Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 2. Nürnberg, 1816.

Bild:
<< vorherige Seite

I. Abschnitt. Subjectivität.
wähnt. Es ist überhaupt eine bloß subjective Reflexion,
welche die Beziehung der Terminorum in abgesonderte
Prämissen und einen davon verschiedenen Schlußsatz
trennt:
Alle Menschen sind sterblich,
Cajus ist ein Mensch
Also ist er sterblich.

Man wird sogleich von Langeweile befallen, wenn
man einen solchen Schluß heranziehen hört; -- diß rührt
von jener unnützen Form her, die einen Schein von
Verschiedenheit durch die abgesonderten Sätze gibt, der
sich in der Sache selbst sogleich auflöst. Das Schlies-
sen erscheint, vornemlich durch diese subjective Gestal-
tung als ein subjectiver Nothbehelf, zu dem die Ver-
nunft oder der Verstand da ihre Zuflucht nehme, wo sie
nicht unmittelbar erkennen könne. -- Die Natur der
Dinge, das Vernünftige, geht allerdings nicht so zu
Werke, daß sich zuerst ein Obersatz aufstellte, die Bezie-
hung einer Besonderheit auf ein bestehendes Allgemeines,
und dann sich zweytens eine abgesonderte Beziehung einer
Einzelnheit auf die Besonderheit vorfände, woraus end-
lich drittens ein neuer Satz zu Tage käme. -- Diß durch
abgesonderte Sätze fortschreitende Schliessen ist nichts
als eine subjective Form; die Natur der Sache ist, daß
die unterschiedenen Begriffsbestimmungen der Sache in
der wesentlichen Einheit vereinigt sind. Diese Ver-
nünftigkeit ist nicht ein Nothbehelf, vielmehr ist sie gegen
die Unmittelbarkeit der Beziehung, die im Ur-
theil
noch Statt findet, das Objective, und jene
Unmittelbarkeit des Erkennens ist vielmehr das bloß
Subjective, der Schluß dagegen ist die Wahrheit des
Urtheils. -- Alle Dinge sind der Schluß, ein Allge-
meines, das durch die Besonderheit mit der Einzelnheit
zusammengeschlossen ist; aber freylich sind sie nicht aus
drey Sätzen bestehende Ganzes.

2. In

I. Abſchnitt. Subjectivitaͤt.
waͤhnt. Es iſt uͤberhaupt eine bloß ſubjective Reflexion,
welche die Beziehung der Terminorum in abgeſonderte
Praͤmiſſen und einen davon verſchiedenen Schlußſatz
trennt:
Alle Menſchen ſind ſterblich,
Cajus iſt ein Menſch
Alſo iſt er ſterblich.

Man wird ſogleich von Langeweile befallen, wenn
man einen ſolchen Schluß heranziehen hoͤrt; — diß ruͤhrt
von jener unnuͤtzen Form her, die einen Schein von
Verſchiedenheit durch die abgeſonderten Saͤtze gibt, der
ſich in der Sache ſelbſt ſogleich aufloͤſt. Das Schlieſ-
ſen erſcheint, vornemlich durch dieſe ſubjective Geſtal-
tung als ein ſubjectiver Nothbehelf, zu dem die Ver-
nunft oder der Verſtand da ihre Zuflucht nehme, wo ſie
nicht unmittelbar erkennen koͤnne. — Die Natur der
Dinge, das Vernuͤnftige, geht allerdings nicht ſo zu
Werke, daß ſich zuerſt ein Oberſatz aufſtellte, die Bezie-
hung einer Beſonderheit auf ein beſtehendes Allgemeines,
und dann ſich zweytens eine abgeſonderte Beziehung einer
Einzelnheit auf die Beſonderheit vorfaͤnde, woraus end-
lich drittens ein neuer Satz zu Tage kaͤme. — Diß durch
abgeſonderte Saͤtze fortſchreitende Schlieſſen iſt nichts
als eine ſubjective Form; die Natur der Sache iſt, daß
die unterſchiedenen Begriffsbeſtimmungen der Sache in
der weſentlichen Einheit vereinigt ſind. Dieſe Ver-
nuͤnftigkeit iſt nicht ein Nothbehelf, vielmehr iſt ſie gegen
die Unmittelbarkeit der Beziehung, die im Ur-
theil
noch Statt findet, das Objective, und jene
Unmittelbarkeit des Erkennens iſt vielmehr das bloß
Subjective, der Schluß dagegen iſt die Wahrheit des
Urtheils. — Alle Dinge ſind der Schluß, ein Allge-
meines, das durch die Beſonderheit mit der Einzelnheit
zuſammengeſchloſſen iſt; aber freylich ſind ſie nicht aus
drey Saͤtzen beſtehende Ganzes.

2. In
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0158" n="140"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">I.</hi><hi rendition="#g">Ab&#x017F;chnitt. Subjectivita&#x0364;t</hi>.</fw><lb/>
wa&#x0364;hnt. Es i&#x017F;t u&#x0364;berhaupt eine bloß &#x017F;ubjective Reflexion,<lb/>
welche die Beziehung der Terminorum in abge&#x017F;onderte<lb/>
Pra&#x0364;mi&#x017F;&#x017F;en und einen davon ver&#x017F;chiedenen Schluß&#x017F;atz<lb/>
trennt:<lb/><hi rendition="#et">Alle Men&#x017F;chen &#x017F;ind &#x017F;terblich,<lb/>
Cajus i&#x017F;t ein Men&#x017F;ch<lb/>
Al&#x017F;o i&#x017F;t er &#x017F;terblich.</hi><lb/>
Man wird &#x017F;ogleich von Langeweile befallen, wenn<lb/>
man einen &#x017F;olchen Schluß heranziehen ho&#x0364;rt; &#x2014; diß ru&#x0364;hrt<lb/>
von jener unnu&#x0364;tzen Form her, die einen Schein von<lb/>
Ver&#x017F;chiedenheit durch die abge&#x017F;onderten Sa&#x0364;tze gibt, der<lb/>
&#x017F;ich in der Sache &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;ogleich auflo&#x0364;&#x017F;t. Das Schlie&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en er&#x017F;cheint, vornemlich durch die&#x017F;e &#x017F;ubjective Ge&#x017F;tal-<lb/>
tung als ein &#x017F;ubjectiver <hi rendition="#g">Nothbehelf</hi>, zu dem die Ver-<lb/>
nunft oder der Ver&#x017F;tand da ihre Zuflucht nehme, wo &#x017F;ie<lb/>
nicht <hi rendition="#g">unmittelbar</hi> erkennen ko&#x0364;nne. &#x2014; Die Natur der<lb/>
Dinge, das Vernu&#x0364;nftige, geht allerdings nicht &#x017F;o zu<lb/>
Werke, daß &#x017F;ich zuer&#x017F;t ein Ober&#x017F;atz auf&#x017F;tellte, die Bezie-<lb/>
hung einer Be&#x017F;onderheit auf ein be&#x017F;tehendes Allgemeines,<lb/>
und dann &#x017F;ich zweytens eine abge&#x017F;onderte Beziehung einer<lb/>
Einzelnheit auf die Be&#x017F;onderheit vorfa&#x0364;nde, woraus end-<lb/>
lich drittens ein neuer Satz zu Tage ka&#x0364;me. &#x2014; Diß durch<lb/>
abge&#x017F;onderte Sa&#x0364;tze fort&#x017F;chreitende Schlie&#x017F;&#x017F;en i&#x017F;t nichts<lb/>
als eine &#x017F;ubjective Form; die Natur der Sache i&#x017F;t, daß<lb/>
die unter&#x017F;chiedenen Begriffsbe&#x017F;timmungen der Sache in<lb/>
der we&#x017F;entlichen Einheit vereinigt &#x017F;ind. Die&#x017F;e Ver-<lb/>
nu&#x0364;nftigkeit i&#x017F;t nicht ein Nothbehelf, vielmehr i&#x017F;t &#x017F;ie gegen<lb/>
die <hi rendition="#g">Unmittelbarkeit</hi> der Beziehung, die im <hi rendition="#g">Ur-<lb/>
theil</hi> noch Statt findet, das <hi rendition="#g">Objective</hi>, und jene<lb/>
Unmittelbarkeit des Erkennens i&#x017F;t vielmehr das bloß<lb/>
Subjective, der Schluß dagegen i&#x017F;t die Wahrheit des<lb/>
Urtheils. &#x2014; Alle Dinge &#x017F;ind der <hi rendition="#g">Schluß</hi>, ein Allge-<lb/>
meines, das durch die Be&#x017F;onderheit mit der Einzelnheit<lb/>
zu&#x017F;ammenge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en i&#x017F;t; aber freylich &#x017F;ind &#x017F;ie nicht aus<lb/><hi rendition="#g">drey Sa&#x0364;tzen</hi> be&#x017F;tehende Ganzes.</p><lb/>
                <fw place="bottom" type="catch">2. In</fw><lb/>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[140/0158] I. Abſchnitt. Subjectivitaͤt. waͤhnt. Es iſt uͤberhaupt eine bloß ſubjective Reflexion, welche die Beziehung der Terminorum in abgeſonderte Praͤmiſſen und einen davon verſchiedenen Schlußſatz trennt: Alle Menſchen ſind ſterblich, Cajus iſt ein Menſch Alſo iſt er ſterblich. Man wird ſogleich von Langeweile befallen, wenn man einen ſolchen Schluß heranziehen hoͤrt; — diß ruͤhrt von jener unnuͤtzen Form her, die einen Schein von Verſchiedenheit durch die abgeſonderten Saͤtze gibt, der ſich in der Sache ſelbſt ſogleich aufloͤſt. Das Schlieſ- ſen erſcheint, vornemlich durch dieſe ſubjective Geſtal- tung als ein ſubjectiver Nothbehelf, zu dem die Ver- nunft oder der Verſtand da ihre Zuflucht nehme, wo ſie nicht unmittelbar erkennen koͤnne. — Die Natur der Dinge, das Vernuͤnftige, geht allerdings nicht ſo zu Werke, daß ſich zuerſt ein Oberſatz aufſtellte, die Bezie- hung einer Beſonderheit auf ein beſtehendes Allgemeines, und dann ſich zweytens eine abgeſonderte Beziehung einer Einzelnheit auf die Beſonderheit vorfaͤnde, woraus end- lich drittens ein neuer Satz zu Tage kaͤme. — Diß durch abgeſonderte Saͤtze fortſchreitende Schlieſſen iſt nichts als eine ſubjective Form; die Natur der Sache iſt, daß die unterſchiedenen Begriffsbeſtimmungen der Sache in der weſentlichen Einheit vereinigt ſind. Dieſe Ver- nuͤnftigkeit iſt nicht ein Nothbehelf, vielmehr iſt ſie gegen die Unmittelbarkeit der Beziehung, die im Ur- theil noch Statt findet, das Objective, und jene Unmittelbarkeit des Erkennens iſt vielmehr das bloß Subjective, der Schluß dagegen iſt die Wahrheit des Urtheils. — Alle Dinge ſind der Schluß, ein Allge- meines, das durch die Beſonderheit mit der Einzelnheit zuſammengeſchloſſen iſt; aber freylich ſind ſie nicht aus drey Saͤtzen beſtehende Ganzes. 2. In

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik02_1816
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik02_1816/158
Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 2. Nürnberg, 1816, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik02_1816/158>, abgerufen am 22.11.2024.