handelte, nicht verlängnen, sondern vom Verbrechen und seine sühnende Beruhigung. Beyde sind die Ver- gessenheit, das Verschwundenseyn der Wirklichkeit und des Thuns der Mächte der Substanz, ihrer Indivi- dualitäten, und der Mächte des abstracten Gedankens des Guten und des Bösen, denn keine für sich ist das Wesen, sondern dieses ist die Ruhe des Ganzen in sich selbst, die unbewegte Einheit des Schicksals, das ruhige Daseyn und damit die Unthätigkeit und Unle- bendigkeit der Familie und der Regierung, und die gleiche Ehre und damit die gleichgültige Unwirklich- keit Apolls und der Erinnye, und die Rückkehr ih- rer Begeistung und Thätigkeit in den einfachen Zevs.
Dieses Schicksal vollendet die Entvölkerung des Himmels, -- der gedankenlosen Vermischung der In- dividualität und des Wesens, -- einer Vermischung, wodurch das Thun des Wesens als ein inconsequen- tes, zufälliges, seiner unwürdiges erscheint; denn dem Wesen nur oberflächlich anhängend ist die Indi- vidualität die unwesentliche. Die Vertreibung solcher wesenlosen Vorstellungen, die von Philosophen des Alterthums gefodert wurde, beginnt also schon in der Tragödie überhaupt dadurch, dass die Eintheilung der Substanz von dem Begriffe beherrscht, die Individua- lität hiemit die wesentliche und die Bestimmungen die absoluten Charaktere sind. Das Selbstbewusstseyn, das in ihr vorgestellt ist, kennt und anerkennt desswe[-]
X x 2
handelte, nicht verlängnen, sondern vom Verbrechen und seine sühnende Beruhigung. Beyde sind die Ver- geſſenheit, das Verschwundenseyn der Wirklichkeit und des Thuns der Mächte der Subſtanz, ihrer Indivi- dualitäten, und der Mächte des abſtracten Gedankens des Guten und des Bösen, denn keine für sich iſt das Wesen, sondern dieses iſt die Ruhe des Ganzen in sich selbſt, die unbewegte Einheit des Schicksals, das ruhige Daseyn und damit die Unthätigkeit und Unle- bendigkeit der Familie und der Regierung, und die gleiche Ehre und damit die gleichgültige Unwirklich- keit Apolls und der Erinnye, und die Rückkehr ih- rer Begeiſtung und Thätigkeit in den einfachen Zevs.
Dieses Schicksal vollendet die Entvölkerung des Himmels, — der gedankenlosen Vermischung der In- dividualität und des Wesens, — einer Vermischung, wodurch das Thun des Wesens als ein inconsequen- tes, zufälliges, seiner unwürdiges erscheint; denn dem Wesen nur oberflächlich anhängend iſt die Indi- vidualität die unwesentliche. Die Vertreibung solcher wesenlosen Vorſtellungen, die von Philosophen des Alterthums gefodert wurde, beginnt also schon in der Tragödie überhaupt dadurch, daſs die Eintheilung der Subſtanz von dem Begriffe beherrscht, die Individua- lität hiemit die wesentliche und die Beſtimmungen die absoluten Charaktere sind. Das Selbſtbewuſstſeyn, das in ihr vorgeſtellt iſt, kennt und anerkennt deſswe[-]
X x 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0800"n="691"/>
handelte, nicht verlängnen, sondern vom Verbrechen<lb/>
und seine sühnende Beruhigung. Beyde sind die <hirendition="#i">Ver-<lb/>
geſſenheit</hi>, das Verschwundenseyn der Wirklichkeit<lb/>
und des Thuns der Mächte der Subſtanz, ihrer Indivi-<lb/>
dualitäten, und der Mächte des abſtracten Gedankens<lb/>
des Guten und des Bösen, denn keine für sich iſt das<lb/>
Wesen, sondern dieses iſt die Ruhe des Ganzen in<lb/>
sich selbſt, die unbewegte Einheit des Schicksals, das<lb/>
ruhige Daseyn und damit die Unthätigkeit und Unle-<lb/>
bendigkeit der Familie und der Regierung, und die<lb/>
gleiche Ehre und damit die gleichgültige Unwirklich-<lb/>
keit Apolls und der Erinnye, und die Rückkehr ih-<lb/>
rer Begeiſtung und Thätigkeit in den einfachen<lb/>
Zevs.</p><lb/><p>Dieses Schicksal vollendet die Entvölkerung des<lb/>
Himmels, — der gedankenlosen Vermischung der In-<lb/>
dividualität und des Wesens, — einer Vermischung,<lb/>
wodurch das Thun des Wesens als ein inconsequen-<lb/>
tes, zufälliges, seiner unwürdiges erscheint; denn<lb/>
dem Wesen nur oberflächlich anhängend iſt die Indi-<lb/>
vidualität die unwesentliche. Die Vertreibung solcher<lb/>
wesenlosen Vorſtellungen, die von Philosophen des<lb/>
Alterthums gefodert wurde, beginnt also schon in der<lb/>
Tragödie überhaupt dadurch, daſs die Eintheilung der<lb/>
Subſtanz von dem Begriffe beherrscht, die Individua-<lb/>
lität hiemit die wesentliche und die Beſtimmungen die<lb/>
absoluten Charaktere sind. Das Selbſtbewuſstſeyn,<lb/>
das in ihr vorgeſtellt iſt, kennt und anerkennt deſswe<supplied>-</supplied><lb/><fwplace="bottom"type="sig">X x 2</fw><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[691/0800]
handelte, nicht verlängnen, sondern vom Verbrechen
und seine sühnende Beruhigung. Beyde sind die Ver-
geſſenheit, das Verschwundenseyn der Wirklichkeit
und des Thuns der Mächte der Subſtanz, ihrer Indivi-
dualitäten, und der Mächte des abſtracten Gedankens
des Guten und des Bösen, denn keine für sich iſt das
Wesen, sondern dieses iſt die Ruhe des Ganzen in
sich selbſt, die unbewegte Einheit des Schicksals, das
ruhige Daseyn und damit die Unthätigkeit und Unle-
bendigkeit der Familie und der Regierung, und die
gleiche Ehre und damit die gleichgültige Unwirklich-
keit Apolls und der Erinnye, und die Rückkehr ih-
rer Begeiſtung und Thätigkeit in den einfachen
Zevs.
Dieses Schicksal vollendet die Entvölkerung des
Himmels, — der gedankenlosen Vermischung der In-
dividualität und des Wesens, — einer Vermischung,
wodurch das Thun des Wesens als ein inconsequen-
tes, zufälliges, seiner unwürdiges erscheint; denn
dem Wesen nur oberflächlich anhängend iſt die Indi-
vidualität die unwesentliche. Die Vertreibung solcher
wesenlosen Vorſtellungen, die von Philosophen des
Alterthums gefodert wurde, beginnt also schon in der
Tragödie überhaupt dadurch, daſs die Eintheilung der
Subſtanz von dem Begriffe beherrscht, die Individua-
lität hiemit die wesentliche und die Beſtimmungen die
absoluten Charaktere sind. Das Selbſtbewuſstſeyn,
das in ihr vorgeſtellt iſt, kennt und anerkennt deſswe-
X x 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 691. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/800>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.