seyn noch von seinem Selbstbewusstseyn unterscheidet, hat es sein Leben nur verborgen in Gott; er ist zwar unmittelbar seinem Geist und Herzen, seinem Selbst gegenwärtig; aber das offenbare, sein wirkliches Be- wusstseyn und die vermittelnde Bewegung desselben ist ihm ein Anderes als jenes verborgene Innere und die Unmittelbarkeit des gegenwärtigen Wesens. Al- lein in der Vollendung des Gewissens hebt sich der Unterschied seines abstracten und seines Selbstbe- wusstseyns auf. Es weiss, dass das abstracte Bewusst- seyn eben dieses Selbst, dieses seiner gewisse Fürsich- seyn ist, dass in der Unmittelbarkeit der Beziehung des Selbsts auf das Ansich, das ausser dem Selbst ge- setzt das abstracte Wesen und das ihm verborgene ist, eben die Verschiedenheit aufgehoben ist. Denn die- jenige Beziehung ist eine vermittelnde, worin die be- zognen nicht ein und dasselbe, sondern ein Anderes für einander und nur in einem dritten eins sind; die unmittelbare Beziehung aber heisst in der That nichts anderes als die Einheit. Das Bewusstseyn über die Gedankenlosigkeit, diese Unterschiede, die keine sind, noch für Unterschiede zu halten, erhoben, weiss die Unmittelbarkeit der Gegenwart des We- sens in ihm als Einheit des Wesens und seines Selbsts, sein Selbst also als das lebendige Ansich, und diss sein Wissen als die Religion, die als angeschautes oder daseyendes Wissen das Sprechen der Gemeinde über ihren Geist ist.
ſeyn noch von ſeinem Selbſtbewuſstſeyn unterſcheidet, hat es ſein Leben nur verborgen in Gott; er iſt zwar unmittelbar ſeinem Geiſt und Herzen, ſeinem Selbſt gegenwärtig; aber das offenbare, ſein wirkliches Be- wuſstseyn und die vermittelnde Bewegung deſſelben iſt ihm ein Anderes als jenes verborgene Innere und die Unmittelbarkeit des gegenwärtigen Weſens. Al- lein in der Vollendung des Gewiſſens hebt ſich der Unterſchied ſeines abſtracten und ſeines Selbſtbe- wuſstſeyns auf. Es weiſs, daſs das abſtracte Bewuſst- seyn eben dieſes Selbſt, dieſes ſeiner gewiſſe Fürsich- ſeyn iſt, daſs in der Unmittelbarkeit der Beziehung des Selbſts auf das Ansich, das auſſer dem Selbſt ge- ſetzt das abſtracte Weſen und das ihm verborgene iſt, eben die Verſchiedenheit aufgehoben iſt. Denn die- jenige Beziehung iſt eine vermittelnde, worin die be- zognen nicht ein und daſſelbe, ſondern ein Anderes für einander und nur in einem dritten eins sind; die unmittelbare Beziehung aber heiſst in der That nichts anderes als die Einheit. Das Bewuſstseyn über die Gedankenloſigkeit, dieſe Unterſchiede, die keine sind, noch für Unterſchiede zu halten, erhoben, weiſs die Unmittelbarkeit der Gegenwart des We- ſens in ihm als Einheit des Weſens und ſeines Selbſts, ſein Selbſt also als das lebendige Ansich, und diſs ſein Wiſſen als die Religion, die als angeſchautes oder daſeyendes Wiſſen das Sprechen der Gemeinde über ihren Geiſt iſt.
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ſeyn noch von ſeinem Selbſtbewuſstſeyn unterſcheidet,
hat es ſein Leben nur verborgen in Gott; er iſt zwar
unmittelbar ſeinem Geiſt und Herzen, ſeinem Selbſt
gegenwärtig; aber das offenbare, ſein wirkliches Be-
wuſstseyn und die vermittelnde Bewegung deſſelben
iſt ihm ein Anderes als jenes verborgene Innere und
die Unmittelbarkeit des gegenwärtigen Weſens. Al-
lein in der Vollendung des Gewiſſens hebt ſich der
Unterſchied ſeines abſtracten und ſeines Selbſtbe-
wuſstſeyns auf. Es weiſs, daſs das abſtracte Bewuſst-
seyn eben dieſes Selbſt, dieſes ſeiner gewiſſe Fürsich-
ſeyn iſt, daſs in der Unmittelbarkeit der Beziehung
des Selbſts auf das Ansich, das auſſer dem Selbſt ge-
ſetzt das abſtracte Weſen und das ihm verborgene
iſt, eben die Verſchiedenheit aufgehoben iſt. Denn die-
jenige Beziehung iſt eine vermittelnde, worin die be-
zognen nicht ein und daſſelbe, ſondern ein Anderes
für einander und nur in einem dritten eins sind;
die unmittelbare Beziehung aber heiſst in der That
nichts anderes als die Einheit. Das Bewuſstseyn über
die Gedankenloſigkeit, dieſe Unterſchiede, die keine
sind, noch für Unterſchiede zu halten, erhoben,
weiſs die Unmittelbarkeit der Gegenwart des We-
ſens in ihm als Einheit des Weſens und ſeines Selbſts,
ſein Selbſt also als das lebendige Ansich, und diſs
ſein Wiſſen als die Religion, die als angeſchautes
oder daſeyendes Wiſſen das Sprechen der Gemeinde
über ihren Geiſt iſt.
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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 606. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/715>, abgerufen am 22.11.2024.
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