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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 2. Nürnberg, 1816.

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III. Kapitel. Der Schluß.
nur ganz gehaltlose Resultate herausgebracht werden. --
Die gerechteste und wichtigste Seite der Ungunst, in
welche die Syllogistik verfallen, ist aber, daß sie eine
so weitläuffige begrifflose Beschäftigung mit einem
Gegenstande sind, dessen einziger Inhalt der Begriff
selbst ist. -- Die vielen syllogistischen Regeln erinnern
an das Verfahren der Rechenmeister, welche gleichfalls
eine Menge Regeln über die arithmetischen Operationen
geben, welche alle voraus setzen, daß man den Begriff
der Operation nicht habe. -- Aber die Zahlen sind ein
begriffloser Stoff, die Rechenoperation ist ein äusserliches
Zusammenfassen oder Trennen, ein mechanisches Verfah-
ren, wie denn Rechen-Maschinen erfunden worden sind,
welche diese Operationen vollbringen; das härteste und
grellste dagegen ist, wenn die Formbestimmungen des
Schlusses, welche Begriffe sind, als ein begriffloser
Stoff behandelt werden.

Das Aeusserste von diesem begrifflosen Nehmen der
Begriffsbestimmungen des Schlusses, ist wohl, daß Leibnitz
(Opp. Tom. II. P. I.) den Schluß dem combinatori-
schen Calcul unterworfen, und durch denselben berechnet
hat, wie viele Stellungen des Schlusses möglich sind; --
mit Rücksicht nemlich auf die Unterschiede von positiven
und negativen, dann von allgemeinen, particulären,
unbestimmten und singulären Urtheilen; es finden sich
solcher Verbindungen 2048 möglich, wovon nach Aus-
schliessung der unbrauchbaren 24 brauchbare Figuren
übrig bleiben. -- Leibnitz macht sehr viel von der Nütz-
lichkeit der combinatorischen Analysis, um nicht nur die
Formen des Schlusses, sondern auch die Verbindungen
von andern Begriffen zu finden. Die Operation, wo-
durch diß gefunden wird, ist dieselbe, wodurch berechnet
wird, wie viele Verbindungen von Buchstaben ein Alpha-
bet zuläßt, wie vielerley Würfe in einem Würfelspiel,

Spie-
L 2

III. Kapitel. Der Schluß.
nur ganz gehaltloſe Reſultate herausgebracht werden. —
Die gerechteſte und wichtigſte Seite der Ungunſt, in
welche die Syllogiſtik verfallen, iſt aber, daß ſie eine
ſo weitlaͤuffige begriffloſe Beſchaͤftigung mit einem
Gegenſtande ſind, deſſen einziger Inhalt der Begriff
ſelbſt iſt. — Die vielen ſyllogiſtiſchen Regeln erinnern
an das Verfahren der Rechenmeiſter, welche gleichfalls
eine Menge Regeln uͤber die arithmetiſchen Operationen
geben, welche alle voraus ſetzen, daß man den Begriff
der Operation nicht habe. — Aber die Zahlen ſind ein
begriffloſer Stoff, die Rechenoperation iſt ein aͤuſſerliches
Zuſammenfaſſen oder Trennen, ein mechaniſches Verfah-
ren, wie denn Rechen-Maſchinen erfunden worden ſind,
welche dieſe Operationen vollbringen; das haͤrteſte und
grellſte dagegen iſt, wenn die Formbeſtimmungen des
Schluſſes, welche Begriffe ſind, als ein begriffloſer
Stoff behandelt werden.

Das Aeuſſerſte von dieſem begriffloſen Nehmen der
Begriffsbeſtimmungen des Schluſſes, iſt wohl, daß Leibnitz
(Opp. Tom. II. P. I.) den Schluß dem combinatori-
ſchen Calcul unterworfen, und durch denſelben berechnet
hat, wie viele Stellungen des Schluſſes moͤglich ſind; —
mit Ruͤckſicht nemlich auf die Unterſchiede von poſitiven
und negativen, dann von allgemeinen, particulaͤren,
unbeſtimmten und ſingulaͤren Urtheilen; es finden ſich
ſolcher Verbindungen 2048 moͤglich, wovon nach Aus-
ſchlieſſung der unbrauchbaren 24 brauchbare Figuren
uͤbrig bleiben. — Leibnitz macht ſehr viel von der Nuͤtz-
lichkeit der combinatoriſchen Analyſis, um nicht nur die
Formen des Schluſſes, ſondern auch die Verbindungen
von andern Begriffen zu finden. Die Operation, wo-
durch diß gefunden wird, iſt dieſelbe, wodurch berechnet
wird, wie viele Verbindungen von Buchſtaben ein Alpha-
bet zulaͤßt, wie vielerley Wuͤrfe in einem Wuͤrfelſpiel,

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[163/0181] III. Kapitel. Der Schluß. nur ganz gehaltloſe Reſultate herausgebracht werden. — Die gerechteſte und wichtigſte Seite der Ungunſt, in welche die Syllogiſtik verfallen, iſt aber, daß ſie eine ſo weitlaͤuffige begriffloſe Beſchaͤftigung mit einem Gegenſtande ſind, deſſen einziger Inhalt der Begriff ſelbſt iſt. — Die vielen ſyllogiſtiſchen Regeln erinnern an das Verfahren der Rechenmeiſter, welche gleichfalls eine Menge Regeln uͤber die arithmetiſchen Operationen geben, welche alle voraus ſetzen, daß man den Begriff der Operation nicht habe. — Aber die Zahlen ſind ein begriffloſer Stoff, die Rechenoperation iſt ein aͤuſſerliches Zuſammenfaſſen oder Trennen, ein mechaniſches Verfah- ren, wie denn Rechen-Maſchinen erfunden worden ſind, welche dieſe Operationen vollbringen; das haͤrteſte und grellſte dagegen iſt, wenn die Formbeſtimmungen des Schluſſes, welche Begriffe ſind, als ein begriffloſer Stoff behandelt werden. Das Aeuſſerſte von dieſem begriffloſen Nehmen der Begriffsbeſtimmungen des Schluſſes, iſt wohl, daß Leibnitz (Opp. Tom. II. P. I.) den Schluß dem combinatori- ſchen Calcul unterworfen, und durch denſelben berechnet hat, wie viele Stellungen des Schluſſes moͤglich ſind; — mit Ruͤckſicht nemlich auf die Unterſchiede von poſitiven und negativen, dann von allgemeinen, particulaͤren, unbeſtimmten und ſingulaͤren Urtheilen; es finden ſich ſolcher Verbindungen 2048 moͤglich, wovon nach Aus- ſchlieſſung der unbrauchbaren 24 brauchbare Figuren uͤbrig bleiben. — Leibnitz macht ſehr viel von der Nuͤtz- lichkeit der combinatoriſchen Analyſis, um nicht nur die Formen des Schluſſes, ſondern auch die Verbindungen von andern Begriffen zu finden. Die Operation, wo- durch diß gefunden wird, iſt dieſelbe, wodurch berechnet wird, wie viele Verbindungen von Buchſtaben ein Alpha- bet zulaͤßt, wie vielerley Wuͤrfe in einem Wuͤrfelſpiel, Spie- L 2

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Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 2. Nürnberg, 1816, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik02_1816/181>, abgerufen am 24.11.2024.