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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,1. Nürnberg, 1812.

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Quantität.
Reihe jedoch, die sie haben, ist dieselbe schlechte Unend-
lichkeit, welche in der summirbaren Reihe ist.

Dieselbe hier am Bruch und an seiner Reihe bemerkte
Verkehrung findet Statt, insofern das mathemati-
sche
Unendliche, nemlich das wahrhafte, das relati-
ve
Unendliche, das gewöhnliche metaphysische dage-
gen das absolute Unendliche genannt worden ist. In
der That ist vielmehr das metaphysische nur das relative,
weil die Negation, die es ausdrückt, nur im Gegensatze
einer Grenze ist, die von ihm nicht aufgehoben wird;
das mathematische Unendliche hingegen hat die endliche
Grenze wahrhaft in sich aufgehoben, weil das Jenseits
derselben mit ihr vereinigt ist.

In dem Sinne, in welchem ich aufgezeigt habe,
daß die sogenannte Summe oder der endliche Ausdruck
einer unendlichen Reihe, vielmehr als der Unendliche
anzusehen ist, ist es vornemlich, daß Spinoza den
Begriff der wahren Unendlichkeit gegen den der schlechten
aufstellt, und durch Beyspiele erläutert. Sein Begriff
gewinnt am meisten Licht, indem ich das, was er hier-
über sagt, an diese Entwicklung anschließe.

Er definirt zunächst das Unendliche als die ab-
solute Affirmation
der Existeuz irgend einer Natur,
das Endliche im Gegentheil als Bestimmtheit als
Verneinung. Die absolute Affirmation einer Existenz ist
nemlich als ihre Beziehung auf sich selbst zu nehmen,
nicht dadurch zu seyn, daß ein Anderes ist; das End-
liche hingegen ist die Verneinung, ein Aufhören, inso-
fern ein Anderes ausser ihm anfängt. Die absolute Af-
firmation einer Existenz erschöpft nun zwar den Begriff
der Unendlichkeit nicht; dieser enthält, daß die Unend-
lichkeit Affirmation ist nicht als unmittelbare Affirmation,

sondern

Quantitaͤt.
Reihe jedoch, die ſie haben, iſt dieſelbe ſchlechte Unend-
lichkeit, welche in der ſummirbaren Reihe iſt.

Dieſelbe hier am Bruch und an ſeiner Reihe bemerkte
Verkehrung findet Statt, inſofern das mathemati-
ſche
Unendliche, nemlich das wahrhafte, das relati-
ve
Unendliche, das gewoͤhnliche metaphyſiſche dage-
gen das abſolute Unendliche genannt worden iſt. In
der That iſt vielmehr das metaphyſiſche nur das relative,
weil die Negation, die es ausdruͤckt, nur im Gegenſatze
einer Grenze iſt, die von ihm nicht aufgehoben wird;
das mathematiſche Unendliche hingegen hat die endliche
Grenze wahrhaft in ſich aufgehoben, weil das Jenſeits
derſelben mit ihr vereinigt iſt.

In dem Sinne, in welchem ich aufgezeigt habe,
daß die ſogenannte Summe oder der endliche Ausdruck
einer unendlichen Reihe, vielmehr als der Unendliche
anzuſehen iſt, iſt es vornemlich, daß Spinoza den
Begriff der wahren Unendlichkeit gegen den der ſchlechten
aufſtellt, und durch Beyſpiele erlaͤutert. Sein Begriff
gewinnt am meiſten Licht, indem ich das, was er hier-
uͤber ſagt, an dieſe Entwicklung anſchließe.

Er definirt zunaͤchſt das Unendliche als die ab-
ſolute Affirmation
der Exiſteuz irgend einer Natur,
das Endliche im Gegentheil als Beſtimmtheit als
Verneinung. Die abſolute Affirmation einer Exiſtenz iſt
nemlich als ihre Beziehung auf ſich ſelbſt zu nehmen,
nicht dadurch zu ſeyn, daß ein Anderes iſt; das End-
liche hingegen iſt die Verneinung, ein Aufhoͤren, inſo-
fern ein Anderes auſſer ihm anfaͤngt. Die abſolute Af-
firmation einer Exiſtenz erſchoͤpft nun zwar den Begriff
der Unendlichkeit nicht; dieſer enthaͤlt, daß die Unend-
lichkeit Affirmation iſt nicht als unmittelbare Affirmation,

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[219/0267] Quantitaͤt. Reihe jedoch, die ſie haben, iſt dieſelbe ſchlechte Unend- lichkeit, welche in der ſummirbaren Reihe iſt. Dieſelbe hier am Bruch und an ſeiner Reihe bemerkte Verkehrung findet Statt, inſofern das mathemati- ſche Unendliche, nemlich das wahrhafte, das relati- ve Unendliche, das gewoͤhnliche metaphyſiſche dage- gen das abſolute Unendliche genannt worden iſt. In der That iſt vielmehr das metaphyſiſche nur das relative, weil die Negation, die es ausdruͤckt, nur im Gegenſatze einer Grenze iſt, die von ihm nicht aufgehoben wird; das mathematiſche Unendliche hingegen hat die endliche Grenze wahrhaft in ſich aufgehoben, weil das Jenſeits derſelben mit ihr vereinigt iſt. In dem Sinne, in welchem ich aufgezeigt habe, daß die ſogenannte Summe oder der endliche Ausdruck einer unendlichen Reihe, vielmehr als der Unendliche anzuſehen iſt, iſt es vornemlich, daß Spinoza den Begriff der wahren Unendlichkeit gegen den der ſchlechten aufſtellt, und durch Beyſpiele erlaͤutert. Sein Begriff gewinnt am meiſten Licht, indem ich das, was er hier- uͤber ſagt, an dieſe Entwicklung anſchließe. Er definirt zunaͤchſt das Unendliche als die ab- ſolute Affirmation der Exiſteuz irgend einer Natur, das Endliche im Gegentheil als Beſtimmtheit als Verneinung. Die abſolute Affirmation einer Exiſtenz iſt nemlich als ihre Beziehung auf ſich ſelbſt zu nehmen, nicht dadurch zu ſeyn, daß ein Anderes iſt; das End- liche hingegen iſt die Verneinung, ein Aufhoͤren, inſo- fern ein Anderes auſſer ihm anfaͤngt. Die abſolute Af- firmation einer Exiſtenz erſchoͤpft nun zwar den Begriff der Unendlichkeit nicht; dieſer enthaͤlt, daß die Unend- lichkeit Affirmation iſt nicht als unmittelbare Affirmation, ſondern

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Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,1. Nürnberg, 1812, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0101_1812/267>, abgerufen am 17.05.2024.