Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 2. Nürnberg, 1816.Vom Begriff gen noch nicht die Form eines absoluten Andersseynsoder der absoluten Unmittelbarkeit haben. -- Kant, in- dem er Kr. der r. Vern. S. 83. in Beziehung auf die Logik, auf die alte und berühmte Frage: Was die Wahrheit sey? zu reden kommt, schenkt vors erste als etwas triviales die Nahmenerklärung, daß sie die Uebereinstimmung der Erkenntniß mit ihrem Gegenstan- de sey; -- eine Definition, die von grossem, ja von dem höchsten Werthe ist. Wenn man sich derselben bey der Grundbehauptung des transcendentalen Idealismus er- innert, daß die Vernunfterkenntniß die Dinge an sich zu erfassen nicht vermögend sey, daß die Realität schlechthin ausser dem Begriffe liege, so zeigt sich sogleich, daß eine solche Vernunft, die sich mit ihrem Gegenstande, den Dingen an sich, nicht in Uebereinstimmung zu setzen vermag, und die Dinge an sich, die nicht mit dem Vernunftbegriffe, der Begriff, der nicht mit der Realität, eine Realität, die nicht mit dem Begriffe in Uebereinstimmung ist, un- wahre Vorstellungen sind. Wenn Kant die Idee eines anschauenden Verstandes an jene Defini- tion der Wahrheit gehalten hätte, so würde er diese Idee, welche die geforderte Uebereinstimmung ausdrückt, nicht als ein Gedankending, sondern vielmehr als Wahr- heit behandelt haben. "Das, was man zu wissen verlange, gibt Kant lich
Vom Begriff gen noch nicht die Form eines abſoluten Andersſeynsoder der abſoluten Unmittelbarkeit haben. — Kant, in- dem er Kr. der r. Vern. S. 83. in Beziehung auf die Logik, auf die alte und beruͤhmte Frage: Was die Wahrheit ſey? zu reden kommt, ſchenkt vors erſte als etwas triviales die Nahmenerklaͤrung, daß ſie die Uebereinſtimmung der Erkenntniß mit ihrem Gegenſtan- de ſey; — eine Definition, die von groſſem, ja von dem hoͤchſten Werthe iſt. Wenn man ſich derſelben bey der Grundbehauptung des tranſcendentalen Idealismus er- innert, daß die Vernunfterkenntniß die Dinge an ſich zu erfaſſen nicht vermoͤgend ſey, daß die Realitaͤt ſchlechthin auſſer dem Begriffe liege, ſo zeigt ſich ſogleich, daß eine ſolche Vernunft, die ſich mit ihrem Gegenſtande, den Dingen an ſich, nicht in Uebereinſtimmung zu ſetzen vermag, und die Dinge an ſich, die nicht mit dem Vernunftbegriffe, der Begriff, der nicht mit der Realitaͤt, eine Realitaͤt, die nicht mit dem Begriffe in Uebereinſtimmung iſt, un- wahre Vorſtellungen ſind. Wenn Kant die Idee eines anſchauenden Verſtandes an jene Defini- tion der Wahrheit gehalten haͤtte, ſo wuͤrde er dieſe Idee, welche die geforderte Uebereinſtimmung ausdruͤckt, nicht als ein Gedankending, ſondern vielmehr als Wahr- heit behandelt haben. „Das, was man zu wiſſen verlange, gibt Kant lich
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Vom Begriff
gen noch nicht die Form eines abſoluten Andersſeyns
oder der abſoluten Unmittelbarkeit haben. — Kant, in-
dem er Kr. der r. Vern. S. 83. in Beziehung auf die
Logik, auf die alte und beruͤhmte Frage: Was die
Wahrheit ſey? zu reden kommt, ſchenkt vors erſte
als etwas triviales die Nahmenerklaͤrung, daß ſie die
Uebereinſtimmung der Erkenntniß mit ihrem Gegenſtan-
de ſey; — eine Definition, die von groſſem, ja von dem
hoͤchſten Werthe iſt. Wenn man ſich derſelben bey der
Grundbehauptung des tranſcendentalen Idealismus er-
innert, daß die Vernunfterkenntniß die Dinge
an ſich zu erfaſſen nicht vermoͤgend ſey, daß die
Realitaͤt ſchlechthin auſſer dem Begriffe liege,
ſo zeigt ſich ſogleich, daß eine ſolche Vernunft, die
ſich mit ihrem Gegenſtande, den Dingen an ſich, nicht
in Uebereinſtimmung zu ſetzen vermag, und die
Dinge an ſich, die nicht mit dem Vernunftbegriffe,
der Begriff, der nicht mit der Realitaͤt, eine Realitaͤt,
die nicht mit dem Begriffe in Uebereinſtimmung iſt, un-
wahre Vorſtellungen ſind. Wenn Kant die Idee
eines anſchauenden Verſtandes an jene Defini-
tion der Wahrheit gehalten haͤtte, ſo wuͤrde er dieſe
Idee, welche die geforderte Uebereinſtimmung ausdruͤckt,
nicht als ein Gedankending, ſondern vielmehr als Wahr-
heit behandelt haben.
„Das, was man zu wiſſen verlange, gibt Kant
ferner an, ſey ein allgemeines und ſicheres Cri-
terium der Wahrheit einer jeden Erkennt-
niß; es wuͤrde ein ſolches ſeyn, welches von allen Er-
kenntniſſen, ohne Unterſchied ihrer Gegenſtaͤn-
de, guͤltig waͤre; da man aber bey demſelben von al-
lem Inhalt der Erkenntniß (Beziehung auf ihr
Object) abſtrahirt, und Wahrheit gerade
dieſen Inhalt angeht, ſo wuͤrde es ganz unmoͤg-
lich
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