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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,1. Nürnberg, 1812.

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Quantität.
gewaltsamen Thätigkeit, sich in der Gedankenlosig-
keit
zu bewegen und das keiner Nothwendigkeit fähi-
ge zu verknüpfen. Denn der Gegenstand, die Zahl, ist
nur der Gedanke und der abstracte Gedanke der Aeusser-
lichkeit selbst. In jedem andern concreten Gegenstande
ist das Denken sich gleichfalls äusserlich, aber er ist zu-
gleich an ihm selbst ein innerlich verknüpftes und noth-
wendiges; es findet also in ihm wesentliche Beziehungen;
die Zahl dagegen hat das wesentlich Beziehungslose zum
Princip.

Um dieser reinen Aeusserlichkeit und eignen Bestim-
mungslosigkeit willen hat das Denken an der Zahl eine
unendliche bestimmbare Materie, die nicht Widerstand
durch eigenthümliche Beziehungen leistet. Sie ist zugleich
die Abstraction von aller sinnlichen Mannichfaltigkeit,
und hat vom Sinnlichen nichts als die abstracte Bestim-
mung der Aeusserlichkeit selbst behalten. Durch diese Ab-
straction liegt sie, so zu sagen, dem Gedanken am näch-
sten; sie ist nur der reine Gedanke seiner eignen
Entäusserung.

Der Geist, der sich über die sinnliche Welt erhebt,
und sein Wesen erkennt, indem er ein Element für seine
reine Vorstellung, für den Ausdruck seines
Wesens
sucht, kann daher darauf verfallen, ehe er
das Denken selbst als diß Element faßt, und für seine
Darstellung den rein geistigen Ausdruck gewinnt, die
Zahl, diese innerliche, abstracte Aeusserlichkeit zu wählen.
Daher sehen wir in der Geschichte der Wissenschaft, ehe
das Denken den Ausdruck fand, der nur den abstracten
Gedanken selbst enthält, die Zahl zum Ausdruck von
Philosophemen gebraucht werden. Sie macht die letzte
Stuffe der Unvollkommenheit dieses Ausdrucks aus, mit
ihr verläßt das Denken, das schon die sinnliche Vorstel-

lung
N

Quantitaͤt.
gewaltſamen Thaͤtigkeit, ſich in der Gedankenloſig-
keit
zu bewegen und das keiner Nothwendigkeit faͤhi-
ge zu verknuͤpfen. Denn der Gegenſtand, die Zahl, iſt
nur der Gedanke und der abſtracte Gedanke der Aeuſſer-
lichkeit ſelbſt. In jedem andern concreten Gegenſtande
iſt das Denken ſich gleichfalls aͤuſſerlich, aber er iſt zu-
gleich an ihm ſelbſt ein innerlich verknuͤpftes und noth-
wendiges; es findet alſo in ihm weſentliche Beziehungen;
die Zahl dagegen hat das weſentlich Beziehungsloſe zum
Princip.

Um dieſer reinen Aeuſſerlichkeit und eignen Beſtim-
mungsloſigkeit willen hat das Denken an der Zahl eine
unendliche beſtimmbare Materie, die nicht Widerſtand
durch eigenthuͤmliche Beziehungen leiſtet. Sie iſt zugleich
die Abſtraction von aller ſinnlichen Mannichfaltigkeit,
und hat vom Sinnlichen nichts als die abſtracte Beſtim-
mung der Aeuſſerlichkeit ſelbſt behalten. Durch dieſe Ab-
ſtraction liegt ſie, ſo zu ſagen, dem Gedanken am naͤch-
ſten; ſie iſt nur der reine Gedanke ſeiner eignen
Entaͤuſſerung.

Der Geiſt, der ſich uͤber die ſinnliche Welt erhebt,
und ſein Weſen erkennt, indem er ein Element fuͤr ſeine
reine Vorſtellung, fuͤr den Ausdruck ſeines
Weſens
ſucht, kann daher darauf verfallen, ehe er
das Denken ſelbſt als diß Element faßt, und fuͤr ſeine
Darſtellung den rein geiſtigen Ausdruck gewinnt, die
Zahl, dieſe innerliche, abſtracte Aeuſſerlichkeit zu waͤhlen.
Daher ſehen wir in der Geſchichte der Wiſſenſchaft, ehe
das Denken den Ausdruck fand, der nur den abſtracten
Gedanken ſelbſt enthaͤlt, die Zahl zum Ausdruck von
Philoſophemen gebraucht werden. Sie macht die letzte
Stuffe der Unvollkommenheit dieſes Ausdrucks aus, mit
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lung
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[165/0213] Quantitaͤt. gewaltſamen Thaͤtigkeit, ſich in der Gedankenloſig- keit zu bewegen und das keiner Nothwendigkeit faͤhi- ge zu verknuͤpfen. Denn der Gegenſtand, die Zahl, iſt nur der Gedanke und der abſtracte Gedanke der Aeuſſer- lichkeit ſelbſt. In jedem andern concreten Gegenſtande iſt das Denken ſich gleichfalls aͤuſſerlich, aber er iſt zu- gleich an ihm ſelbſt ein innerlich verknuͤpftes und noth- wendiges; es findet alſo in ihm weſentliche Beziehungen; die Zahl dagegen hat das weſentlich Beziehungsloſe zum Princip. Um dieſer reinen Aeuſſerlichkeit und eignen Beſtim- mungsloſigkeit willen hat das Denken an der Zahl eine unendliche beſtimmbare Materie, die nicht Widerſtand durch eigenthuͤmliche Beziehungen leiſtet. Sie iſt zugleich die Abſtraction von aller ſinnlichen Mannichfaltigkeit, und hat vom Sinnlichen nichts als die abſtracte Beſtim- mung der Aeuſſerlichkeit ſelbſt behalten. Durch dieſe Ab- ſtraction liegt ſie, ſo zu ſagen, dem Gedanken am naͤch- ſten; ſie iſt nur der reine Gedanke ſeiner eignen Entaͤuſſerung. Der Geiſt, der ſich uͤber die ſinnliche Welt erhebt, und ſein Weſen erkennt, indem er ein Element fuͤr ſeine reine Vorſtellung, fuͤr den Ausdruck ſeines Weſens ſucht, kann daher darauf verfallen, ehe er das Denken ſelbſt als diß Element faßt, und fuͤr ſeine Darſtellung den rein geiſtigen Ausdruck gewinnt, die Zahl, dieſe innerliche, abſtracte Aeuſſerlichkeit zu waͤhlen. Daher ſehen wir in der Geſchichte der Wiſſenſchaft, ehe das Denken den Ausdruck fand, der nur den abſtracten Gedanken ſelbſt enthaͤlt, die Zahl zum Ausdruck von Philoſophemen gebraucht werden. Sie macht die letzte Stuffe der Unvollkommenheit dieſes Ausdrucks aus, mit ihr verlaͤßt das Denken, das ſchon die ſinnliche Vorſtel- lung N

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Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,1. Nürnberg, 1812, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0101_1812/213>, abgerufen am 30.04.2024.