dass es diss wisse und diss, dass es die Ueberzeugung davon, sein Wissen und Wollen sey das Rechte, sa- ge. Das Aussprechen dieser Versicherung hebt an sich selbst die Form seiner Besonderheit auf; es aner- kennt darinn die nothwendige Allgemeinheit des Selbsts; indem es sich Gewissen nennt, nennt es sich reines sich selbst Wissen und reines abstractes Wollen, d. h. es nennt sich ein allgemeines Wissen und Wollen, das die Andern anerkennt, ihnen gleich ist, denn sie sind eben diss reine sich Wissen und Wollen, und das da- rum auch von ihnen anerkannt wird. In dem Wollen des seiner gewissen Selbsts, in diesem Wissen, dass das Selbst das Wesen ist, liegt das Wesen des Rech- ten. -- Wer also sagt, er handle so aus Gewissen, der spricht wahr, denn sein Gewissen ist das wissen- de und wollende Selbst. Er muss diss aber wesent- lich sagen, denn diss Selbst muss zugleich allgemei- nes Selbst seyn. Diss ist es nicht in dem Inhalt der Handlung, denn dieser ist um seiner Bestimmtheit willen an sich gleichgültig: sondern die Allgemein- heit liegt in der Form derselben; diese Form ist es, welche als wirklich zu setzen ist; sie ist das Selbst, das als solches in der Sprache wirklich ist, sich als das Wahre aussagt, eben darin alle Selbst anerkennt und von ihnen anerkannt wird.
Das Gewissen also, in der Majestät seiner Erha- benheit über das bestimmte Gesetz und jeden Inhalt der Pflicht, legt den beliebigen Inhalt in sein Wis- sen und Wollen; es ist die moralische Genialität,
daſs es diſs wiſſe und diſs, daſs es die Ueberzeugung davon, sein Wiſſen und Wollen sey das Rechte, sa- ge. Das Ausſprechen dieser Verſicherung hebt an ſich selbſt die Form seiner Besonderheit auf; es aner- kennt darinn die nothwendige Allgemeinheit des Selbſts; indem es ſich Gewiſſen nennt, nennt es ſich reines ſich selbſt Wiſſen und reines abſtractes Wollen, d. h. es nennt ſich ein allgemeines Wiſſen und Wollen, das die Andern anerkennt, ihnen gleich iſt, denn ſie ſind eben diſs reine ſich Wiſſen und Wollen, und das da- rum auch von ihnen anerkannt wird. In dem Wollen des ſeiner gewiſſen Selbſts, in dieſem Wiſſen, daſs das Selbſt das Weſen iſt, liegt das Weſen des Rech- ten. — Wer alſo ſagt, er handle ſo aus Gewiſſen, der ſpricht wahr, denn ſein Gewiſſen iſt das wiſſen- de und wollende Selbſt. Er muſs diſs aber weſent- lich ſagen, denn diſs Selbſt muſs zugleich allgemei- nes Selbſt ſeyn. Diſs iſt es nicht in dem Inhalt der Handlung, denn dieſer iſt um ſeiner Beſtimmtheit willen an ſich gleichgültig: ſondern die Allgemein- heit liegt in der Form derſelben; dieſe Form iſt es, welche als wirklich zu ſetzen iſt; ſie iſt das Selbſt, das als ſolches in der Sprache wirklich iſt, ſich als das Wahre ausſagt, eben darin alle Selbſt anerkennt und von ihnen anerkannt wird.
Das Gewiſſen alſo, in der Majeſtät ſeiner Erha- benheit über das beſtimmte Geſetz und jeden Inhalt der Pflicht, legt den beliebigen Inhalt in ſein Wiſ- ſen und Wollen; es iſt die moraliſche Genialität,
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daſs es diſs wiſſe und diſs, daſs es die Ueberzeugung
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kennt darinn die nothwendige Allgemeinheit des Selbſts;
indem es ſich Gewiſſen nennt, nennt es ſich reines ſich
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nennt ſich ein allgemeines Wiſſen und Wollen, das
die Andern anerkennt, ihnen gleich iſt, denn ſie ſind
eben diſs reine ſich Wiſſen und Wollen, und das da-
rum auch von ihnen anerkannt wird. In dem Wollen
des ſeiner gewiſſen Selbſts, in dieſem Wiſſen, daſs
das Selbſt das Weſen iſt, liegt das Weſen des Rech-
ten. — Wer alſo ſagt, er handle ſo aus Gewiſſen,
der ſpricht wahr, denn ſein Gewiſſen iſt das wiſſen-
de und wollende Selbſt. Er muſs diſs aber weſent-
lich ſagen, denn diſs Selbſt muſs zugleich allgemei-
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Handlung, denn dieſer iſt um ſeiner Beſtimmtheit
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das Wahre ausſagt, eben darin alle Selbſt anerkennt
und von ihnen anerkannt wird.
Das Gewiſſen alſo, in der Majeſtät ſeiner Erha-
benheit über das beſtimmte Geſetz und jeden Inhalt
der Pflicht, legt den beliebigen Inhalt in ſein Wiſ-
ſen und Wollen; es iſt die moraliſche Genialität,
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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 604. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/713>, abgerufen am 22.11.2024.
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