Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807.

Bild:
<< vorherige Seite

in welcher alles aufgelösst, vergessen und unbefan-
gen, und die daher des Begriffs schlechthin empfäng-
lich ist. Die Mittheilung der reinen Einsicht ist
desswegen einer ruhigen Ausdehnung oder dem Ver-
breiten
wie eines Dufftes in der widerstandslosen At-
mosphäre zu vergleichen. Sie ist eine durchdringen-
de Ansteckung, welche sich nicht vorher gegen das
gleichgültige Element, in das sie sich insinuirt, als
entgegengesetztes bemerkbar macht, und daher nicht
abgewehrt werden kann. Erst wenn die Anstek-
kung sich verbreitet hat, ist sie für das Bewusstseyn,
das sich ihr unbesorgt überliess. Denn es war zwar
das einfache sich und ihm gleiche Wesen, was es
in sich empfing, aber zugleich die Einfachheit der
in sich reflectirten Negativität, welche nachher auch
sich nach ihrer Natur als entgegengeseztes entfaltet,
und das Bewusstseyn hiedurch an seine vorige Weise
erinnert; sie ist der Begriff, der das einfache Wis-
sen ist, welches sich selbst und zugleich sein Gegen-
theil, aber dieses in ihm als aufgehoben weiss. So
wie daher die reine Einsicht für das Bewusstseyn
ist, hat sie sich schon verbreitet; der Kampf gegen
sie verräth die geschehene Ansteckung; er ist zu
spät, und jedes Mittel verschlimmert nur die Krank-
heit, denn sie hat das Mark des geistigen Lebens
ergriffen, nemlich das Bewusstseyn in seinem Be-
griffe oder sein reines Wesen selbst; es gibt darum
auch keine Kraft in ihm, welche über ihr wäre.
Weil sie im Wesen selbst ist, lassen sich ihre noch

in welcher alles aufgelöſst, vergeſſen und unbefan-
gen, und die daher des Begriffs schlechthin empfäng-
lich ist. Die Mittheilung der reinen Einsicht ist
deſswegen einer ruhigen Ausdehnung oder dem Ver-
breiten
wie eines Dufftes in der widerſtandslosen At-
mosphäre zu vergleichen. Sie ist eine durchdringen-
de Anſteckung, welche sich nicht vorher gegen das
gleichgültige Element, in das sie sich insinuirt, als
entgegengesetztes bemerkbar macht, und daher nicht
abgewehrt werden kann. Erſt wenn die Anstek-
kung sich verbreitet hat, ist sie für das Bewuſstseyn,
das sich ihr unbesorgt überlieſs. Denn es war zwar
das einfache sich und ihm gleiche Wesen, was es
in sich empfing, aber zugleich die Einfachheit der
in sich reflectirten Negativität, welche nachher auch
sich nach ihrer Natur als entgegengeseztes entfaltet,
und das Bewuſstseyn hiedurch an seine vorige Weise
erinnert; sie ist der Begriff, der das einfache Wis-
sen ist, welches sich selbst und zugleich sein Gegen-
theil, aber dieses in ihm als aufgehoben weiſs. So
wie daher die reine Einsicht für das Bewuſstseyn
ist, hat sie sich schon verbreitet; der Kampf gegen
sie verräth die geschehene Anſteckung; er ist zu
spät, und jedes Mittel verschlimmert nur die Krank-
heit, denn sie hat das Mark des geistigen Lebens
ergriffen, nemlich das Bewuſstseyn in seinem Be-
griffe oder sein reines Wesen selbſt; es gibt darum
auch keine Kraft in ihm, welche über ihr wäre.
Weil sie im Wesen selbſt ist, laſſen sich ihre noch

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0601" n="492"/>
in welcher alles aufgelö&#x017F;st, verge&#x017F;&#x017F;en und unbefan-<lb/>
gen, und die daher des Begriffs schlechthin empfäng-<lb/>
lich ist. Die Mittheilung der reinen Einsicht ist<lb/>
de&#x017F;swegen einer ruhigen Ausdehnung oder dem <hi rendition="#i">Ver-<lb/>
breiten</hi> wie eines Dufftes in der wider&#x017F;tandslosen At-<lb/>
mosphäre zu vergleichen. Sie ist eine durchdringen-<lb/>
de An&#x017F;teckung, welche sich nicht vorher gegen das<lb/>
gleichgültige Element, in das sie sich insinuirt, als<lb/>
entgegengesetztes bemerkbar macht, und daher nicht<lb/>
abgewehrt werden kann. Er&#x017F;t wenn die Anstek-<lb/>
kung sich verbreitet hat, ist <hi rendition="#i">sie für das Bewu&#x017F;stseyn</hi>,<lb/>
das sich ihr unbesorgt überlie&#x017F;s. Denn es war zwar<lb/>
das einfache sich und ihm gleiche Wesen, was es<lb/>
in sich empfing, aber zugleich die Einfachheit der<lb/>
in sich reflectirten <hi rendition="#i">Negativität</hi>, welche nachher auch<lb/>
sich nach ihrer Natur als entgegengeseztes entfaltet,<lb/>
und das Bewu&#x017F;stseyn hiedurch an seine vorige Weise<lb/>
erinnert; sie ist der Begriff, der das einfache Wis-<lb/>
sen ist, welches sich selbst und zugleich sein Gegen-<lb/>
theil, aber dieses in ihm als aufgehoben wei&#x017F;s. So<lb/>
wie daher die reine Einsicht für das Bewu&#x017F;stseyn<lb/>
ist, hat sie sich schon verbreitet; der Kampf gegen<lb/>
sie verräth die geschehene An&#x017F;teckung; er ist zu<lb/>
spät, und jedes Mittel verschlimmert nur die Krank-<lb/>
heit, denn sie hat das Mark des geistigen Lebens<lb/>
ergriffen, nemlich das Bewu&#x017F;stseyn in seinem Be-<lb/>
griffe oder sein reines Wesen selb&#x017F;t; es gibt darum<lb/>
auch keine Kraft in ihm, welche über ihr wäre.<lb/>
Weil sie im Wesen selb&#x017F;t ist, la&#x017F;&#x017F;en sich ihre noch<lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[492/0601] in welcher alles aufgelöſst, vergeſſen und unbefan- gen, und die daher des Begriffs schlechthin empfäng- lich ist. Die Mittheilung der reinen Einsicht ist deſswegen einer ruhigen Ausdehnung oder dem Ver- breiten wie eines Dufftes in der widerſtandslosen At- mosphäre zu vergleichen. Sie ist eine durchdringen- de Anſteckung, welche sich nicht vorher gegen das gleichgültige Element, in das sie sich insinuirt, als entgegengesetztes bemerkbar macht, und daher nicht abgewehrt werden kann. Erſt wenn die Anstek- kung sich verbreitet hat, ist sie für das Bewuſstseyn, das sich ihr unbesorgt überlieſs. Denn es war zwar das einfache sich und ihm gleiche Wesen, was es in sich empfing, aber zugleich die Einfachheit der in sich reflectirten Negativität, welche nachher auch sich nach ihrer Natur als entgegengeseztes entfaltet, und das Bewuſstseyn hiedurch an seine vorige Weise erinnert; sie ist der Begriff, der das einfache Wis- sen ist, welches sich selbst und zugleich sein Gegen- theil, aber dieses in ihm als aufgehoben weiſs. So wie daher die reine Einsicht für das Bewuſstseyn ist, hat sie sich schon verbreitet; der Kampf gegen sie verräth die geschehene Anſteckung; er ist zu spät, und jedes Mittel verschlimmert nur die Krank- heit, denn sie hat das Mark des geistigen Lebens ergriffen, nemlich das Bewuſstseyn in seinem Be- griffe oder sein reines Wesen selbſt; es gibt darum auch keine Kraft in ihm, welche über ihr wäre. Weil sie im Wesen selbſt ist, laſſen sich ihre noch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/601
Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 492. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/601>, abgerufen am 09.06.2024.