von dem sie behauptet werden, vorkommen und darin vorgefunden werden können. Diese Verwechslung bringt statt unmittelbarer Klarheit vielmehr nur eine um so grellere Verwirrung und gänzliche Desorientirung hervor.
Das reine Wissen benimmt dem Ich seine be- schränkte Bedeutung, an einem Objecte seinen unüber- windlichen Gegensatz zu haben; aus diesem Grunde wä- re es wenigstens überflüssig, noch diese subjective Hal- tung und die Bestimmung des reinen Wesens als Ich, beyzubehalten. Aber diese Bestimmung führt nicht nur jene störende Zweydeutigkeit mit sich, sondern bleibt auch näher betrachtet, ein subjectives Ich. Die wirk- liche Entwicklung der Wissenschaft, die vom Ich ausgeht, zeigt es, daß das Object darin die perennirende Bestim- mung eines Andern für das Ich hat und behält, daß also das Ich, von dem ausgegangen wird, nicht das reine Wissen, das den Gegensatz des Bewußtseyns in Wahr- heit überwunden hat, somit noch in der Erscheinung, und nicht das Element des Anundfürsich-Seyns ist.
Wenn aber auch Ich in der That das reine Wis- sen, oder wenn die intellektuelle Anschauung in der That der Anfang wäre, so ist es in der Wissenschaft nicht um das zu thun, was innerlich vorhanden sey, sondern um das Daseyn des Innerlichen im Wissen. Was aber von der intellektuellen Anschauung -- oder wenn ihr Gegenstand das Ewige, das Göttliche, das Absolute genannt wird, -- was vom Ewigen oder Ab- soluten im Anfange der Wissenschaft da ist, diß ist nichts anderes, als eine erste, unmittelbare, einfache Bestim- mung. Welcher reicherer Name ihm gegenüber werde, als das bloße Seyn ausdrückt, so kann es nur in Be- tracht kommen, wie es in das Wissen und in das Aus- sprechen des Wissens eintritt. Die intellektuelle An- schauung ist selbst die gewaltsame Zurückweisung des
Ver-
Das Seyn.
von dem ſie behauptet werden, vorkommen und darin vorgefunden werden koͤnnen. Dieſe Verwechslung bringt ſtatt unmittelbarer Klarheit vielmehr nur eine um ſo grellere Verwirrung und gaͤnzliche Desorientirung hervor.
Das reine Wiſſen benimmt dem Ich ſeine be- ſchraͤnkte Bedeutung, an einem Objecte ſeinen unuͤber- windlichen Gegenſatz zu haben; aus dieſem Grunde waͤ- re es wenigſtens uͤberfluͤſſig, noch dieſe ſubjective Hal- tung und die Beſtimmung des reinen Weſens als Ich, beyzubehalten. Aber dieſe Beſtimmung fuͤhrt nicht nur jene ſtoͤrende Zweydeutigkeit mit ſich, ſondern bleibt auch naͤher betrachtet, ein ſubjectives Ich. Die wirk- liche Entwicklung der Wiſſenſchaft, die vom Ich ausgeht, zeigt es, daß das Object darin die perennirende Beſtim- mung eines Andern fuͤr das Ich hat und behaͤlt, daß alſo das Ich, von dem ausgegangen wird, nicht das reine Wiſſen, das den Gegenſatz des Bewußtſeyns in Wahr- heit uͤberwunden hat, ſomit noch in der Erſcheinung, und nicht das Element des Anundfuͤrſich-Seyns iſt.
Wenn aber auch Ich in der That das reine Wiſ- ſen, oder wenn die intellektuelle Anſchauung in der That der Anfang waͤre, ſo iſt es in der Wiſſenſchaft nicht um das zu thun, was innerlich vorhanden ſey, ſondern um das Daſeyn des Innerlichen im Wiſſen. Was aber von der intellektuellen Anſchauung — oder wenn ihr Gegenſtand das Ewige, das Goͤttliche, das Abſolute genannt wird, — was vom Ewigen oder Ab- ſoluten im Anfange der Wiſſenſchaft da iſt, diß iſt nichts anderes, als eine erſte, unmittelbare, einfache Beſtim- mung. Welcher reicherer Name ihm gegenuͤber werde, als das bloße Seyn ausdruͤckt, ſo kann es nur in Be- tracht kommen, wie es in das Wiſſen und in das Aus- ſprechen des Wiſſens eintritt. Die intellektuelle An- ſchauung iſt ſelbſt die gewaltſame Zuruͤckweiſung des
Ver-
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Das Seyn.
von dem ſie behauptet werden, vorkommen und darin
vorgefunden werden koͤnnen. Dieſe Verwechslung bringt
ſtatt unmittelbarer Klarheit vielmehr nur eine um ſo
grellere Verwirrung und gaͤnzliche Desorientirung hervor.
Das reine Wiſſen benimmt dem Ich ſeine be-
ſchraͤnkte Bedeutung, an einem Objecte ſeinen unuͤber-
windlichen Gegenſatz zu haben; aus dieſem Grunde waͤ-
re es wenigſtens uͤberfluͤſſig, noch dieſe ſubjective Hal-
tung und die Beſtimmung des reinen Weſens als Ich,
beyzubehalten. Aber dieſe Beſtimmung fuͤhrt nicht nur
jene ſtoͤrende Zweydeutigkeit mit ſich, ſondern bleibt
auch naͤher betrachtet, ein ſubjectives Ich. Die wirk-
liche Entwicklung der Wiſſenſchaft, die vom Ich ausgeht,
zeigt es, daß das Object darin die perennirende Beſtim-
mung eines Andern fuͤr das Ich hat und behaͤlt, daß alſo
das Ich, von dem ausgegangen wird, nicht das reine
Wiſſen, das den Gegenſatz des Bewußtſeyns in Wahr-
heit uͤberwunden hat, ſomit noch in der Erſcheinung, und
nicht das Element des Anundfuͤrſich-Seyns iſt.
Wenn aber auch Ich in der That das reine Wiſ-
ſen, oder wenn die intellektuelle Anſchauung in der That
der Anfang waͤre, ſo iſt es in der Wiſſenſchaft nicht um
das zu thun, was innerlich vorhanden ſey, ſondern
um das Daſeyn des Innerlichen im Wiſſen.
Was aber von der intellektuellen Anſchauung — oder
wenn ihr Gegenſtand das Ewige, das Goͤttliche, das
Abſolute genannt wird, — was vom Ewigen oder Ab-
ſoluten im Anfange der Wiſſenſchaft da iſt, diß iſt nichts
anderes, als eine erſte, unmittelbare, einfache Beſtim-
mung. Welcher reicherer Name ihm gegenuͤber werde,
als das bloße Seyn ausdruͤckt, ſo kann es nur in Be-
tracht kommen, wie es in das Wiſſen und in das Aus-
ſprechen des Wiſſens eintritt. Die intellektuelle An-
ſchauung iſt ſelbſt die gewaltſame Zuruͤckweiſung des
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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,1. Nürnberg, 1812, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0101_1812/65>, abgerufen am 25.07.2024.
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