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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807.

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sey doch diss auch, oder gar, er sey dieses an sich
und in Wahrheit, so kennt theils der Glauben eben so
wohl jenes Auch, aber es ist ihm ausser seiner Anbe-
tung; theils aber ist ihm überhaupt nicht so etwas,
wie ein Stein und sofort an sich, sondern an sich ist ihm
allein das Wesen des reinen Denkens.

Das zweyte Moment ist die Beziehung des Glaubens
als wissenden Bewusstseyns auf dieses Wesen. Als den-
kendem reinem Bewusstseyn ist ihm diss Wesen un-
mittelbar; aber das reine Bewusstseyn ist ebensosehr
vermittelte Beziehung der Gewissheit auf die Wahrheit;
eine Beziehung, welche den Grund des Glaubens aus-
macht. Dieser Grund wird für die Aufklärung eben
so zu einem zufälligen Wissen von zufälligen Begeben-
heiten. Der Grund des Wissens aber ist das wissende
Allgemeine, und in seiner Wahrheit der absolute
Geist, der in dem abstracten reinen Bewusstseyn, oder
dem Denken als solchem nur absolutes Wesen, als
Selbstbewusstseyn aber das Wissen von sich ist. Die rei-
ne Einsicht setzt diss wissende Allgemeine, den ein-
fachen sich selbst wissenden Geist
, ebenso als negatives
des Selbstbewusstseyns. Sie ist zwar selbst das reine
vermittelte
, d. h. sich mit sich vermittelnde Denken, sie
ist das reine Wissen; aber indem sie reine Einsicht, rei-
nes Wissen
ist, das sich selbst noch nicht weiss, d. h.
für welches es noch nicht ist, dass sie diese reine ver-
mittelnde Bewegung ist, erscheint sie ihr, wie alles, was
sie selbst ist, als ein Anderes. In ihrer Verwirklichung
also begriffen, entwickelt sie diss ihr wesentliches Mo-

ſey doch diſs auch, oder gar, er ſey dieſes an ſich
und in Wahrheit, ſo kennt theils der Glauben eben ſo
wohl jenes Auch, aber es iſt ihm auſſer ſeiner Anbe-
tung; theils aber iſt ihm überhaupt nicht ſo etwas,
wie ein Stein und ſofort an ſich, ſondern an ſich iſt ihm
allein das Weſen des reinen Denkens.

Das zweyte Moment iſt die Beziehung des Glaubens
als wiſſenden Bewuſstſeyns auf dieſes Weſen. Als den-
kendem reinem Bewuſstſeyn iſt ihm diſs Weſen un-
mittelbar; aber das reine Bewuſstſeyn iſt ebenſoſehr
vermittelte Beziehung der Gewiſsheit auf die Wahrheit;
eine Beziehung, welche den Grund des Glaubens aus-
macht. Dieſer Grund wird für die Aufklärung eben
ſo zu einem zufälligen Wiſſen von zufälligen Begeben-
heiten. Der Grund des Wiſſens aber iſt das wiſſende
Allgemeine, und in ſeiner Wahrheit der abſolute
Geiſt, der in dem abſtracten reinen Bewuſstſeyn, oder
dem Denken als ſolchem nur abſolutes Weſen, als
Selbſtbewuſstſeyn aber das Wiſſen von ſich iſt. Die rei-
ne Einſicht ſetzt diſs wiſſende Allgemeine, den ein-
fachen ſich ſelbſt wiſſenden Geiſt
, ebenſo als negatives
des Selbſtbewuſstſeyns. Sie iſt zwar ſelbſt das reine
vermittelte
, d. h. ſich mit ſich vermittelnde Denken, ſie
iſt das reine Wiſſen; aber indem ſie reine Einſicht, rei-
nes Wiſſen
iſt, das ſich ſelbſt noch nicht weiſs, d. h.
für welches es noch nicht iſt, daſs ſie dieſe reine ver-
mittelnde Bewegung iſt, erſcheint ſie ihr, wie alles, was
ſie ſelbſt iſt, als ein Anderes. In ihrer Verwirklichung
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[502/0611] ſey doch diſs auch, oder gar, er ſey dieſes an ſich und in Wahrheit, ſo kennt theils der Glauben eben ſo wohl jenes Auch, aber es iſt ihm auſſer ſeiner Anbe- tung; theils aber iſt ihm überhaupt nicht ſo etwas, wie ein Stein und ſofort an ſich, ſondern an ſich iſt ihm allein das Weſen des reinen Denkens. Das zweyte Moment iſt die Beziehung des Glaubens als wiſſenden Bewuſstſeyns auf dieſes Weſen. Als den- kendem reinem Bewuſstſeyn iſt ihm diſs Weſen un- mittelbar; aber das reine Bewuſstſeyn iſt ebenſoſehr vermittelte Beziehung der Gewiſsheit auf die Wahrheit; eine Beziehung, welche den Grund des Glaubens aus- macht. Dieſer Grund wird für die Aufklärung eben ſo zu einem zufälligen Wiſſen von zufälligen Begeben- heiten. Der Grund des Wiſſens aber iſt das wiſſende Allgemeine, und in ſeiner Wahrheit der abſolute Geiſt, der in dem abſtracten reinen Bewuſstſeyn, oder dem Denken als ſolchem nur abſolutes Weſen, als Selbſtbewuſstſeyn aber das Wiſſen von ſich iſt. Die rei- ne Einſicht ſetzt diſs wiſſende Allgemeine, den ein- fachen ſich ſelbſt wiſſenden Geiſt, ebenſo als negatives des Selbſtbewuſstſeyns. Sie iſt zwar ſelbſt das reine vermittelte, d. h. ſich mit ſich vermittelnde Denken, ſie iſt das reine Wiſſen; aber indem ſie reine Einſicht, rei- nes Wiſſen iſt, das ſich ſelbſt noch nicht weiſs, d. h. für welches es noch nicht iſt, daſs ſie dieſe reine ver- mittelnde Bewegung iſt, erſcheint ſie ihr, wie alles, was ſie ſelbſt iſt, als ein Anderes. In ihrer Verwirklichung alſo begriffen, entwickelt ſie diſs ihr weſentliches Mo-

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Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 502. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/611>, abgerufen am 22.11.2024.