das Fortschreiten in der Moralität wäre vielmehr ein Zugehen zum Untergang derselben. Das Ziel nemlich wäre das obige Nichts oder Aufheben der Moralität und des Bewusstseyns selbst; dem Nichts aber immer näher und näher kommen, heisst abnehmen. Ausser- dem nähme Fortschreiten überhaupt ebenso, wie Ab- nehmen, Unterschiede der Grösse in der Moralität an; allein von diesen kann in ihr keine Rede seyn. In ihr als dem Bewusstseyn, welchem der sittliche Zweck die reine Pflicht ist, ist an eine Verschiedenheit über- haupt nicht, am wenigsten an den oberflächlichen der Grösse zu denken; es gibt nur Eine Tugend, nur Ei- ne reine Pflicht, nur Eine Moralität.
Indem es also mit der moralischen Vollendung nicht Ernst ist, sondern vielmehr mit dem Mittelzu- stande, d. h. wie so eben erörtert, mit der Nichtmo- ralität, so kommen wir von einer andern Seite auf den Inhalt des ersten Postulats zurück. Es ist nemlich nicht abzusehen, wie Glückseligkeit für diss morali- sche Bewusstseyn um seiner Würdigkeit willen zu fo- dern ist. Es ist seiner Nichtvollendung sich bewusst, und kann daher die Glückseligkeit in der That nicht als Verdienst, nicht als etwas, dessen es würdig wä- re, fodern, sondern sie nur aus einer freyen Gnade, das heisst, die Glückseligkeit als solche an und für sich selbst verlangen, und nicht aus jenem absoluten Grun- de, sondern nach Zufall und Willkühr erwarten. -- Die Nichtmoralität spricht eben hierin aus, was sie ist, -- dass es nicht um die Moralität, sondern um die
das Fortschreiten in der Moralität wäre vielmehr ein Zugehen zum Untergang derselben. Das Ziel nemlich wäre das obige Nichts oder Aufheben der Moralität und des Bewuſstseyns selbst; dem Nichts aber immer näher und näher kommen, heiſst abnehmen. Ausser- dem nähme Fortschreiten überhaupt ebenso, wie Ab- nehmen, Unterschiede der Gröſſe in der Moralität an; allein von diesen kann in ihr keine Rede seyn. In ihr als dem Bewuſstseyn, welchem der sittliche Zweck die reine Pflicht ist, ist an eine Verschiedenheit über- haupt nicht, am wenigsten an den oberflächlichen der Grösse zu denken; es gibt nur Eine Tugend, nur Ei- ne reine Pflicht, nur Eine Moralität.
Indem es also mit der moralischen Vollendung nicht Ernst iſt, sondern vielmehr mit dem Mittelzu- stande, d. h. wie so eben erörtert, mit der Nichtmo- ralität, so kommen wir von einer andern Seite auf den Inhalt des ersten Postulats zurück. Es ist nemlich nicht abzusehen, wie Glückseligkeit für diſs morali- sche Bewuſstseyn um seiner Würdigkeit willen zu fo- dern ist. Es ist seiner Nichtvollendung sich bewuſst, und kann daher die Glückseligkeit in der That nicht als Verdienst, nicht als etwas, dessen es würdig wä- re, fodern, sondern sie nur aus einer freyen Gnade, das heiſst, die Glückseligkeit als solche an und für sich selbst verlangen, und nicht aus jenem abſoluten Grun- de, sondern nach Zufall und Willkühr erwarten. — Die Nichtmoralität ſpricht eben hierin aus, was sie ist, — daſs es nicht um die Moralität, sondern um die
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das Fortschreiten in der Moralität wäre vielmehr ein
Zugehen zum Untergang derselben. Das Ziel nemlich
wäre das obige Nichts oder Aufheben der Moralität
und des Bewuſstseyns selbst; dem Nichts aber immer
näher und näher kommen, heiſst abnehmen. Ausser-
dem nähme Fortschreiten überhaupt ebenso, wie Ab-
nehmen, Unterschiede der Gröſſe in der Moralität an;
allein von diesen kann in ihr keine Rede seyn. In ihr
als dem Bewuſstseyn, welchem der sittliche Zweck
die reine Pflicht ist, ist an eine Verschiedenheit über-
haupt nicht, am wenigsten an den oberflächlichen der
Grösse zu denken; es gibt nur Eine Tugend, nur Ei-
ne reine Pflicht, nur Eine Moralität.
Indem es also mit der moralischen Vollendung
nicht Ernst iſt, sondern vielmehr mit dem Mittelzu-
stande, d. h. wie so eben erörtert, mit der Nichtmo-
ralität, so kommen wir von einer andern Seite auf den
Inhalt des ersten Postulats zurück. Es ist nemlich
nicht abzusehen, wie Glückseligkeit für diſs morali-
sche Bewuſstseyn um seiner Würdigkeit willen zu fo-
dern ist. Es ist seiner Nichtvollendung sich bewuſst,
und kann daher die Glückseligkeit in der That nicht
als Verdienst, nicht als etwas, dessen es würdig wä-
re, fodern, sondern sie nur aus einer freyen Gnade,
das heiſst, die Glückseligkeit als solche an und für sich
selbst verlangen, und nicht aus jenem abſoluten Grun-
de, sondern nach Zufall und Willkühr erwarten. —
Die Nichtmoralität ſpricht eben hierin aus, was sie
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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 573. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/682>, abgerufen am 22.11.2024.
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