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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807.

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wusstlosen und stummen Substanz Aller in den Wäs-
sern der Vergessenheit. Hiedurch verwandelt sich
die Vollbringung des offenbaren Geistes in das Ge-
gentheil, und er erfährt, dass sein höchstes Recht
das höchste Unrecht, sein Sieg vielmehr sein eige-
ner Untergang ist. Der Todte, dessen Recht ge-
kränkt ist, weiss darum für seine Rache Werkzeuge
zu finden, welche von gleicher Wirklichkeit und
Gewalt sind mit der Macht, die ihn verletzt. Diese
Mächte sind andere Gemeinwesen, deren Altäre die
Hunde oder Vögel mit der Leiche besudelten, wel-
che nicht durch die ihr gebührende Zurückgabe an
das elementarische Individuum in die bewusstlose
Allgemeinheit erhoben, sondern über der Erde im
Reiche der Wirklichkeit geblieben, und als die
Krafft des göttlichen Gesetzes, nun eine selbstbe-
wusste wirkliche Allgemeinheit erhält. Sie machen
sich feindlich auf, und zerstören das Gemeinwesen,
das seine Krafft, die Pietät der Familie, entehrt und
zerbrochen hat.

In dieser Vorstellung hat die Bewegung des
menschlichen und göttlichen Gesetzes den Ausdruck
ihrer Nothwendigkeit an Individuen, an denen das
Allgemeine als ein Pathos und die Thätigkeit der
Bewegung als individuelles Thun erscheint, welches
der Nothwendigkeit derselben den Schein der Zufäl-
ligkeit gibt. Aber die Individualität und das Thun
macht das Princip der Einzelnheit überhaupt aus,
das in seiner reinen Allgemeinheit, das innere gött-

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wuſstlosen und stummen Substanz Aller in den Wäs-
sern der Vergessenheit. Hiedurch verwandelt sich
die Vollbringung des offenbaren Geistes in das Ge-
gentheil, und er erfährt, daſs sein höchstes Recht
das höchste Unrecht, sein Sieg vielmehr sein eige-
ner Untergang ist. Der Todte, dessen Recht ge-
kränkt ist, weiſs darum für seine Rache Werkzeuge
zu finden, welche von gleicher Wirklichkeit und
Gewalt sind mit der Macht, die ihn verletzt. Diese
Mächte sind andere Gemeinwesen, deren Altäre die
Hunde oder Vögel mit der Leiche besudelten, wel-
che nicht durch die ihr gebührende Zurückgabe an
das elementarische Individuum in die bewuſstlose
Allgemeinheit erhoben, sondern über der Erde im
Reiche der Wirklichkeit geblieben, und als die
Krafft des göttlichen Gesetzes, nun eine selbstbe-
wuſste wirkliche Allgemeinheit erhält. Sie machen
sich feindlich auf, und zerstören das Gemeinwesen,
das seine Krafft, die Pietät der Familie, entehrt und
zerbrochen hat.

In dieser Vorstellung hat die Bewegung des
menschlichen und göttlichen Gesetzes den Ausdruck
ihrer Nothwendigkeit an Individuen, an denen das
Allgemeine als ein Pathos und die Thätigkeit der
Bewegung als individuelles Thun erscheint, welches
der Nothwendigkeit derselben den Schein der Zufäl-
ligkeit gibt. Aber die Individualität und das Thun
macht das Princip der Einzelnheit überhaupt aus,
das in seiner reinen Allgemeinheit, das innere gött-

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[417/0526] wuſstlosen und stummen Substanz Aller in den Wäs- sern der Vergessenheit. Hiedurch verwandelt sich die Vollbringung des offenbaren Geistes in das Ge- gentheil, und er erfährt, daſs sein höchstes Recht das höchste Unrecht, sein Sieg vielmehr sein eige- ner Untergang ist. Der Todte, dessen Recht ge- kränkt ist, weiſs darum für seine Rache Werkzeuge zu finden, welche von gleicher Wirklichkeit und Gewalt sind mit der Macht, die ihn verletzt. Diese Mächte sind andere Gemeinwesen, deren Altäre die Hunde oder Vögel mit der Leiche besudelten, wel- che nicht durch die ihr gebührende Zurückgabe an das elementarische Individuum in die bewuſstlose Allgemeinheit erhoben, sondern über der Erde im Reiche der Wirklichkeit geblieben, und als die Krafft des göttlichen Gesetzes, nun eine selbstbe- wuſste wirkliche Allgemeinheit erhält. Sie machen sich feindlich auf, und zerstören das Gemeinwesen, das seine Krafft, die Pietät der Familie, entehrt und zerbrochen hat. In dieser Vorstellung hat die Bewegung des menschlichen und göttlichen Gesetzes den Ausdruck ihrer Nothwendigkeit an Individuen, an denen das Allgemeine als ein Pathos und die Thätigkeit der Bewegung als individuelles Thun erscheint, welches der Nothwendigkeit derselben den Schein der Zufäl- ligkeit gibt. Aber die Individualität und das Thun macht das Princip der Einzelnheit überhaupt aus, das in seiner reinen Allgemeinheit, das innere gött- D d

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Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 417. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/526>, abgerufen am 22.11.2024.