Der Beweis geht wie bey den übrigen Antino- mieen erstens apogogisch zu Werke, es wird das Gegen- theil jeder Thesis angenommen; zweytens um das Wi- dersprechende dieser Annahme zu zeigen, wird umgekehrt das Gegentheil derselben, das ist somit, der zu beweisende Satz angenommen, und als geltend vorausgesetzt; -- der ganze Umweg des Beweisens konnte daher erspart werden; es besteht in nichts als der assertorischen Be- hauptung der beyden gegenüberstehenden Sätze.
Zum Beweise der Thesis soll nemlich zuerst an- genommen werden: es gebe keine andere Causali- tät, als nach Gesetzen der Natur, d. i. nach der Nothwendigkeit des Mechanismus überhaupt, den Che- mismus mit eingeschlossen. Dieser Satz widerspreche sich aber darum, weil das Gesetz der Natur gerade darin bestehe, daß ohne hinreichend a priori bestimmte Ursache, welche somit eine absolute Spon- taneität in sich enthalte, nichts geschehe; -- d. h. die der Thesis entgegengesetzte Annahme ist darum wider- sprechend, weil sie der Thesis widerspricht.
Zum Behuffe des Beweises der Antithesis solle man setzen: es gebe eine Freyheit als eine besondere Art von Causalität, einen Zustand, mithin auch eine Reihe von Folgen desselben schlechthin anzufangen. Da nun aber ein solches Anfangen einen Zustand vor- aussetzt, der mit dem vorhergehenden derselben gar keinen Zusammenhang der Causalität hat, so widerspricht es dem Gesetze der Causalität, nach welchem allein Einheit der Erfahrung und Erfahrung überhaupt möglich ist; -- d. h. die Annahme der Frey- heit, die der Antithesis entgegen ist, kann darum nicht gemacht werden, weil sie der Antithesis widerspricht.
Dem
II.Abſchnitt. Objectivitaͤt.
Der Beweis geht wie bey den uͤbrigen Antino- mieen erſtens apogogiſch zu Werke, es wird das Gegen- theil jeder Theſis angenommen; zweytens um das Wi- derſprechende dieſer Annahme zu zeigen, wird umgekehrt das Gegentheil derſelben, das iſt ſomit, der zu beweiſende Satz angenommen, und als geltend vorausgeſetzt; — der ganze Umweg des Beweiſens konnte daher erſpart werden; es beſteht in nichts als der aſſertoriſchen Be- hauptung der beyden gegenuͤberſtehenden Saͤtze.
Zum Beweiſe der Theſis ſoll nemlich zuerſt an- genommen werden: es gebe keine andere Cauſali- taͤt, als nach Geſetzen der Natur, d. i. nach der Nothwendigkeit des Mechanismus uͤberhaupt, den Che- mismus mit eingeſchloſſen. Dieſer Satz widerſpreche ſich aber darum, weil das Geſetz der Natur gerade darin beſtehe, daß ohne hinreichend à priori beſtimmte Urſache, welche ſomit eine abſolute Spon- taneitaͤt in ſich enthalte, nichts geſchehe; — d. h. die der Theſis entgegengeſetzte Annahme iſt darum wider- ſprechend, weil ſie der Theſis widerſpricht.
Zum Behuffe des Beweiſes der Antitheſis ſolle man ſetzen: es gebe eine Freyheit als eine beſondere Art von Cauſalitaͤt, einen Zuſtand, mithin auch eine Reihe von Folgen deſſelben ſchlechthin anzufangen. Da nun aber ein ſolches Anfangen einen Zuſtand vor- ausſetzt, der mit dem vorhergehenden derſelben gar keinen Zuſammenhang der Cauſalitaͤt hat, ſo widerſpricht es dem Geſetze der Cauſalitaͤt, nach welchem allein Einheit der Erfahrung und Erfahrung uͤberhaupt moͤglich iſt; — d. h. die Annahme der Frey- heit, die der Antitheſis entgegen iſt, kann darum nicht gemacht werden, weil ſie der Antitheſis widerſpricht.
Dem
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0260"n="242"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#aq">II.</hi><hirendition="#g">Abſchnitt. Objectivitaͤt</hi>.</fw><lb/><p>Der Beweis geht wie bey den uͤbrigen Antino-<lb/>
mieen erſtens apogogiſch zu Werke, es wird das Gegen-<lb/>
theil jeder Theſis angenommen; zweytens um das Wi-<lb/>
derſprechende dieſer Annahme zu zeigen, wird umgekehrt<lb/>
das Gegentheil derſelben, das iſt ſomit, der zu beweiſende<lb/>
Satz angenommen, und als geltend vorausgeſetzt; —<lb/>
der ganze Umweg des Beweiſens konnte daher erſpart<lb/>
werden; es beſteht in nichts als der aſſertoriſchen Be-<lb/>
hauptung der beyden gegenuͤberſtehenden Saͤtze.</p><lb/><p>Zum Beweiſe der <hirendition="#g">Theſis</hi>ſoll nemlich zuerſt an-<lb/>
genommen werden: es gebe <hirendition="#g">keine andere Cauſali-<lb/>
taͤt</hi>, als nach <hirendition="#g">Geſetzen der Natur</hi>, d. i. nach der<lb/>
Nothwendigkeit des Mechanismus uͤberhaupt, den Che-<lb/>
mismus mit eingeſchloſſen. Dieſer Satz widerſpreche<lb/>ſich aber darum, weil das Geſetz der Natur gerade<lb/>
darin beſtehe, daß <hirendition="#g">ohne hinreichend <hirendition="#aq">à priori</hi><lb/>
beſtimmte Urſache</hi>, welche ſomit eine abſolute Spon-<lb/>
taneitaͤt in ſich enthalte, nichts geſchehe; — d. h. die<lb/>
der Theſis entgegengeſetzte Annahme iſt darum wider-<lb/>ſprechend, weil ſie der Theſis widerſpricht.</p><lb/><p>Zum Behuffe des Beweiſes <hirendition="#g">der Antitheſis<lb/>ſolle</hi> man ſetzen: es gebe eine <hirendition="#g">Freyheit</hi> als eine<lb/>
beſondere Art von Cauſalitaͤt, einen Zuſtand, mithin auch<lb/>
eine Reihe von Folgen deſſelben ſchlechthin anzufangen.<lb/>
Da nun aber ein ſolches Anfangen einen Zuſtand <hirendition="#g">vor-<lb/>
ausſetzt</hi>, der mit dem vorhergehenden derſelben gar<lb/><hirendition="#g">keinen Zuſammenhang der Cauſalitaͤt</hi> hat,<lb/>ſo widerſpricht es <hirendition="#g">dem Geſetze der Cauſalitaͤt</hi>,<lb/>
nach welchem allein Einheit der Erfahrung und Erfahrung<lb/>
uͤberhaupt moͤglich iſt; — d. h. die Annahme der Frey-<lb/>
heit, die der Antitheſis entgegen iſt, kann darum nicht<lb/>
gemacht werden, weil ſie der Antitheſis widerſpricht.</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Dem</fw><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[242/0260]
II. Abſchnitt. Objectivitaͤt.
Der Beweis geht wie bey den uͤbrigen Antino-
mieen erſtens apogogiſch zu Werke, es wird das Gegen-
theil jeder Theſis angenommen; zweytens um das Wi-
derſprechende dieſer Annahme zu zeigen, wird umgekehrt
das Gegentheil derſelben, das iſt ſomit, der zu beweiſende
Satz angenommen, und als geltend vorausgeſetzt; —
der ganze Umweg des Beweiſens konnte daher erſpart
werden; es beſteht in nichts als der aſſertoriſchen Be-
hauptung der beyden gegenuͤberſtehenden Saͤtze.
Zum Beweiſe der Theſis ſoll nemlich zuerſt an-
genommen werden: es gebe keine andere Cauſali-
taͤt, als nach Geſetzen der Natur, d. i. nach der
Nothwendigkeit des Mechanismus uͤberhaupt, den Che-
mismus mit eingeſchloſſen. Dieſer Satz widerſpreche
ſich aber darum, weil das Geſetz der Natur gerade
darin beſtehe, daß ohne hinreichend à priori
beſtimmte Urſache, welche ſomit eine abſolute Spon-
taneitaͤt in ſich enthalte, nichts geſchehe; — d. h. die
der Theſis entgegengeſetzte Annahme iſt darum wider-
ſprechend, weil ſie der Theſis widerſpricht.
Zum Behuffe des Beweiſes der Antitheſis
ſolle man ſetzen: es gebe eine Freyheit als eine
beſondere Art von Cauſalitaͤt, einen Zuſtand, mithin auch
eine Reihe von Folgen deſſelben ſchlechthin anzufangen.
Da nun aber ein ſolches Anfangen einen Zuſtand vor-
ausſetzt, der mit dem vorhergehenden derſelben gar
keinen Zuſammenhang der Cauſalitaͤt hat,
ſo widerſpricht es dem Geſetze der Cauſalitaͤt,
nach welchem allein Einheit der Erfahrung und Erfahrung
uͤberhaupt moͤglich iſt; — d. h. die Annahme der Frey-
heit, die der Antitheſis entgegen iſt, kann darum nicht
gemacht werden, weil ſie der Antitheſis widerſpricht.
Dem
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 2. Nürnberg, 1816, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik02_1816/260>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.