Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 2. Nürnberg, 1816.

Bild:
<< vorherige Seite
II. Abschnitt. Objectivität.

Der Beweis geht wie bey den übrigen Antino-
mieen erstens apogogisch zu Werke, es wird das Gegen-
theil jeder Thesis angenommen; zweytens um das Wi-
dersprechende dieser Annahme zu zeigen, wird umgekehrt
das Gegentheil derselben, das ist somit, der zu beweisende
Satz angenommen, und als geltend vorausgesetzt; --
der ganze Umweg des Beweisens konnte daher erspart
werden; es besteht in nichts als der assertorischen Be-
hauptung der beyden gegenüberstehenden Sätze.

Zum Beweise der Thesis soll nemlich zuerst an-
genommen werden: es gebe keine andere Causali-
tät
, als nach Gesetzen der Natur, d. i. nach der
Nothwendigkeit des Mechanismus überhaupt, den Che-
mismus mit eingeschlossen. Dieser Satz widerspreche
sich aber darum, weil das Gesetz der Natur gerade
darin bestehe, daß ohne hinreichend a priori
bestimmte Ursache
, welche somit eine absolute Spon-
taneität in sich enthalte, nichts geschehe; -- d. h. die
der Thesis entgegengesetzte Annahme ist darum wider-
sprechend, weil sie der Thesis widerspricht.

Zum Behuffe des Beweises der Antithesis
solle
man setzen: es gebe eine Freyheit als eine
besondere Art von Causalität, einen Zustand, mithin auch
eine Reihe von Folgen desselben schlechthin anzufangen.
Da nun aber ein solches Anfangen einen Zustand vor-
aussetzt
, der mit dem vorhergehenden derselben gar
keinen Zusammenhang der Causalität hat,
so widerspricht es dem Gesetze der Causalität,
nach welchem allein Einheit der Erfahrung und Erfahrung
überhaupt möglich ist; -- d. h. die Annahme der Frey-
heit, die der Antithesis entgegen ist, kann darum nicht
gemacht werden, weil sie der Antithesis widerspricht.

Dem
II. Abſchnitt. Objectivitaͤt.

Der Beweis geht wie bey den uͤbrigen Antino-
mieen erſtens apogogiſch zu Werke, es wird das Gegen-
theil jeder Theſis angenommen; zweytens um das Wi-
derſprechende dieſer Annahme zu zeigen, wird umgekehrt
das Gegentheil derſelben, das iſt ſomit, der zu beweiſende
Satz angenommen, und als geltend vorausgeſetzt; —
der ganze Umweg des Beweiſens konnte daher erſpart
werden; es beſteht in nichts als der aſſertoriſchen Be-
hauptung der beyden gegenuͤberſtehenden Saͤtze.

Zum Beweiſe der Theſis ſoll nemlich zuerſt an-
genommen werden: es gebe keine andere Cauſali-
taͤt
, als nach Geſetzen der Natur, d. i. nach der
Nothwendigkeit des Mechanismus uͤberhaupt, den Che-
mismus mit eingeſchloſſen. Dieſer Satz widerſpreche
ſich aber darum, weil das Geſetz der Natur gerade
darin beſtehe, daß ohne hinreichend à priori
beſtimmte Urſache
, welche ſomit eine abſolute Spon-
taneitaͤt in ſich enthalte, nichts geſchehe; — d. h. die
der Theſis entgegengeſetzte Annahme iſt darum wider-
ſprechend, weil ſie der Theſis widerſpricht.

Zum Behuffe des Beweiſes der Antitheſis
ſolle
man ſetzen: es gebe eine Freyheit als eine
beſondere Art von Cauſalitaͤt, einen Zuſtand, mithin auch
eine Reihe von Folgen deſſelben ſchlechthin anzufangen.
Da nun aber ein ſolches Anfangen einen Zuſtand vor-
ausſetzt
, der mit dem vorhergehenden derſelben gar
keinen Zuſammenhang der Cauſalitaͤt hat,
ſo widerſpricht es dem Geſetze der Cauſalitaͤt,
nach welchem allein Einheit der Erfahrung und Erfahrung
uͤberhaupt moͤglich iſt; — d. h. die Annahme der Frey-
heit, die der Antitheſis entgegen iſt, kann darum nicht
gemacht werden, weil ſie der Antitheſis widerſpricht.

Dem
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0260" n="242"/>
            <fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">II.</hi><hi rendition="#g">Ab&#x017F;chnitt. Objectivita&#x0364;t</hi>.</fw><lb/>
            <p>Der Beweis geht wie bey den u&#x0364;brigen Antino-<lb/>
mieen er&#x017F;tens apogogi&#x017F;ch zu Werke, es wird das Gegen-<lb/>
theil jeder The&#x017F;is angenommen; zweytens um das Wi-<lb/>
der&#x017F;prechende die&#x017F;er Annahme zu zeigen, wird umgekehrt<lb/>
das Gegentheil der&#x017F;elben, das i&#x017F;t &#x017F;omit, der zu bewei&#x017F;ende<lb/>
Satz angenommen, und als geltend vorausge&#x017F;etzt; &#x2014;<lb/>
der ganze Umweg des Bewei&#x017F;ens konnte daher er&#x017F;part<lb/>
werden; es be&#x017F;teht in nichts als der a&#x017F;&#x017F;ertori&#x017F;chen Be-<lb/>
hauptung der beyden gegenu&#x0364;ber&#x017F;tehenden Sa&#x0364;tze.</p><lb/>
            <p>Zum Bewei&#x017F;e der <hi rendition="#g">The&#x017F;is</hi> &#x017F;oll nemlich zuer&#x017F;t an-<lb/>
genommen werden: es gebe <hi rendition="#g">keine andere Cau&#x017F;ali-<lb/>
ta&#x0364;t</hi>, als nach <hi rendition="#g">Ge&#x017F;etzen der Natur</hi>, d. i. nach der<lb/>
Nothwendigkeit des Mechanismus u&#x0364;berhaupt, den Che-<lb/>
mismus mit einge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en. Die&#x017F;er Satz wider&#x017F;preche<lb/>
&#x017F;ich aber darum, weil das Ge&#x017F;etz der Natur gerade<lb/>
darin be&#x017F;tehe, daß <hi rendition="#g">ohne hinreichend <hi rendition="#aq">à priori</hi><lb/>
be&#x017F;timmte Ur&#x017F;ache</hi>, welche &#x017F;omit eine ab&#x017F;olute Spon-<lb/>
taneita&#x0364;t in &#x017F;ich enthalte, nichts ge&#x017F;chehe; &#x2014; d. h. die<lb/>
der The&#x017F;is entgegenge&#x017F;etzte Annahme i&#x017F;t darum wider-<lb/>
&#x017F;prechend, weil &#x017F;ie der The&#x017F;is wider&#x017F;pricht.</p><lb/>
            <p>Zum Behuffe des Bewei&#x017F;es <hi rendition="#g">der Antithe&#x017F;is<lb/>
&#x017F;olle</hi> man &#x017F;etzen: es gebe eine <hi rendition="#g">Freyheit</hi> als eine<lb/>
be&#x017F;ondere Art von Cau&#x017F;alita&#x0364;t, einen Zu&#x017F;tand, mithin auch<lb/>
eine Reihe von Folgen de&#x017F;&#x017F;elben &#x017F;chlechthin anzufangen.<lb/>
Da nun aber ein &#x017F;olches Anfangen einen Zu&#x017F;tand <hi rendition="#g">vor-<lb/>
aus&#x017F;etzt</hi>, der mit dem vorhergehenden der&#x017F;elben gar<lb/><hi rendition="#g">keinen Zu&#x017F;ammenhang der Cau&#x017F;alita&#x0364;t</hi> hat,<lb/>
&#x017F;o wider&#x017F;pricht es <hi rendition="#g">dem Ge&#x017F;etze der Cau&#x017F;alita&#x0364;t</hi>,<lb/>
nach welchem allein Einheit der Erfahrung und Erfahrung<lb/>
u&#x0364;berhaupt mo&#x0364;glich i&#x017F;t; &#x2014; d. h. die Annahme der Frey-<lb/>
heit, die der Antithe&#x017F;is entgegen i&#x017F;t, kann darum nicht<lb/>
gemacht werden, weil &#x017F;ie der Antithe&#x017F;is wider&#x017F;pricht.</p><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Dem</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[242/0260] II. Abſchnitt. Objectivitaͤt. Der Beweis geht wie bey den uͤbrigen Antino- mieen erſtens apogogiſch zu Werke, es wird das Gegen- theil jeder Theſis angenommen; zweytens um das Wi- derſprechende dieſer Annahme zu zeigen, wird umgekehrt das Gegentheil derſelben, das iſt ſomit, der zu beweiſende Satz angenommen, und als geltend vorausgeſetzt; — der ganze Umweg des Beweiſens konnte daher erſpart werden; es beſteht in nichts als der aſſertoriſchen Be- hauptung der beyden gegenuͤberſtehenden Saͤtze. Zum Beweiſe der Theſis ſoll nemlich zuerſt an- genommen werden: es gebe keine andere Cauſali- taͤt, als nach Geſetzen der Natur, d. i. nach der Nothwendigkeit des Mechanismus uͤberhaupt, den Che- mismus mit eingeſchloſſen. Dieſer Satz widerſpreche ſich aber darum, weil das Geſetz der Natur gerade darin beſtehe, daß ohne hinreichend à priori beſtimmte Urſache, welche ſomit eine abſolute Spon- taneitaͤt in ſich enthalte, nichts geſchehe; — d. h. die der Theſis entgegengeſetzte Annahme iſt darum wider- ſprechend, weil ſie der Theſis widerſpricht. Zum Behuffe des Beweiſes der Antitheſis ſolle man ſetzen: es gebe eine Freyheit als eine beſondere Art von Cauſalitaͤt, einen Zuſtand, mithin auch eine Reihe von Folgen deſſelben ſchlechthin anzufangen. Da nun aber ein ſolches Anfangen einen Zuſtand vor- ausſetzt, der mit dem vorhergehenden derſelben gar keinen Zuſammenhang der Cauſalitaͤt hat, ſo widerſpricht es dem Geſetze der Cauſalitaͤt, nach welchem allein Einheit der Erfahrung und Erfahrung uͤberhaupt moͤglich iſt; — d. h. die Annahme der Frey- heit, die der Antitheſis entgegen iſt, kann darum nicht gemacht werden, weil ſie der Antitheſis widerſpricht. Dem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik02_1816
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik02_1816/260
Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 2. Nürnberg, 1816, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik02_1816/260>, abgerufen am 27.11.2024.