es müßten 48 seyn, weil man alsdann ein syste¬ matischeres Handbuch über Deutschland schreiben könne, und es doch nothwendig sey, das Leben mit der Wissenschaft zu verbinden. Mein Greifswalder Freund war auch ein deutscher Barde, und, wie er mir vertraute, arbeitete er an einem National- Heldengedichte zur Verherrlichung Hermanns und der Hermannsschlacht. Manchen nützlichen Wink gab ich ihm für die Anfertigung dieses Epos. Ich machte ihn darauf aufmerksam, daß er die Sümpfe und Knüppelwege des teutoburger Waldes sehr ono¬ matopöisch durch wäßrige und holprige Verse an¬ deuten könne, und daß es eine patriotische Feinheit wäre, wenn er den Varus und die übrigen Römer lauter Unsinn sprechen ließe. Ich hoffe, dieser Kunstkniff wird ihm, eben so erfolgreich wie andern Berliner Dichtern, bis zur bedenklichsten Illusion gelingen.
An unserem Tische wurde es immer lauter und traulicher, der Wein verdrängte das Bier, die Punsch-Bowlen dampften, es wurde getrunken,
es muͤßten 48 ſeyn, weil man alsdann ein ſyſte¬ matiſcheres Handbuch uͤber Deutſchland ſchreiben koͤnne, und es doch nothwendig ſey, das Leben mit der Wiſſenſchaft zu verbinden. Mein Greifswalder Freund war auch ein deutſcher Barde, und, wie er mir vertraute, arbeitete er an einem National- Heldengedichte zur Verherrlichung Hermanns und der Hermannsſchlacht. Manchen nuͤtzlichen Wink gab ich ihm fuͤr die Anfertigung dieſes Epos. Ich machte ihn darauf aufmerkſam, daß er die Suͤmpfe und Knuͤppelwege des teutoburger Waldes ſehr ono¬ matopoͤiſch durch waͤßrige und holprige Verſe an¬ deuten koͤnne, und daß es eine patriotiſche Feinheit waͤre, wenn er den Varus und die uͤbrigen Roͤmer lauter Unſinn ſprechen ließe. Ich hoffe, dieſer Kunſtkniff wird ihm, eben ſo erfolgreich wie andern Berliner Dichtern, bis zur bedenklichſten Illuſion gelingen.
An unſerem Tiſche wurde es immer lauter und traulicher, der Wein verdraͤngte das Bier, die Punſch-Bowlen dampften, es wurde getrunken,
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es muͤßten 48 ſeyn, weil man alsdann ein ſyſte¬
matiſcheres Handbuch uͤber Deutſchland ſchreiben
koͤnne, und es doch nothwendig ſey, das Leben mit
der Wiſſenſchaft zu verbinden. Mein Greifswalder
Freund war auch ein deutſcher Barde, und, wie
er mir vertraute, arbeitete er an einem National-
Heldengedichte zur Verherrlichung Hermanns und
der Hermannsſchlacht. Manchen nuͤtzlichen Wink
gab ich ihm fuͤr die Anfertigung dieſes Epos. Ich
machte ihn darauf aufmerkſam, daß er die Suͤmpfe
und Knuͤppelwege des teutoburger Waldes ſehr ono¬
matopoͤiſch durch waͤßrige und holprige Verſe an¬
deuten koͤnne, und daß es eine patriotiſche Feinheit
waͤre, wenn er den Varus und die uͤbrigen Roͤmer
lauter Unſinn ſprechen ließe. Ich hoffe, dieſer
Kunſtkniff wird ihm, eben ſo erfolgreich wie andern
Berliner Dichtern, bis zur bedenklichſten Illuſion
gelingen.
An unſerem Tiſche wurde es immer lauter und
traulicher, der Wein verdraͤngte das Bier, die
Punſch-Bowlen dampften, es wurde getrunken,
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 1. Hamburg, 1826, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder01_1826/234>, abgerufen am 04.12.2024.
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