alle drey nicht erst aus Afrika zu verschreiben braucht; in der "Macht der Verhältnisse" soll ein wirklicher Schriftsteller, der schon mahl ein paar Maulschellen bekommen, die Rolle des Helden spie¬ len; in der Ahnfrau soll der Künstler, der den Jaromir giebt, schon wirklich einmal geraubt, oder doch wenigstens gestohlen haben; die Lady Macbeth soll von einer Dame gespielt werden, die zwar, wie es Tiek verlangt, von Natur sehr liebe¬ voll ist, aber doch mit dem blutigen Anblick eines meuchelmörderischen Abstechens einigermaßen ver¬ traut ist; und endlich, zur Darstellung gar beson¬ ders seichter, witzloser, pöbelhafter Gesellen soll der große Angeli engagirt werden, der große An¬ geli, der seine Geistesgenossen jedesmal entzückt, wenn er sich erhebt in seiner wahren Größe, hoch, hoch, "jeder Zoll ein Lump!" -- Hatte nun obenerwähnter junger Mensch die Verhältnisse des Berliner Schauspiels schlecht begriffen, so merkte er noch viel weniger, daß die Spontinische Janitscha¬ ren-Oper, mit ihren Pauken, Elephanten, Trompe¬
alle drey nicht erſt aus Afrika zu verſchreiben braucht; in der “Macht der Verhaͤltniſſe” ſoll ein wirklicher Schriftſteller, der ſchon mahl ein paar Maulſchellen bekommen, die Rolle des Helden ſpie¬ len; in der Ahnfrau ſoll der Kuͤnſtler, der den Jaromir giebt, ſchon wirklich einmal geraubt, oder doch wenigſtens geſtohlen haben; die Lady Macbeth ſoll von einer Dame geſpielt werden, die zwar, wie es Tiek verlangt, von Natur ſehr liebe¬ voll iſt, aber doch mit dem blutigen Anblick eines meuchelmoͤrderiſchen Abſtechens einigermaßen ver¬ traut iſt; und endlich, zur Darſtellung gar beſon¬ ders ſeichter, witzloſer, poͤbelhafter Geſellen ſoll der große Angeli engagirt werden, der große An¬ geli, der ſeine Geiſtesgenoſſen jedesmal entzuͤckt, wenn er ſich erhebt in ſeiner wahren Groͤße, hoch, hoch, “jeder Zoll ein Lump!” — Hatte nun obenerwaͤhnter junger Menſch die Verhaͤltniſſe des Berliner Schauſpiels ſchlecht begriffen, ſo merkte er noch viel weniger, daß die Spontiniſche Janitſcha¬ ren-Oper, mit ihren Pauken, Elephanten, Trompe¬
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alle drey nicht erſt aus Afrika zu verſchreiben
braucht; in der “Macht der Verhaͤltniſſe” ſoll ein
wirklicher Schriftſteller, der ſchon mahl ein paar
Maulſchellen bekommen, die Rolle des Helden ſpie¬
len; in der Ahnfrau ſoll der Kuͤnſtler, der den
Jaromir giebt, ſchon wirklich einmal geraubt,
oder doch wenigſtens geſtohlen haben; die Lady
Macbeth ſoll von einer Dame geſpielt werden, die
zwar, wie es Tiek verlangt, von Natur ſehr liebe¬
voll iſt, aber doch mit dem blutigen Anblick eines
meuchelmoͤrderiſchen Abſtechens einigermaßen ver¬
traut iſt; und endlich, zur Darſtellung gar beſon¬
ders ſeichter, witzloſer, poͤbelhafter Geſellen ſoll
der große Angeli engagirt werden, der große An¬
geli, der ſeine Geiſtesgenoſſen jedesmal entzuͤckt,
wenn er ſich erhebt in ſeiner wahren Groͤße, hoch,
hoch, “jeder Zoll ein Lump!” — Hatte nun
obenerwaͤhnter junger Menſch die Verhaͤltniſſe des
Berliner Schauſpiels ſchlecht begriffen, ſo merkte er
noch viel weniger, daß die Spontiniſche Janitſcha¬
ren-Oper, mit ihren Pauken, Elephanten, Trompe¬
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 1. Hamburg, 1826, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder01_1826/229>, abgerufen am 04.12.2024.
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