Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807.

Bild:
<< vorherige Seite

gen, deren einer A sagt, wenn der andere B, und
wieder B, wenn der andere A, und die sich durch
den Widerspruch mit sich selbst die Freude erkauf-
fen, miteinander im Widerspruche zu bleiben.

Im Skepticismus erfährt das Bewusstseyn in
Wahrheit sich als ein in sich selbst widersprechen-
des Bewusstseyn; es geht aus dieser Erfahrung eine
neue Gestalt hervor, welche die zwey Gedanken zu-
sammenbringt, die der Skepticismus auseinander
hält. Die Gedankenlosigkeit des Skepticismus über
sich selbst muss verschwinden, weil es in der That
Ein Bewusstseyn ist, welches diese beyden Weisen
an ihm hat. Diese neue Gestalt ist hiedurch ein sol-
ches, welches für sich das gedoppelte Bewusstseyn
seiner, als des sich befreyenden, unwandelbaren und
sichselbstgleichen, und seiner als des absolut sich
verwirrenden und verkehrenden, -- und das Be-
wusstseyn dieses seines Widerspruchs ist. -- Im
Stoicismus ist das Selbstbewusstseyn die einfache
Freyheit seiner selbst; im Skepticismus realisirt sie
sich, vernichtet die andere Seite des bestimmten Da-
seyns, aber verdoppelt sich vielmehr, und ist sich
nun ein zweyfaches. Hiedurch ist die Verdopplung,
welche früher an zwey einzelne, an den Herrn und
den Knecht, sich vertheilte, in eines eingekehrt; die
Verdopplung des Selbstbewusstseyns in sich selbst,
welche im Begriffe des Geistes wesentlich ist, ist hie-
mit vorhanden, aber noch nicht ihre Einheit und
das unglückliche Bewusstseyn ist das Bewusstseyn sei-

gen, deren einer A ſagt, wenn der andere B, und
wieder B, wenn der andere A, und die sich durch
den Widerspruch mit sich selbst die Freude erkauf-
fen, miteinander im Widerspruche zu bleiben.

Im Skepticismus erfährt das Bewuſstseyn in
Wahrheit sich als ein in sich selbst widersprechen-
des Bewuſstseyn; es geht aus dieser Erfahrung eine
neue Gestalt hervor, welche die zwey Gedanken zu-
sammenbringt, die der Skepticismus auseinander
hält. Die Gedankenlosigkeit des Skepticismus über
sich selbst muſs verschwinden, weil es in der That
Ein Bewuſstseyn ist, welches diese beyden Weisen
an ihm hat. Diese neue Gestalt ist hiedurch ein sol-
ches, welches für sich das gedoppelte Bewuſstseyn
seiner, als des sich befreyenden, unwandelbaren und
sichselbstgleichen, und seiner als des absolut sich
verwirrenden und verkehrenden, — und das Be-
wuſstseyn dieses seines Widerspruchs ist. — Im
Stoicismus ist das Selbstbewuſstseyn die einfache
Freyheit seiner selbst; im Skepticismus realisirt sie
sich, vernichtet die andere Seite des bestimmten Da-
seyns, aber verdoppelt sich vielmehr, und ist sich
nun ein zweyfaches. Hiedurch ist die Verdopplung,
welche früher an zwey einzelne, an den Herrn und
den Knecht, sich vertheilte, in eines eingekehrt; die
Verdopplung des Selbstbewuſstseyns in sich selbst,
welche im Begriffe des Geistes wesentlich ist, ist hie-
mit vorhanden, aber noch nicht ihre Einheit und
das unglückliche Bewuſstseyn ist das Bewuſstseyn sei-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0249" n="140"/>
gen, deren einer A &#x017F;agt, wenn der andere B, und<lb/>
wieder B, wenn der andere A, und die sich durch<lb/>
den Widerspruch <hi rendition="#i">mit sich selbst</hi> die Freude erkauf-<lb/>
fen, <hi rendition="#i">miteinander</hi> im Widerspruche zu bleiben.</p><lb/>
            <p>Im Skepticismus erfährt das Bewu&#x017F;stseyn in<lb/>
Wahrheit sich als ein in sich selbst widersprechen-<lb/>
des Bewu&#x017F;stseyn; es geht aus dieser Erfahrung eine<lb/><hi rendition="#i">neue Gestalt</hi> hervor, welche die zwey Gedanken zu-<lb/>
sammenbringt, die der Skepticismus auseinander<lb/>
hält. Die Gedankenlosigkeit des Skepticismus über<lb/>
sich selbst mu&#x017F;s verschwinden, weil es in der That<lb/><hi rendition="#i">Ein</hi> Bewu&#x017F;stseyn ist, welches diese beyden Weisen<lb/>
an ihm hat. Diese neue Gestalt ist hiedurch ein sol-<lb/>
ches, welches <hi rendition="#i">für sich</hi> das gedoppelte Bewu&#x017F;stseyn<lb/>
seiner, als des sich befreyenden, unwandelbaren und<lb/>
sichselbstgleichen, und seiner als des absolut sich<lb/>
verwirrenden und verkehrenden, &#x2014; und das Be-<lb/>
wu&#x017F;stseyn dieses seines Widerspruchs ist. &#x2014; Im<lb/>
Stoicismus ist das Selbstbewu&#x017F;stseyn die einfache<lb/>
Freyheit seiner selbst; im Skepticismus realisirt sie<lb/>
sich, vernichtet die andere Seite des bestimmten Da-<lb/>
seyns, aber verdoppelt <hi rendition="#i">sich</hi> vielmehr, und ist sich<lb/>
nun ein zweyfaches. Hiedurch ist die Verdopplung,<lb/>
welche früher an zwey einzelne, an den Herrn und<lb/>
den Knecht, sich vertheilte, in eines eingekehrt; die<lb/>
Verdopplung des Selbstbewu&#x017F;stseyns in sich selbst,<lb/>
welche im Begriffe des Geistes wesentlich ist, ist hie-<lb/>
mit vorhanden, aber noch nicht ihre Einheit und<lb/><hi rendition="#i">das unglückliche Bewu&#x017F;stseyn</hi> ist das Bewu&#x017F;stseyn sei-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[140/0249] gen, deren einer A ſagt, wenn der andere B, und wieder B, wenn der andere A, und die sich durch den Widerspruch mit sich selbst die Freude erkauf- fen, miteinander im Widerspruche zu bleiben. Im Skepticismus erfährt das Bewuſstseyn in Wahrheit sich als ein in sich selbst widersprechen- des Bewuſstseyn; es geht aus dieser Erfahrung eine neue Gestalt hervor, welche die zwey Gedanken zu- sammenbringt, die der Skepticismus auseinander hält. Die Gedankenlosigkeit des Skepticismus über sich selbst muſs verschwinden, weil es in der That Ein Bewuſstseyn ist, welches diese beyden Weisen an ihm hat. Diese neue Gestalt ist hiedurch ein sol- ches, welches für sich das gedoppelte Bewuſstseyn seiner, als des sich befreyenden, unwandelbaren und sichselbstgleichen, und seiner als des absolut sich verwirrenden und verkehrenden, — und das Be- wuſstseyn dieses seines Widerspruchs ist. — Im Stoicismus ist das Selbstbewuſstseyn die einfache Freyheit seiner selbst; im Skepticismus realisirt sie sich, vernichtet die andere Seite des bestimmten Da- seyns, aber verdoppelt sich vielmehr, und ist sich nun ein zweyfaches. Hiedurch ist die Verdopplung, welche früher an zwey einzelne, an den Herrn und den Knecht, sich vertheilte, in eines eingekehrt; die Verdopplung des Selbstbewuſstseyns in sich selbst, welche im Begriffe des Geistes wesentlich ist, ist hie- mit vorhanden, aber noch nicht ihre Einheit und das unglückliche Bewuſstseyn ist das Bewuſstseyn sei-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/249
Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/249>, abgerufen am 05.05.2024.