Heine, Heinrich: Buch der Lieder. Hamburg, 1827.LXI. Der Traumgott bracht' mich in ein Riesenschloß, Wo schwüler Zauberduft und Lichterschimmer, Und bunte Menschenwoge sich ergoß Durch labyrinthisch vielverschlungne Zimmer. Die Ausgangspforte sucht der bleiche Troß, Mit Händeringen und mit Angstgewimmer. Jungfrau'n und Ritter ragen aus der Menge, Ich selbst bin fortgezogen im Gedränge. Doch plötzlich steh' ich ganz allein, und seh',
Und staun', wie schnell die Menge konnt' verschwinden, Und wandre fort allein, und eil', und geh' Durch die Gemächer, die sich seltsam winden. Mein Fuß wird Blei, im Herzen Angst und Weh, Verzweifl' ich fast den Ausgang je zu finden. Da komm' ich endlich an das letzte Thor; Ich will hinaus -- o Gott, wer steht davor! LXI. Der Traumgott bracht' mich in ein Rieſenſchloß, Wo ſchwüler Zauberduft und Lichterſchimmer, Und bunte Menſchenwoge ſich ergoß Durch labyrinthiſch vielverſchlungne Zimmer. Die Ausgangspforte ſucht der bleiche Troß, Mit Händeringen und mit Angſtgewimmer. Jungfrau'n und Ritter ragen aus der Menge, Ich ſelbſt bin fortgezogen im Gedränge. Doch plötzlich ſteh' ich ganz allein, und ſeh',
Und ſtaun', wie ſchnell die Menge konnt' verſchwinden, Und wandre fort allein, und eil', und geh' Durch die Gemächer, die ſich ſeltſam winden. Mein Fuß wird Blei, im Herzen Angſt und Weh, Verzweifl' ich faſt den Ausgang je zu finden. Da komm' ich endlich an das letzte Thor; Ich will hinaus — o Gott, wer ſteht davor! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0172" n="164"/> </div> <div n="2"> <head> <hi rendition="#aq">LXI.</hi><lb/> </head> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Der Traumgott bracht' mich in ein Rieſenſchloß,</l><lb/> <l>Wo ſchwüler Zauberduft und Lichterſchimmer,</l><lb/> <l>Und bunte Menſchenwoge ſich ergoß</l><lb/> <l>Durch labyrinthiſch vielverſchlungne Zimmer.</l><lb/> <l>Die Ausgangspforte ſucht der bleiche Troß,</l><lb/> <l>Mit Händeringen und mit Angſtgewimmer.</l><lb/> <l>Jungfrau'n und Ritter ragen aus der Menge,</l><lb/> <l>Ich ſelbſt bin fortgezogen im Gedränge.</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>Doch plötzlich ſteh' ich ganz allein, und ſeh',</l><lb/> <l>Und ſtaun', wie ſchnell die Menge konnt' verſchwinden,</l><lb/> <l>Und wandre fort allein, und eil', und geh'</l><lb/> <l>Durch die Gemächer, die ſich ſeltſam winden.</l><lb/> <l>Mein Fuß wird Blei, im Herzen Angſt und Weh,</l><lb/> <l>Verzweifl' ich faſt den Ausgang je zu finden.</l><lb/> <l>Da komm' ich endlich an das letzte Thor;</l><lb/> <l>Ich will hinaus — o Gott, wer ſteht davor!</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [164/0172]
LXI.
Der Traumgott bracht' mich in ein Rieſenſchloß,
Wo ſchwüler Zauberduft und Lichterſchimmer,
Und bunte Menſchenwoge ſich ergoß
Durch labyrinthiſch vielverſchlungne Zimmer.
Die Ausgangspforte ſucht der bleiche Troß,
Mit Händeringen und mit Angſtgewimmer.
Jungfrau'n und Ritter ragen aus der Menge,
Ich ſelbſt bin fortgezogen im Gedränge.
Doch plötzlich ſteh' ich ganz allein, und ſeh',
Und ſtaun', wie ſchnell die Menge konnt' verſchwinden,
Und wandre fort allein, und eil', und geh'
Durch die Gemächer, die ſich ſeltſam winden.
Mein Fuß wird Blei, im Herzen Angſt und Weh,
Verzweifl' ich faſt den Ausgang je zu finden.
Da komm' ich endlich an das letzte Thor;
Ich will hinaus — o Gott, wer ſteht davor!
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