wendet, sind. Die oben betrachtete Antinomie enthielt mehr den Gegensatz der qualitativen Endlichkeit und Un- endlichkeit. In einer andern, der ersten der vier kosmologischen Antinomien, ist es mehr die quantitative Grenze, die in ihrem Widerstreite betrachtet wird. Ich will die Untersuchung dieser Antinomie daher hier an- stellen.
Sie betrift nemlich die Begrenztheit oder Unbegrenztheit der Welt in Zeit und Raum. -- Es konnte eben so gut dieser Gegensatz auch in Rück- sicht auf Zeit und Raum selbst betrachtet werden, denn ob Zeit und Raum Verhältnisse der Dinge selbst, oder aber nur Formen der Anschauung sind, ändert nichts für das antinomische der Begrenztheit oder Unbegrenztheit.
Die nähere Auseinanderlegung dieser Antinomie wird gleichfalls zeigen, daß die beyden Sätze und eben so ihre Beweise, die wie bey der oben betrachteten apo- gogisch geführt sind, auf nichts, als auf die zwey einfa- chen, entgegengesetzten Behauptungen hinauslaufen: es ist eine Grenze, und es muß über die Grenze hinausgegangen werden.
Die Thesis ist:
"Die Welt hat einen Anfang in der "Zeit, und ist dem Raume nach auch in "Grenzen eingeschlossen."
Der eine Theil des Beweises, die Zeit be- treffend, nimmt das Gegentheil an,
"die Welt habe der Zeit nach keinen Anfang, so ist "bis zu jedem gegebenen Zeitpunkt eine Ewig- "keit abgelaufen, und mithin eine unendliche Reihe auf "einander folgenden Zustände der Dinge in der Welt ver-
"flos-
Quantitaͤt.
wendet, ſind. Die oben betrachtete Antinomie enthielt mehr den Gegenſatz der qualitativen Endlichkeit und Un- endlichkeit. In einer andern, der erſten der vier kosmologiſchen Antinomien, iſt es mehr die quantitative Grenze, die in ihrem Widerſtreite betrachtet wird. Ich will die Unterſuchung dieſer Antinomie daher hier an- ſtellen.
Sie betrift nemlich die Begrenztheit oder Unbegrenztheit der Welt in Zeit und Raum. — Es konnte eben ſo gut dieſer Gegenſatz auch in Ruͤck- ſicht auf Zeit und Raum ſelbſt betrachtet werden, denn ob Zeit und Raum Verhaͤltniſſe der Dinge ſelbſt, oder aber nur Formen der Anſchauung ſind, aͤndert nichts fuͤr das antinomiſche der Begrenztheit oder Unbegrenztheit.
Die naͤhere Auseinanderlegung dieſer Antinomie wird gleichfalls zeigen, daß die beyden Saͤtze und eben ſo ihre Beweiſe, die wie bey der oben betrachteten apo- gogiſch gefuͤhrt ſind, auf nichts, als auf die zwey einfa- chen, entgegengeſetzten Behauptungen hinauslaufen: es iſt eine Grenze, und es muß uͤber die Grenze hinausgegangen werden.
Die Theſis iſt:
„Die Welt hat einen Anfang in der „Zeit, und iſt dem Raume nach auch in „Grenzen eingeſchloſſen.“
Der eine Theil des Beweiſes, die Zeit be- treffend, nimmt das Gegentheil an,
„die Welt habe der Zeit nach keinen Anfang, ſo iſt „bis zu jedem gegebenen Zeitpunkt eine Ewig- „keit abgelaufen, und mithin eine unendliche Reihe auf „einander folgenden Zuſtaͤnde der Dinge in der Welt ver-
„floſ-
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Quantitaͤt.
wendet, ſind. Die oben betrachtete Antinomie enthielt
mehr den Gegenſatz der qualitativen Endlichkeit und Un-
endlichkeit. In einer andern, der erſten der vier
kosmologiſchen Antinomien, iſt es mehr die quantitative
Grenze, die in ihrem Widerſtreite betrachtet wird. Ich
will die Unterſuchung dieſer Antinomie daher hier an-
ſtellen.
Sie betrift nemlich die Begrenztheit oder
Unbegrenztheit der Welt in Zeit und Raum.
— Es konnte eben ſo gut dieſer Gegenſatz auch in Ruͤck-
ſicht auf Zeit und Raum ſelbſt betrachtet werden, denn
ob Zeit und Raum Verhaͤltniſſe der Dinge ſelbſt, oder
aber nur Formen der Anſchauung ſind, aͤndert nichts fuͤr
das antinomiſche der Begrenztheit oder Unbegrenztheit.
Die naͤhere Auseinanderlegung dieſer Antinomie
wird gleichfalls zeigen, daß die beyden Saͤtze und eben
ſo ihre Beweiſe, die wie bey der oben betrachteten apo-
gogiſch gefuͤhrt ſind, auf nichts, als auf die zwey einfa-
chen, entgegengeſetzten Behauptungen hinauslaufen: es
iſt eine Grenze, und es muß uͤber die Grenze
hinausgegangen werden.
Die Theſis iſt:
„Die Welt hat einen Anfang in der
„Zeit, und iſt dem Raume nach auch in
„Grenzen eingeſchloſſen.“
Der eine Theil des Beweiſes, die Zeit be-
treffend, nimmt das Gegentheil an,
„die Welt habe der Zeit nach keinen Anfang, ſo iſt
„bis zu jedem gegebenen Zeitpunkt eine Ewig-
„keit abgelaufen, und mithin eine unendliche Reihe auf
„einander folgenden Zuſtaͤnde der Dinge in der Welt ver-
„floſ-
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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,1. Nürnberg, 1812, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0101_1812/243>, abgerufen am 16.02.2025.
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