Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 1. Hamburg, 1826.Nein, es sieht uns nicht die Mutter, Denn sie spinnt mit großem Fleiß, Und der Vater spielt die Zitter, Und er singt die alte Weis'. Und die Kleine flüstert leise, Leise, mit gedämpftem Laut; Manches wichtige Geheimniß Hat sie mir schon anvertraut. "Aber seit die Muhme todt ist, Können wir ja nicht mehr geh'n Nach dem Schützenhof zu Goslar, Und dort ist es gar zu schön. "Hier dagegen ist es einsam, Auf der kalten Bergeshöh', Und des Winters sind wir gänzlich Wie vergraben in dem Schnee. "Und ich bin ein banges Mädchen,
Und ich fürcht' mich wie ein Kind Vor den bösen Bergesgeistern, Die des Nachts geschäftig sind." Nein, es ſieht uns nicht die Mutter, Denn ſie ſpinnt mit großem Fleiß, Und der Vater ſpielt die Zitter, Und er ſingt die alte Weiſ'. Und die Kleine fluͤſtert leiſe‚ Leiſe, mit gedaͤmpftem Laut; Manches wichtige Geheimniß Hat ſie mir ſchon anvertraut. „Aber ſeit die Muhme todt iſt, Koͤnnen wir ja nicht mehr geh'n Nach dem Schuͤtzenhof zu Goslar, Und dort iſt es gar zu ſchoͤn. „Hier dagegen iſt es einſam, Auf der kalten Bergeshoͤh', Und des Winters ſind wir gaͤnzlich Wie vergraben in dem Schnee. „Und ich bin ein banges Maͤdchen,
Und ich fuͤrcht' mich wie ein Kind Vor den boͤſen Bergesgeiſtern, Die des Nachts geſchaͤftig ſind.“ <TEI> <text> <body> <div type="poem" n="1"> <lg> <pb facs="#f0195" n="183"/> <lg n="5"> <l>Nein, es ſieht uns nicht die Mutter,</l><lb/> <l>Denn ſie ſpinnt mit großem Fleiß,</l><lb/> <l>Und der Vater ſpielt die Zitter,</l><lb/> <l>Und er ſingt die alte Weiſ'.</l><lb/> </lg> <lg n="6"> <l>Und die Kleine fluͤſtert leiſe‚</l><lb/> <l>Leiſe, mit gedaͤmpftem Laut;</l><lb/> <l>Manches wichtige Geheimniß</l><lb/> <l>Hat ſie mir ſchon anvertraut.</l><lb/> </lg> <lg n="7"> <l>„Aber ſeit die Muhme todt iſt,</l><lb/> <l>Koͤnnen wir ja nicht mehr geh'n</l><lb/> <l>Nach dem Schuͤtzenhof zu Goslar,</l><lb/> <l>Und dort iſt es gar zu ſchoͤn.</l><lb/> </lg> <lg n="8"> <l>„Hier dagegen iſt es einſam,</l><lb/> <l>Auf der kalten Bergeshoͤh',</l><lb/> <l>Und des Winters ſind wir gaͤnzlich</l><lb/> <l>Wie vergraben in dem Schnee.</l><lb/> </lg> <lg n="9"> <l>„Und ich bin ein banges Maͤdchen,</l><lb/> <l>Und ich fuͤrcht' mich wie ein Kind</l><lb/> <l>Vor den boͤſen Bergesgeiſtern,</l><lb/> <l>Die des Nachts geſchaͤftig ſind.“</l><lb/> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [183/0195]
Nein, es ſieht uns nicht die Mutter,
Denn ſie ſpinnt mit großem Fleiß,
Und der Vater ſpielt die Zitter,
Und er ſingt die alte Weiſ'.
Und die Kleine fluͤſtert leiſe‚
Leiſe, mit gedaͤmpftem Laut;
Manches wichtige Geheimniß
Hat ſie mir ſchon anvertraut.
„Aber ſeit die Muhme todt iſt,
Koͤnnen wir ja nicht mehr geh'n
Nach dem Schuͤtzenhof zu Goslar,
Und dort iſt es gar zu ſchoͤn.
„Hier dagegen iſt es einſam,
Auf der kalten Bergeshoͤh',
Und des Winters ſind wir gaͤnzlich
Wie vergraben in dem Schnee.
„Und ich bin ein banges Maͤdchen,
Und ich fuͤrcht' mich wie ein Kind
Vor den boͤſen Bergesgeiſtern,
Die des Nachts geſchaͤftig ſind.“
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