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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 1. Hamburg, 1826.

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freien Luft zu wachsen scheinen. Und doch haben
sie sich zu jener gewaltigen Höhe empor geschwun¬
gen, und, mit den umklammerten Steinen wie zu¬
sammengewachsen, stehen sie fester als ihre beque¬
men Collegen im zahmen Forstboden des flachen Lan¬
des. So stehen auch im Leben jene großen Män¬
ner, die durch das Ueberwinden früher Hemmun¬
gen und Hindernisse sich erst recht gestärkt und be¬
festigt haben. Auf den Zweigen der Tannen klet¬
terten Eichhörnchen und unter denselben spazier¬
ten die gelben Hirsche. Wenn ich solch ein lie¬
bes, edles Thier sehe, so kann ich nicht begrei¬
fen, wie gebildete Leute Vergnügen daran finden,
es zu hetzen und zu tödten. Solch ein Thier
war barmherziger als die Menschen, und säugte
den schmachtenden Schmerzenreich der heiligen
Genovefa.

Allerliebst schossen die goldenen Sonnenlichter
durch das dichte Tannengrün. Eine natürliche
Treppe bildeten die Baumwurzeln. Ueberall schwel¬
lende Moosbänke; denn die Steine sind fußhoch

freien Luft zu wachſen ſcheinen. Und doch haben
ſie ſich zu jener gewaltigen Hoͤhe empor geſchwun¬
gen, und, mit den umklammerten Steinen wie zu¬
ſammengewachſen, ſtehen ſie feſter als ihre beque¬
men Collegen im zahmen Forſtboden des flachen Lan¬
des. So ſtehen auch im Leben jene großen Maͤn¬
ner, die durch das Ueberwinden fruͤher Hemmun¬
gen und Hinderniſſe ſich erſt recht geſtaͤrkt und be¬
feſtigt haben. Auf den Zweigen der Tannen klet¬
terten Eichhoͤrnchen und unter denſelben ſpazier¬
ten die gelben Hirſche. Wenn ich ſolch ein lie¬
bes, edles Thier ſehe, ſo kann ich nicht begrei¬
fen, wie gebildete Leute Vergnuͤgen daran finden,
es zu hetzen und zu toͤdten. Solch ein Thier
war barmherziger als die Menſchen, und ſaͤugte
den ſchmachtenden Schmerzenreich der heiligen
Genovefa.

Allerliebſt ſchoſſen die goldenen Sonnenlichter
durch das dichte Tannengruͤn. Eine natuͤrliche
Treppe bildeten die Baumwurzeln. Ueberall ſchwel¬
lende Moosbaͤnke; denn die Steine ſind fußhoch

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[197/0209] freien Luft zu wachſen ſcheinen. Und doch haben ſie ſich zu jener gewaltigen Hoͤhe empor geſchwun¬ gen, und, mit den umklammerten Steinen wie zu¬ ſammengewachſen, ſtehen ſie feſter als ihre beque¬ men Collegen im zahmen Forſtboden des flachen Lan¬ des. So ſtehen auch im Leben jene großen Maͤn¬ ner, die durch das Ueberwinden fruͤher Hemmun¬ gen und Hinderniſſe ſich erſt recht geſtaͤrkt und be¬ feſtigt haben. Auf den Zweigen der Tannen klet¬ terten Eichhoͤrnchen und unter denſelben ſpazier¬ ten die gelben Hirſche. Wenn ich ſolch ein lie¬ bes, edles Thier ſehe, ſo kann ich nicht begrei¬ fen, wie gebildete Leute Vergnuͤgen daran finden, es zu hetzen und zu toͤdten. Solch ein Thier war barmherziger als die Menſchen, und ſaͤugte den ſchmachtenden Schmerzenreich der heiligen Genovefa. Allerliebſt ſchoſſen die goldenen Sonnenlichter durch das dichte Tannengruͤn. Eine natuͤrliche Treppe bildeten die Baumwurzeln. Ueberall ſchwel¬ lende Moosbaͤnke; denn die Steine ſind fußhoch

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Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 1. Hamburg, 1826, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder01_1826/209>, abgerufen am 04.12.2024.