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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 2. Nürnberg, 1816.

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im Allgemeinen.
vielmehr auf ihrem Wege nothwendig darauf ver-
setzt, und insofern ist das System vollkommen
wahr. -- Aber es ist nicht der höchste Stand-
punkt
. Allein insofern kann das System nicht als
falsch, als der Widerlegung bedürftig und fähig
angesehen werden; sondern nur diß daran ist als das
falsche zu betrachten, daß es der höchste Standpunkt
sey. Das wahre System kann daher auch nicht das
Verhältniß zu ihm haben, ihm nur entgegengesetzt
zu seyn; denn so wäre diß entgegengesetzte selbst ein
einseitiges. Vielmehr als das höhere muß es das un-
tergeordnete in sich enthalten.

Ferner muß die Widerlegung nicht von aussen kom-
men, d. h. nicht von Annahmen ausgehen, welche aus-
ser jenem Systeme liegen, denen es nicht entspricht.
Es braucht jene Annahmen nur nicht anzuerkennen;
der Mangel ist nur für den ein Mangel, welcher von
den auf sie gegründeten Bedürfnissen und Foderungen
ausgeht. Insofern ist gesagt worden, daß wer die Frey-
heit und Selbstständigkeit des selbstbewußten Subjects
nicht für sich als entschieden voraussetze, für den könne
keine Widerlegung des Spinozismus Statt finden.
Ohnehin ignorirt ein so hoher, und in sich schon so
reicher Standpunkt, als das Substantialitätsverhält-
niß, jene Annahme nicht, sondern enthält sie auch; eins
der Attribute der spinozistischen Substanz ist das Den-
ken
. Er versteht vielmehr die Bestimmungen, unter
welchen diese Annahmen ihm widerstreiten, aufzulösen
und in sich zu ziehen, so daß sie in dem selben aber
in den ihm angemessenen Modificationen erscheinen.
Der Nerv des äusserlichen Widerlegens beruht dann
allein darauf, die entgegengesetzten Formen jener An-
nahmen, z. B. das absolute Selbstbestehen des denken-
den Individuums gegen die Form des Denkens, wie es

in

im Allgemeinen.
vielmehr auf ihrem Wege nothwendig darauf ver-
ſetzt, und inſofern iſt das Syſtem vollkommen
wahr. — Aber es iſt nicht der hoͤchſte Stand-
punkt
. Allein inſofern kann das Syſtem nicht als
falſch, als der Widerlegung beduͤrftig und faͤhig
angeſehen werden; ſondern nur diß daran iſt als das
falſche zu betrachten, daß es der hoͤchſte Standpunkt
ſey. Das wahre Syſtem kann daher auch nicht das
Verhaͤltniß zu ihm haben, ihm nur entgegengeſetzt
zu ſeyn; denn ſo waͤre diß entgegengeſetzte ſelbſt ein
einſeitiges. Vielmehr als das hoͤhere muß es das un-
tergeordnete in ſich enthalten.

Ferner muß die Widerlegung nicht von auſſen kom-
men, d. h. nicht von Annahmen ausgehen, welche auſ-
ſer jenem Syſteme liegen, denen es nicht entſpricht.
Es braucht jene Annahmen nur nicht anzuerkennen;
der Mangel iſt nur fuͤr den ein Mangel, welcher von
den auf ſie gegruͤndeten Beduͤrfniſſen und Foderungen
ausgeht. Inſofern iſt geſagt worden, daß wer die Frey-
heit und Selbſtſtaͤndigkeit des ſelbſtbewußten Subjects
nicht fuͤr ſich als entſchieden vorausſetze, fuͤr den koͤnne
keine Widerlegung des Spinozismus Statt finden.
Ohnehin ignorirt ein ſo hoher, und in ſich ſchon ſo
reicher Standpunkt, als das Subſtantialitaͤtsverhaͤlt-
niß, jene Annahme nicht, ſondern enthaͤlt ſie auch; eins
der Attribute der ſpinoziſtiſchen Subſtanz iſt das Den-
ken
. Er verſteht vielmehr die Beſtimmungen, unter
welchen dieſe Annahmen ihm widerſtreiten, aufzuloͤſen
und in ſich zu ziehen, ſo daß ſie in dem ſelben aber
in den ihm angemeſſenen Modificationen erſcheinen.
Der Nerv des aͤuſſerlichen Widerlegens beruht dann
allein darauf, die entgegengeſetzten Formen jener An-
nahmen, z. B. das abſolute Selbſtbeſtehen des denken-
den Individuums gegen die Form des Denkens, wie es

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[7/0025] im Allgemeinen. vielmehr auf ihrem Wege nothwendig darauf ver- ſetzt, und inſofern iſt das Syſtem vollkommen wahr. — Aber es iſt nicht der hoͤchſte Stand- punkt. Allein inſofern kann das Syſtem nicht als falſch, als der Widerlegung beduͤrftig und faͤhig angeſehen werden; ſondern nur diß daran iſt als das falſche zu betrachten, daß es der hoͤchſte Standpunkt ſey. Das wahre Syſtem kann daher auch nicht das Verhaͤltniß zu ihm haben, ihm nur entgegengeſetzt zu ſeyn; denn ſo waͤre diß entgegengeſetzte ſelbſt ein einſeitiges. Vielmehr als das hoͤhere muß es das un- tergeordnete in ſich enthalten. Ferner muß die Widerlegung nicht von auſſen kom- men, d. h. nicht von Annahmen ausgehen, welche auſ- ſer jenem Syſteme liegen, denen es nicht entſpricht. Es braucht jene Annahmen nur nicht anzuerkennen; der Mangel iſt nur fuͤr den ein Mangel, welcher von den auf ſie gegruͤndeten Beduͤrfniſſen und Foderungen ausgeht. Inſofern iſt geſagt worden, daß wer die Frey- heit und Selbſtſtaͤndigkeit des ſelbſtbewußten Subjects nicht fuͤr ſich als entſchieden vorausſetze, fuͤr den koͤnne keine Widerlegung des Spinozismus Statt finden. Ohnehin ignorirt ein ſo hoher, und in ſich ſchon ſo reicher Standpunkt, als das Subſtantialitaͤtsverhaͤlt- niß, jene Annahme nicht, ſondern enthaͤlt ſie auch; eins der Attribute der ſpinoziſtiſchen Subſtanz iſt das Den- ken. Er verſteht vielmehr die Beſtimmungen, unter welchen dieſe Annahmen ihm widerſtreiten, aufzuloͤſen und in ſich zu ziehen, ſo daß ſie in dem ſelben aber in den ihm angemeſſenen Modificationen erſcheinen. Der Nerv des aͤuſſerlichen Widerlegens beruht dann allein darauf, die entgegengeſetzten Formen jener An- nahmen, z. B. das abſolute Selbſtbeſtehen des denken- den Individuums gegen die Form des Denkens, wie es in

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Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 2. Nürnberg, 1816, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik02_1816/25>, abgerufen am 20.04.2024.