Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heine, Heinrich: Buch der Lieder. Hamburg, 1827.

Bild:
<< vorherige Seite
Und scherzend halb und halb wehmüthig,
Versichert' er mir: die Sonne sey
Eine schöne Frau, die den alten Meergott
Aus Convenienz geheurathet;
Des Tages über wandle sie freudig
Am hohen Himmel, purpurgeputzt,
Und diamantenblitzend,
Und allgeliebt und allbewundert
Von allen Weltkreaturen,
Und alle Weltkreaturen erfreuend
Mit ihres Blickes Licht und Wärme;
Aber des Abends, trostlos gezwungen,
Kehre sie wieder zurück
In das nasse Haus, in die öden Arme
Des greisen Gemahls.
Glaub mir's -- setzte hinzu der Freund,
Und lachte und seufzte und lachte wieder --
Die führen dort unten die zärtlichste Ehe!
Entweder sie schlafen oder sie zanken sich,
Daß hochaufbraust hier oben das Meer,
Und der Schiffer im Wellengeräusch es hört
Wie der Alte sein Weib ausschilt:
"Runde Metze des Weltalls!
Strahlenbuhlende!
Den ganzen Tag glühst du für Andre,
Und ſcherzend halb und halb wehmüthig,
Verſichert' er mir: die Sonne ſey
Eine ſchöne Frau, die den alten Meergott
Aus Convenienz geheurathet;
Des Tages über wandle ſie freudig
Am hohen Himmel, purpurgeputzt,
Und diamantenblitzend,
Und allgeliebt und allbewundert
Von allen Weltkreaturen,
Und alle Weltkreaturen erfreuend
Mit ihres Blickes Licht und Wärme;
Aber des Abends, troſtlos gezwungen,
Kehre ſie wieder zurück
In das naſſe Haus, in die öden Arme
Des greiſen Gemahls.
Glaub mir's — ſetzte hinzu der Freund,
Und lachte und ſeufzte und lachte wieder —
Die führen dort unten die zärtlichſte Ehe!
Entweder ſie ſchlafen oder ſie zanken ſich,
Daß hochaufbrauſt hier oben das Meer,
Und der Schiffer im Wellengeräuſch es hört
Wie der Alte ſein Weib ausſchilt:
„Runde Metze des Weltalls!
Strahlenbuhlende!
Den ganzen Tag glühſt du für Andre,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <lg type="poem">
              <pb facs="#f0360" n="352"/>
              <lg n="3">
                <l>Und &#x017F;cherzend halb und halb wehmüthig,</l><lb/>
                <l>Ver&#x017F;ichert' er mir: die Sonne &#x017F;ey</l><lb/>
                <l>Eine &#x017F;chöne Frau, die den alten Meergott</l><lb/>
                <l>Aus Convenienz geheurathet;</l><lb/>
                <l>Des Tages über wandle &#x017F;ie freudig</l><lb/>
                <l>Am hohen Himmel, purpurgeputzt,</l><lb/>
                <l>Und diamantenblitzend,</l><lb/>
                <l>Und allgeliebt und allbewundert</l><lb/>
                <l>Von allen Weltkreaturen,</l><lb/>
                <l>Und alle Weltkreaturen erfreuend</l><lb/>
                <l>Mit ihres Blickes Licht und Wärme;</l><lb/>
                <l>Aber des Abends, tro&#x017F;tlos gezwungen,</l><lb/>
                <l>Kehre &#x017F;ie wieder zurück</l><lb/>
                <l>In das na&#x017F;&#x017F;e Haus, in die öden Arme</l><lb/>
                <l>Des grei&#x017F;en Gemahls.</l><lb/>
              </lg>
              <lg n="4">
                <l>Glaub mir's &#x2014; &#x017F;etzte hinzu der Freund,</l><lb/>
                <l>Und lachte und &#x017F;eufzte und lachte wieder &#x2014;</l><lb/>
                <l>Die führen dort unten die zärtlich&#x017F;te Ehe!</l><lb/>
                <l>Entweder &#x017F;ie &#x017F;chlafen oder &#x017F;ie zanken &#x017F;ich,</l><lb/>
                <l>Daß hochaufbrau&#x017F;t hier oben das Meer,</l><lb/>
                <l>Und der Schiffer im Wellengeräu&#x017F;ch es hört</l><lb/>
                <l>Wie der Alte &#x017F;ein Weib aus&#x017F;chilt:</l><lb/>
                <l>&#x201E;Runde Metze des Weltalls!</l><lb/>
                <l>Strahlenbuhlende!</l><lb/>
                <l>Den ganzen Tag glüh&#x017F;t du für Andre,</l><lb/>
              </lg>
            </lg>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[352/0360] Und ſcherzend halb und halb wehmüthig, Verſichert' er mir: die Sonne ſey Eine ſchöne Frau, die den alten Meergott Aus Convenienz geheurathet; Des Tages über wandle ſie freudig Am hohen Himmel, purpurgeputzt, Und diamantenblitzend, Und allgeliebt und allbewundert Von allen Weltkreaturen, Und alle Weltkreaturen erfreuend Mit ihres Blickes Licht und Wärme; Aber des Abends, troſtlos gezwungen, Kehre ſie wieder zurück In das naſſe Haus, in die öden Arme Des greiſen Gemahls. Glaub mir's — ſetzte hinzu der Freund, Und lachte und ſeufzte und lachte wieder — Die führen dort unten die zärtlichſte Ehe! Entweder ſie ſchlafen oder ſie zanken ſich, Daß hochaufbrauſt hier oben das Meer, Und der Schiffer im Wellengeräuſch es hört Wie der Alte ſein Weib ausſchilt: „Runde Metze des Weltalls! Strahlenbuhlende! Den ganzen Tag glühſt du für Andre,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_lieder_1827
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_lieder_1827/360
Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Buch der Lieder. Hamburg, 1827, S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_lieder_1827/360>, abgerufen am 23.11.2024.