donner und Blitz ſtieg aus der Erde
der beleidigte Geiſt der roͤmiſchen Geſetzgebung,
Poſaunen, Tamtam, Feuerregen, cum omni causa.

Aus dieſem Laͤrmen zog mich der Brockenwirth,
indem er mich weckte, um den Sonnen-Auf¬
gang anzuſehen. Auf dem Thurm fand ich ſchon
einige Harrende, die ſich die frierenden Haͤnde rie¬
ben, Andere, noch den Schlaf in den Augen, tau¬
melten herauf: endlich ſtand die ſtille Gemeinde
von geſtern Abend wieder ganz verſammelt, und
ſchweigend ſahen wir: wie am Horizonte die kleine,
carmoiſinrothe Kugel empor ſtieg, eine winterlich
daͤmmernde Beleuchtung ſich verbreitete, die Berge

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[232/0244] ſich in polternden Recitativen, Marcus Tullius El¬ verſus, als Prima Donna legataria, all' ſeine holde Weiblichkeit offenbarend, ſang die liebeſchmelzende Bravour-Arie quicunque civis romanus, ziegelroth ge¬ ſchminkte Referendarien bruͤllten als Chor der Un¬ muͤndigen, Privat-Dozenten, als Genien in fleiſch¬ farbigen Trikot gekleidet, tanzten ein antejuſtinianei¬ ſches Ballet und bekraͤnzten mit Blumen die zwoͤlf Tafeln, unter Donner und Blitz ſtieg aus der Erde der beleidigte Geiſt der roͤmiſchen Geſetzgebung, Poſaunen, Tamtam, Feuerregen, cum omni causa. Aus dieſem Laͤrmen zog mich der Brockenwirth, indem er mich weckte, um den Sonnen-Auf¬ gang anzuſehen. Auf dem Thurm fand ich ſchon einige Harrende, die ſich die frierenden Haͤnde rie¬ ben, Andere, noch den Schlaf in den Augen, tau¬ melten herauf: endlich ſtand die ſtille Gemeinde von geſtern Abend wieder ganz verſammelt, und ſchweigend ſahen wir: wie am Horizonte die kleine, carmoiſinrothe Kugel empor ſtieg, eine winterlich daͤmmernde Beleuchtung ſich verbreitete, die Berge

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Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 1. Hamburg, 1826, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder01_1826/244>, abgerufen am 04.12.2024.