Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807.

Bild:
<< vorherige Seite

kann man sich auch den, der mit dem Mörder un-
ter einem Dache wohnt, oder auch seinen Nachbar,
und weiter hinaus seine Mitbürger u. s. f. mit ho-
hen Knorren an irgend einer Schädelstelle vorstellen,
so gut als die fliegende Kuh, die zuerst von dem
Krebs, der auf dem Esel ritt, geliebkost und her-
nach u. s. f. wurde. -- Wird aber die Möglichkeit
nicht im Sinne der Möglichkeit des Vorstellens, son-
dern der innern Möglichkeit, oder des Begriffs ge-
nommen, so ist der Gegenstand eine solche Wirk-
lichkeit, welche reines Ding und ohne dergleichen
Bedeutung ist und seyn soll, und sie also nur
in der Vorstellung haben kann.

Schreitet, ungeachtet der Gleichgültigkeit der
beyden Seiten, der Beobachter jedoch ans Werk,
Beziehungen zu bestimmen, theils frisch gehalten
durch den allgemeinen Vernunftgrund, dass das Aeu-
ssere der Ausdruck des Innern
sey, theils sich unterstü-
tzend mit der Analogie von Schädeln der Thieren, --
welche zwar wohl einen einfachern Charakter ha-
ben mögen, als die Menschen, von denen es aber
zugleich um ebenso schwerer zu sagen wird, wel-
chen sie haben, indem es nicht der Vorstellung ei-
nes jeden Menschen so leicht seyn kann, sich in
die Natur eines Thieres recht hineinzubilden, --
so findet der Beobachter bey der Versicherung der
Gesetze, die er entdeckt haben will, eine vorzüg-
liche Hülfe
an einem Unterschiede, der uns hier
nothwendig auch einfallen muss. -- Das Seyn des

kann man sich auch den, der mit dem Mörder un-
ter einem Dache wohnt, oder auch ſeinen Nachbar,
und weiter hinaus seine Mitbürger u. s. f. mit ho-
hen Knorren an irgend einer Schädelstelle vorstellen,
ſo gut als die fliegende Kuh, die zuerst von dem
Krebs, der auf dem Esel ritt, geliebkost und her-
nach u. s. f. wurde. — Wird aber die Möglichkeit
nicht im Sinne der Möglichkeit des Vorstellens, son-
dern der innern Möglichkeit, oder des Begriffs ge-
nommen, so ist der Gegenstand eine solche Wirk-
lichkeit, welche reines Ding und ohne dergleichen
Bedeutung ist und seyn soll, und sie also nur
in der Vorstellung haben kann.

Schreitet, ungeachtet der Gleichgültigkeit der
beyden Seiten, der Beobachter jedoch ans Werk,
Beziehungen zu bestimmen, theils frisch gehalten
durch den allgemeinen Vernunftgrund, daſs das Aeu-
ſsere der Ausdruck des Innern
sey, theils sich unterstü-
tzend mit der Analogie von Schädeln der Thieren, —
welche zwar wohl einen einfachern Charakter ha-
ben mögen, als die Menschen, von denen es aber
zugleich um ebenso schwerer zu sagen wird, wel-
chen sie haben, indem es nicht der Vorstellung ei-
nes jeden Menschen so leicht seyn kann, sich in
die Natur eines Thieres recht hineinzubilden, —
so findet der Beobachter bey der Versicherung der
Gesetze, die er entdeckt haben will, eine vorzüg-
liche Hülfe
an einem Unterschiede, der uns hier
nothwendig auch einfallen muſs. — Das Seyn des

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0383" n="274"/>
kann man sich auch den, der mit dem Mörder un-<lb/>
ter einem Dache wohnt, oder auch &#x017F;einen Nachbar,<lb/>
und weiter hinaus seine Mitbürger u. s. f. mit ho-<lb/>
hen Knorren an irgend einer Schädelstelle <hi rendition="#i">vorstellen</hi>,<lb/>
&#x017F;o gut als die fliegende Kuh, die zuerst von dem<lb/>
Krebs, der auf dem Esel ritt, geliebkost und her-<lb/>
nach u. s. f. wurde. &#x2014; Wird aber die <hi rendition="#i">Möglichkeit</hi><lb/>
nicht im Sinne der Möglichkeit <hi rendition="#i">des Vorstellens</hi>, son-<lb/>
dern der <hi rendition="#i">innern</hi> Möglichkeit, oder des <hi rendition="#i">Begriffs</hi> ge-<lb/>
nommen, so ist der Gegenstand eine solche Wirk-<lb/>
lichkeit, welche reines Ding und ohne dergleichen<lb/>
Bedeutung ist und seyn soll, und sie also nur<lb/>
in der Vorstellung haben kann.</p><lb/>
              <p>Schreitet, ungeachtet der Gleichgültigkeit der<lb/>
beyden Seiten, der Beobachter jedoch ans Werk,<lb/>
Beziehungen zu bestimmen, theils frisch gehalten<lb/>
durch den allgemeinen Vernunftgrund, da&#x017F;s das <hi rendition="#i">Aeu-<lb/>
&#x017F;sere der Ausdruck des Innern</hi> sey, theils sich unterstü-<lb/>
tzend mit der Analogie von Schädeln der Thieren, &#x2014;<lb/>
welche zwar wohl einen einfachern Charakter ha-<lb/>
ben mögen, als die Menschen, von denen es aber<lb/>
zugleich um ebenso schwerer zu sagen wird, wel-<lb/>
chen sie haben, indem es nicht der Vorstellung ei-<lb/>
nes jeden Menschen so leicht seyn kann, sich in<lb/>
die Natur eines Thieres recht hineinzubilden, &#x2014;<lb/>
so findet der Beobachter bey der Versicherung der<lb/>
Gesetze, die er entdeckt haben will, eine <hi rendition="#i">vorzüg-<lb/>
liche Hülfe</hi> an einem Unterschiede, der uns hier<lb/>
nothwendig auch einfallen mu&#x017F;s. &#x2014; Das <hi rendition="#i">Seyn</hi> des<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[274/0383] kann man sich auch den, der mit dem Mörder un- ter einem Dache wohnt, oder auch ſeinen Nachbar, und weiter hinaus seine Mitbürger u. s. f. mit ho- hen Knorren an irgend einer Schädelstelle vorstellen, ſo gut als die fliegende Kuh, die zuerst von dem Krebs, der auf dem Esel ritt, geliebkost und her- nach u. s. f. wurde. — Wird aber die Möglichkeit nicht im Sinne der Möglichkeit des Vorstellens, son- dern der innern Möglichkeit, oder des Begriffs ge- nommen, so ist der Gegenstand eine solche Wirk- lichkeit, welche reines Ding und ohne dergleichen Bedeutung ist und seyn soll, und sie also nur in der Vorstellung haben kann. Schreitet, ungeachtet der Gleichgültigkeit der beyden Seiten, der Beobachter jedoch ans Werk, Beziehungen zu bestimmen, theils frisch gehalten durch den allgemeinen Vernunftgrund, daſs das Aeu- ſsere der Ausdruck des Innern sey, theils sich unterstü- tzend mit der Analogie von Schädeln der Thieren, — welche zwar wohl einen einfachern Charakter ha- ben mögen, als die Menschen, von denen es aber zugleich um ebenso schwerer zu sagen wird, wel- chen sie haben, indem es nicht der Vorstellung ei- nes jeden Menschen so leicht seyn kann, sich in die Natur eines Thieres recht hineinzubilden, — so findet der Beobachter bey der Versicherung der Gesetze, die er entdeckt haben will, eine vorzüg- liche Hülfe an einem Unterschiede, der uns hier nothwendig auch einfallen muſs. — Das Seyn des

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/383
Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/383>, abgerufen am 18.05.2024.