Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807.

Bild:
<< vorherige Seite

gilt ihm nichts, sondern die Ueberzeugung, dass sie
Pflicht ist; und diese ist in der Sprache wirklich. --
Die Handlung verwirklichen heisst hier nicht ihren
Inhalt aus der Form des Zwecks oder Fürsichseyns in
die Form der abstracten Wirklichkeit übersetzen, son-
dern aus der Form der unmittelbaren Gewissheit seiner
selbst, die ihr Wissen oder Fürsichseyn als das Wesen
weiss, in die Form der Versicherung, dass das Bewusst-
seyn von der Pflicht überzeugt ist, und die Pflicht als
Gewissen aus sich selbst weiss; diese Versicherung ver-
sichert also, dass es davon überzeugt ist, dass seine
Ueberzeugung das Wesen ist.

Ob die Versicherung, aus Ueberzeugung von der
Pflicht zu handeln, wahr ist, ob es wirklich die Pflicht
ist, was gethan wird, -- diese Fragen oder Zweifel
haben keinen Sinn gegen das Gewissen. -- Bey jener
Frage, ob die Versicherung wahr ist, würde vorausge-
setzt, dass die innere Absicht von der vorgegebnen
verschieden sey, d. h. dass das Wollen des einzelnen
Selbsts, sich von der Pflicht, von dem Willen des all-
gemeinen und reinen Bewusstseyns trennen könne;
der letztre wäre in die Rede gelegt, das erstere aber
eigentlich die wahre Triebfeder der Handlung. Al-
lein dieser Unterschied des allgemeinen Bewusstseyns
und des einzelnen Selbsts ist es eben, der sich aufge-
hoben, und dessen Aufheben das Gewissen ist. Das
unmittelbare Wissen des seiner gewissen Selbsts ist Ge-
setz und Pflicht; seine Absicht ist dadurch, dass sie
seine Absicht ist, das Rechte; es wird nur erfodert,

gilt ihm nichts, sondern die Ueberzeugung, daſs ſie
Pflicht iſt; und diese iſt in der Sprache wirklich. —
Die Handlung verwirklichen heiſst hier nicht ihren
Inhalt aus der Form des Zwecks oder Fürſichſeyns in
die Form der abſtracten Wirklichkeit übersetzen, son-
dern aus der Form der unmittelbaren Gewiſsheit seiner
selbſt, die ihr Wiſſen oder Fürſichseyn als das Wesen
weiſs, in die Form der Verſicherung, daſs das Bewuſst-
seyn von der Pflicht überzeugt iſt, und die Pflicht als
Gewiſſen aus ſich ſelbſt weiſs; diese Verſicherung ver-
ſichert also, daſs es davon überzeugt iſt, daſs seine
Ueberzeugung das Wesen iſt.

Ob die Verſicherung, aus Ueberzeugung von der
Pflicht zu handeln, wahr iſt, ob es wirklich die Pflicht
iſt, was gethan wird, — diese Fragen oder Zweifel
haben keinen Sinn gegen das Gewiſſen. — Bey jener
Frage, ob die Verſicherung wahr iſt, würde vorausge-
setzt, daſs die innere Abſicht von der vorgegebnen
verschieden sey, d. h. daſs das Wollen des einzelnen
Selbſts, ſich von der Pflicht, von dem Willen des all-
gemeinen und reinen Bewuſstſeyns trennen könne;
der letztre wäre in die Rede gelegt, das erſtere aber
eigentlich die wahre Triebfeder der Handlung. Al-
lein dieser Unterschied des allgemeinen Bewuſstseyns
und des einzelnen Selbſts iſt es eben, der ſich aufge-
hoben, und deſſen Aufheben das Gewiſſen ist. Das
unmittelbare Wiſſen des seiner gewiſſen Selbſts iſt Ge-
setz und Pflicht; seine Abſicht iſt dadurch, daſs ſie
seine Abſicht iſt, das Rechte; es wird nur erfodert,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0712" n="603"/>
gilt ihm nichts, sondern die <hi rendition="#i">Ueberzeugung</hi>, da&#x017F;s &#x017F;ie<lb/>
Pflicht i&#x017F;t; und diese i&#x017F;t in der Sprache wirklich. &#x2014;<lb/>
Die Handlung verwirklichen hei&#x017F;st hier nicht ihren<lb/>
Inhalt aus der Form des <hi rendition="#i">Zwecks</hi> oder <hi rendition="#i">Für&#x017F;ich&#x017F;eyns</hi> in<lb/>
die Form der <hi rendition="#i">ab&#x017F;tracten</hi> Wirklichkeit übersetzen, son-<lb/>
dern aus der Form der unmittelbaren <hi rendition="#i">Gewi&#x017F;sheit</hi> seiner<lb/>
selb&#x017F;t, die ihr Wi&#x017F;&#x017F;en oder Für&#x017F;ichseyn als das Wesen<lb/>
wei&#x017F;s, in die Form der <hi rendition="#i">Ver&#x017F;icherung</hi>, da&#x017F;s das Bewu&#x017F;st-<lb/>
seyn von der Pflicht überzeugt i&#x017F;t, und die Pflicht als<lb/>
Gewi&#x017F;&#x017F;en <hi rendition="#i">aus &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t</hi> wei&#x017F;s; diese Ver&#x017F;icherung ver-<lb/>
&#x017F;ichert also, da&#x017F;s es davon überzeugt i&#x017F;t, da&#x017F;s seine<lb/>
Ueberzeugung das Wesen i&#x017F;t.</p><lb/>
              <p>Ob die Ver&#x017F;icherung, aus Ueberzeugung von der<lb/>
Pflicht zu handeln, <hi rendition="#i">wahr</hi> i&#x017F;t, ob es <hi rendition="#i">wirklich</hi> die <hi rendition="#i">Pflicht</hi><lb/>
i&#x017F;t, was gethan wird, &#x2014; diese Fragen oder Zweifel<lb/>
haben keinen Sinn gegen das Gewi&#x017F;&#x017F;en. &#x2014; Bey jener<lb/>
Frage, ob die <hi rendition="#i">Ver&#x017F;icherung wahr</hi> i&#x017F;t, würde vorausge-<lb/>
setzt, da&#x017F;s die innere Ab&#x017F;icht von der vorgegebnen<lb/>
verschieden sey, d. h. da&#x017F;s das Wollen des einzelnen<lb/>
Selb&#x017F;ts, &#x017F;ich von der Pflicht, von dem Willen des all-<lb/>
gemeinen und reinen Bewu&#x017F;st&#x017F;eyns trennen könne;<lb/>
der letztre wäre in die Rede gelegt, das er&#x017F;tere aber<lb/>
eigentlich die wahre Triebfeder der Handlung. Al-<lb/>
lein dieser Unterschied des allgemeinen Bewu&#x017F;stseyns<lb/>
und des einzelnen Selb&#x017F;ts i&#x017F;t es eben, der &#x017F;ich aufge-<lb/>
hoben, und de&#x017F;&#x017F;en Aufheben das Gewi&#x017F;&#x017F;en ist. Das<lb/>
unmittelbare Wi&#x017F;&#x017F;en des seiner gewi&#x017F;&#x017F;en Selb&#x017F;ts i&#x017F;t Ge-<lb/>
setz und Pflicht; seine Ab&#x017F;icht i&#x017F;t dadurch, da&#x017F;s &#x017F;ie<lb/>
seine Ab&#x017F;icht i&#x017F;t, das Rechte; es wird nur erfodert,<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[603/0712] gilt ihm nichts, sondern die Ueberzeugung, daſs ſie Pflicht iſt; und diese iſt in der Sprache wirklich. — Die Handlung verwirklichen heiſst hier nicht ihren Inhalt aus der Form des Zwecks oder Fürſichſeyns in die Form der abſtracten Wirklichkeit übersetzen, son- dern aus der Form der unmittelbaren Gewiſsheit seiner selbſt, die ihr Wiſſen oder Fürſichseyn als das Wesen weiſs, in die Form der Verſicherung, daſs das Bewuſst- seyn von der Pflicht überzeugt iſt, und die Pflicht als Gewiſſen aus ſich ſelbſt weiſs; diese Verſicherung ver- ſichert also, daſs es davon überzeugt iſt, daſs seine Ueberzeugung das Wesen iſt. Ob die Verſicherung, aus Ueberzeugung von der Pflicht zu handeln, wahr iſt, ob es wirklich die Pflicht iſt, was gethan wird, — diese Fragen oder Zweifel haben keinen Sinn gegen das Gewiſſen. — Bey jener Frage, ob die Verſicherung wahr iſt, würde vorausge- setzt, daſs die innere Abſicht von der vorgegebnen verschieden sey, d. h. daſs das Wollen des einzelnen Selbſts, ſich von der Pflicht, von dem Willen des all- gemeinen und reinen Bewuſstſeyns trennen könne; der letztre wäre in die Rede gelegt, das erſtere aber eigentlich die wahre Triebfeder der Handlung. Al- lein dieser Unterschied des allgemeinen Bewuſstseyns und des einzelnen Selbſts iſt es eben, der ſich aufge- hoben, und deſſen Aufheben das Gewiſſen ist. Das unmittelbare Wiſſen des seiner gewiſſen Selbſts iſt Ge- setz und Pflicht; seine Abſicht iſt dadurch, daſs ſie seine Abſicht iſt, das Rechte; es wird nur erfodert,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/712
Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 603. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/712>, abgerufen am 22.11.2024.