auf den seiner Einfachheit entgegengesetzten Gegen- stand -- auf die Wirklichkeit des mannichfaltigen Fal- les bezogen, und hat dadurch ein mannichfaltiges moralisches Verhaltniss. Es entstehen hier dem In- halte nach die vielen Gesetze überhaupt, und der Form nach die widersprechenden Mächte des wissenden Bewusstseyns und des Bewusstlosen. -- Was fürs erste die vielen Pflichten betrifft, so gilt dem moralischen Bewusstseyn überhaupt nur die reine Pflicht in ih- nen; die vielen Pflichten als viele, sind bestimmte und daher als solche für das moralische Bewusstseyn nichts heiliges. Zugleich aber durch den Begriff des Han- delns, das eine mannichfaltige Wirklichkeit, und da- her eine mannichfaltige moralische Beziehung in sich schliesst, nothwendig, müssen sie als an und für sich seyend betrachtet werden. Da sie ferner nur in ei- nem moralischen Bewusstseyn seyn können, sind sie zugleich in einem andern als jenem, dem nur die reine Pflicht als die reine an und für sich und hei- lig ist.
Es ist also postulirt, dass ein anderes Bewusstseyn sey, welches sie heiligt, oder welches sie als Pflich- ten weiss und will. Das erste erhält die reine Pflicht gleichgültig gegen allen bestimmten Inhalt, und die Pflicht ist nur diese Gleichgültigkeit gegen ihn. Das andere aber enthält die ebenso wesentliche Beziehung auf das Handeln, und die Nothwendigkeit des bestimm- ten Inhalts; indem ihm die Pflichten als bestimmte Pflichten gelten, so ist ihm damit der Inhalt als sol-
auf den ſeiner Einfachheit entgegengeſetzten Gegen- ſtand — auf die Wirklichkeit des mannichfaltigen Fal- les bezogen, und hat dadurch ein mannichfaltiges moraliſches Verhaltniſs. Es entſtehen hier dem In- halte nach die vielen Geſetze überhaupt, und der Form nach die widerſprechenden Mächte des wiſſenden Bewuſstſeyns und des Bewuſstlosen. — Was fürs erſte die vielen Pflichten betrifft, ſo gilt dem moraliſchen Bewuſstſeyn überhaupt nur die reine Pflicht in ih- nen; die vielen Pflichten als viele, sind beſtimmte und daher als ſolche für das moraliſche Bewuſstſeyn nichts heiliges. Zugleich aber durch den Begriff des Han- delns, das eine mannichfaltige Wirklichkeit, und da- her eine mannichfaltige moraliſche Beziehung in sich ſchlieſst, nothwendig, müſſen sie als an und für sich ſeyend betrachtet werden. Da sie ferner nur in ei- nem moraliſchen Bewuſstſeyn ſeyn können, sind sie zugleich in einem andern als jenem, dem nur die reine Pflicht als die reine an und für sich und hei- lig ist.
Es ist alſo poſtulirt, daſs ein anderes Bewuſstſeyn ſey, welches sie heiligt, oder welches sie als Pflich- ten weiſs und will. Das erſte erhält die reine Pflicht gleichgültig gegen allen beſtimmten Inhalt, und die Pflicht ist nur dieſe Gleichgültigkeit gegen ihn. Das andere aber enthält die ebenſo weſentliche Beziehung auf das Handeln, und die Nothwendigkeit des beſtimm- ten Inhalts; indem ihm die Pflichten als beſtimmte Pflichten gelten, ſo ist ihm damit der Inhalt als ſol-
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auf den ſeiner Einfachheit entgegengeſetzten Gegen-
ſtand — auf die Wirklichkeit des mannichfaltigen Fal-
les bezogen, und hat dadurch ein mannichfaltiges
moraliſches Verhaltniſs. Es entſtehen hier dem In-
halte nach die vielen Geſetze überhaupt, und der Form
nach die widerſprechenden Mächte des wiſſenden
Bewuſstſeyns und des Bewuſstlosen. — Was fürs erſte
die vielen Pflichten betrifft, ſo gilt dem moraliſchen
Bewuſstſeyn überhaupt nur die reine Pflicht in ih-
nen; die vielen Pflichten als viele, sind beſtimmte und
daher als ſolche für das moraliſche Bewuſstſeyn nichts
heiliges. Zugleich aber durch den Begriff des Han-
delns, das eine mannichfaltige Wirklichkeit, und da-
her eine mannichfaltige moraliſche Beziehung in sich
ſchlieſst, nothwendig, müſſen sie als an und für sich
ſeyend betrachtet werden. Da sie ferner nur in ei-
nem moraliſchen Bewuſstſeyn ſeyn können, sind sie
zugleich in einem andern als jenem, dem nur die
reine Pflicht als die reine an und für sich und hei-
lig ist.
Es ist alſo poſtulirt, daſs ein anderes Bewuſstſeyn
ſey, welches sie heiligt, oder welches sie als Pflich-
ten weiſs und will. Das erſte erhält die reine Pflicht
gleichgültig gegen allen beſtimmten Inhalt, und die
Pflicht ist nur dieſe Gleichgültigkeit gegen ihn. Das
andere aber enthält die ebenſo weſentliche Beziehung
auf das Handeln, und die Nothwendigkeit des beſtimm-
ten Inhalts; indem ihm die Pflichten als beſtimmte
Pflichten gelten, ſo ist ihm damit der Inhalt als ſol-
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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 558. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/667>, abgerufen am 22.11.2024.
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