Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807.

Bild:
<< vorherige Seite

er ist auch dieses Verlustes, und der Endlich-
keit, die sein Inhalt ist, bewusst. Von den
Trebern sich wegwendend, dass er im Argen
liegt, bekennend und darauf schmähend, ver-
langt er nun von der Philosophie nicht sowohl
das Wissen dessen, was er ist, als zur Herstel-
lung jener Substantialität und der Gediegenheit
des Seyns erst wieder durch sie zu gelangen.
Diesem Bedürfnisse soll sie also nicht so sehr
die Verschlossenheit der Substanz aufschliessen,
und diese zum Selbstbewusstseyn erheben, --
nicht so sehr ihr chaotisches Bewuss[t]seyn zur
gedachten Ordnung und zur Einfachheit des
Begriffes zurückbringen, als vielmehr die Son-
derungen des Gedankens zusammenschütten, den
unterscheidenden Begriff unterdrücken und das
Gefühl des Wesens herstellen, nicht sowohl
Einsicht als Erbauung gewähren. Das Schöne,
Heilige, Ewige, die Religion und Liebe sind
der Köder, der gefodert wird, um die Lust
zum Anbeissen zu erwecken, nicht der Begriff,
sondern die Ekstase, nicht die kalt fortschrei-
tende Nothwendigkeit der Sache, sondern die
gährende Begeisterung soll die Haltung und fort-
leitende Ausbreitung des Reichthums der Sub-
stanz seyn.


er iſt auch dieſes Verluſtes, und der Endlich-
keit, die ſein Inhalt iſt, bewuſst. Von den
Trebern ſich wegwendend, daſs er im Argen
liegt, bekennend und darauf ſchmähend, ver-
langt er nun von der Philoſophie nicht ſowohl
das Wiſſen deſſen, was er iſt, als zur Herſtel-
lung jener Subſtantialität und der Gediegenheit
des Seyns erſt wieder durch ſie zu gelangen.
Dieſem Bedürfniſſe ſoll ſie alſo nicht ſo ſehr
die Verſchloſſenheit der Subſtanz aufſchlieſſen,
und dieſe zum Selbſtbewuſstſeyn erheben, —
nicht ſo ſehr ihr chaotiſches Bewuſs[t]ſeyn zur
gedachten Ordnung und zur Einfachheit des
Begriffes zurückbringen, als vielmehr die Son-
derungen des Gedankens zuſammenſchütten, den
unterſcheidenden Begriff unterdrücken und das
Gefühl des Weſens herſtellen, nicht ſowohl
Einſicht als Erbauung gewähren. Das Schöne,
Heilige, Ewige, die Religion und Liebe ſind
der Köder, der gefodert wird, um die Luſt
zum Anbeiſſen zu erwecken, nicht der Begriff,
ſondern die Ekſtaſe, nicht die kalt fortſchrei-
tende Nothwendigkeit der Sache, ſondern die
gährende Begeiſterung ſoll die Haltung und fort-
leitende Ausbreitung des Reichthums der Sub-
ſtanz ſeyn.


<TEI>
  <text>
    <front>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0024" n="IX"/>
er i&#x017F;t auch die&#x017F;es Verlu&#x017F;tes, und der Endlich-<lb/>
keit, die &#x017F;ein Inhalt i&#x017F;t, bewu&#x017F;st. Von den<lb/>
Trebern &#x017F;ich wegwendend, da&#x017F;s er im Argen<lb/>
liegt, bekennend und darauf &#x017F;chmähend, ver-<lb/>
langt er nun von der Philo&#x017F;ophie nicht &#x017F;owohl<lb/>
das <hi rendition="#i">Wi&#x017F;&#x017F;en</hi> de&#x017F;&#x017F;en, was er <hi rendition="#i">i&#x017F;t</hi>, als zur Her&#x017F;tel-<lb/>
lung jener Sub&#x017F;tantialität und der Gediegenheit<lb/>
des Seyns er&#x017F;t wieder durch &#x017F;ie zu gelangen.<lb/>
Die&#x017F;em Bedürfni&#x017F;&#x017F;e &#x017F;oll &#x017F;ie al&#x017F;o nicht &#x017F;o &#x017F;ehr<lb/>
die Ver&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enheit der Sub&#x017F;tanz auf&#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
und die&#x017F;e zum Selb&#x017F;tbewu&#x017F;st&#x017F;eyn erheben, &#x2014;<lb/>
nicht &#x017F;o &#x017F;ehr ihr chaoti&#x017F;ches Bewu&#x017F;s<supplied>t</supplied>&#x017F;eyn zur<lb/>
gedachten Ordnung und zur Einfachheit des<lb/>
Begriffes zurückbringen, als vielmehr die Son-<lb/>
derungen des Gedankens zu&#x017F;ammen&#x017F;chütten, den<lb/>
unter&#x017F;cheidenden Begriff unterdrücken und das<lb/>
Gefühl des We&#x017F;ens her&#x017F;tellen, nicht &#x017F;owohl<lb/><hi rendition="#i">Ein&#x017F;icht</hi> als <hi rendition="#i">Erbauung</hi> gewähren. Das Schöne,<lb/>
Heilige, Ewige, die Religion und Liebe &#x017F;ind<lb/>
der Köder, der gefodert wird, um die Lu&#x017F;t<lb/>
zum Anbei&#x017F;&#x017F;en zu erwecken, nicht der Begriff,<lb/>
&#x017F;ondern die Ek&#x017F;ta&#x017F;e, nicht die kalt fort&#x017F;chrei-<lb/>
tende Nothwendigkeit der Sache, &#x017F;ondern die<lb/>
gährende Begei&#x017F;terung &#x017F;oll die Haltung und fort-<lb/>
leitende Ausbreitung des Reichthums der Sub-<lb/>
&#x017F;tanz &#x017F;eyn.</p><lb/>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[IX/0024] er iſt auch dieſes Verluſtes, und der Endlich- keit, die ſein Inhalt iſt, bewuſst. Von den Trebern ſich wegwendend, daſs er im Argen liegt, bekennend und darauf ſchmähend, ver- langt er nun von der Philoſophie nicht ſowohl das Wiſſen deſſen, was er iſt, als zur Herſtel- lung jener Subſtantialität und der Gediegenheit des Seyns erſt wieder durch ſie zu gelangen. Dieſem Bedürfniſſe ſoll ſie alſo nicht ſo ſehr die Verſchloſſenheit der Subſtanz aufſchlieſſen, und dieſe zum Selbſtbewuſstſeyn erheben, — nicht ſo ſehr ihr chaotiſches Bewuſstſeyn zur gedachten Ordnung und zur Einfachheit des Begriffes zurückbringen, als vielmehr die Son- derungen des Gedankens zuſammenſchütten, den unterſcheidenden Begriff unterdrücken und das Gefühl des Weſens herſtellen, nicht ſowohl Einſicht als Erbauung gewähren. Das Schöne, Heilige, Ewige, die Religion und Liebe ſind der Köder, der gefodert wird, um die Luſt zum Anbeiſſen zu erwecken, nicht der Begriff, ſondern die Ekſtaſe, nicht die kalt fortſchrei- tende Nothwendigkeit der Sache, ſondern die gährende Begeiſterung ſoll die Haltung und fort- leitende Ausbreitung des Reichthums der Sub- ſtanz ſeyn.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/24
Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. IX. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/24>, abgerufen am 19.04.2024.