Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,1. Nürnberg, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

Vorrede.
sich mit fanatischer Feindseeligkeit gegen die ausgebrei-
tete Systematisirung des frühern Princips zu verhal-
ten; theils auch furchtsam zu seyn, sich in der Aus-
dehnung des Besondern zu verlieren, theils aber die
Arbeit zu scheuen, die zur wissenschaftlichen Ausbil-
dung erfordert wird, und im Bedürfnisse derselben zu-
erst zu einem leeren Formalismus zu greifen. Die
Anfoderung der Verarbeitung und Ausbildung des
Stoffes wird nun um so dringender. Es ist eine Pe-
riode in der Bildung einer Zeit, wie in der Bildung
des Individuums, wo es vornemlich um Erwerbung
und Behauptung des Princips in seiner unentwickel-
ten Intensität zu thun ist. Aber die höhere Fode-
rung geht darauf, daß es zur Wissenschaft werde.

Was nun auch für die Sache und für die Form
der Wissenschaft bereits in sonstiger Rücksicht geschehen
seyn mag; die logische Wissenschaft, welche die eigent-
liche Metaphysik oder reine speculative Philosophie aus-
macht, hat sich bisher noch sehr vernachlässigt gesehen.
Was ich unter dieser Wissenschaft und ihrem Stand-
punkte näher verstehe, habe ich in der Einleitung
vorläufig angegeben. Die Nothwendigkeit, mit dieser
Wissenschaft wieder einmal von vorne anzufangen, die
Natur des Gegenstandes selbst, und der Mangel an
Vorarbeiten, welche hätten benutzt werden können,
mögen bey billigen Beurtheilern in Rücksicht kommen,
wenn auch eine vieljährige Arbeit diesem Versuche
nicht eine größere Vollkommenheit geben konnte. --
Der wesentliche Gesichtspunkt ist, daß es überhaupt

um

Vorrede.
ſich mit fanatiſcher Feindſeeligkeit gegen die ausgebrei-
tete Syſtematiſirung des fruͤhern Princips zu verhal-
ten; theils auch furchtſam zu ſeyn, ſich in der Aus-
dehnung des Beſondern zu verlieren, theils aber die
Arbeit zu ſcheuen, die zur wiſſenſchaftlichen Ausbil-
dung erfordert wird, und im Beduͤrfniſſe derſelben zu-
erſt zu einem leeren Formalismus zu greifen. Die
Anfoderung der Verarbeitung und Ausbildung des
Stoffes wird nun um ſo dringender. Es iſt eine Pe-
riode in der Bildung einer Zeit, wie in der Bildung
des Individuums, wo es vornemlich um Erwerbung
und Behauptung des Princips in ſeiner unentwickel-
ten Intenſitaͤt zu thun iſt. Aber die hoͤhere Fode-
rung geht darauf, daß es zur Wiſſenſchaft werde.

Was nun auch fuͤr die Sache und fuͤr die Form
der Wiſſenſchaft bereits in ſonſtiger Ruͤckſicht geſchehen
ſeyn mag; die logiſche Wiſſenſchaft, welche die eigent-
liche Metaphyſik oder reine ſpeculative Philoſophie aus-
macht, hat ſich bisher noch ſehr vernachlaͤſſigt geſehen.
Was ich unter dieſer Wiſſenſchaft und ihrem Stand-
punkte naͤher verſtehe, habe ich in der Einleitung
vorlaͤufig angegeben. Die Nothwendigkeit, mit dieſer
Wiſſenſchaft wieder einmal von vorne anzufangen, die
Natur des Gegenſtandes ſelbſt, und der Mangel an
Vorarbeiten, welche haͤtten benutzt werden koͤnnen,
moͤgen bey billigen Beurtheilern in Ruͤckſicht kommen,
wenn auch eine vieljaͤhrige Arbeit dieſem Verſuche
nicht eine groͤßere Vollkommenheit geben konnte. —
Der weſentliche Geſichtspunkt iſt, daß es uͤberhaupt

um
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0013" n="VII"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Vorrede</hi>.</fw><lb/>
&#x017F;ich mit fanati&#x017F;cher Feind&#x017F;eeligkeit gegen die ausgebrei-<lb/>
tete Sy&#x017F;temati&#x017F;irung des fru&#x0364;hern Princips zu verhal-<lb/>
ten; theils auch furcht&#x017F;am zu &#x017F;eyn, &#x017F;ich in der Aus-<lb/>
dehnung des Be&#x017F;ondern zu verlieren, theils aber die<lb/>
Arbeit zu &#x017F;cheuen, die zur wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftlichen Ausbil-<lb/>
dung erfordert wird, und im Bedu&#x0364;rfni&#x017F;&#x017F;e der&#x017F;elben zu-<lb/>
er&#x017F;t zu einem leeren Formalismus zu greifen. Die<lb/>
Anfoderung der Verarbeitung und Ausbildung des<lb/>
Stoffes wird nun um &#x017F;o dringender. Es i&#x017F;t eine Pe-<lb/>
riode in der Bildung einer Zeit, wie in der Bildung<lb/>
des Individuums, wo es vornemlich um Erwerbung<lb/>
und Behauptung des Princips in &#x017F;einer unentwickel-<lb/>
ten Inten&#x017F;ita&#x0364;t zu thun i&#x017F;t. Aber die ho&#x0364;here Fode-<lb/>
rung geht darauf, daß es zur Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft werde.</p><lb/>
        <p>Was nun auch fu&#x0364;r die Sache und fu&#x0364;r die Form<lb/>
der Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft bereits in &#x017F;on&#x017F;tiger Ru&#x0364;ck&#x017F;icht ge&#x017F;chehen<lb/>
&#x017F;eyn mag; die logi&#x017F;che Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft, welche die eigent-<lb/>
liche Metaphy&#x017F;ik oder reine &#x017F;peculative Philo&#x017F;ophie aus-<lb/>
macht, hat &#x017F;ich bisher noch &#x017F;ehr vernachla&#x0364;&#x017F;&#x017F;igt ge&#x017F;ehen.<lb/>
Was ich unter die&#x017F;er Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft und ihrem Stand-<lb/>
punkte na&#x0364;her ver&#x017F;tehe, habe ich in der <hi rendition="#g">Einleitung</hi><lb/>
vorla&#x0364;ufig angegeben. Die Nothwendigkeit, mit die&#x017F;er<lb/>
Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft wieder einmal von vorne anzufangen, die<lb/>
Natur des Gegen&#x017F;tandes &#x017F;elb&#x017F;t, und der Mangel an<lb/>
Vorarbeiten, welche ha&#x0364;tten benutzt werden ko&#x0364;nnen,<lb/>
mo&#x0364;gen bey billigen Beurtheilern in Ru&#x0364;ck&#x017F;icht kommen,<lb/>
wenn auch eine vielja&#x0364;hrige Arbeit die&#x017F;em Ver&#x017F;uche<lb/>
nicht eine gro&#x0364;ßere Vollkommenheit geben konnte. &#x2014;<lb/>
Der we&#x017F;entliche Ge&#x017F;ichtspunkt i&#x017F;t, daß es u&#x0364;berhaupt<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">um</fw><lb/></p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[VII/0013] Vorrede. ſich mit fanatiſcher Feindſeeligkeit gegen die ausgebrei- tete Syſtematiſirung des fruͤhern Princips zu verhal- ten; theils auch furchtſam zu ſeyn, ſich in der Aus- dehnung des Beſondern zu verlieren, theils aber die Arbeit zu ſcheuen, die zur wiſſenſchaftlichen Ausbil- dung erfordert wird, und im Beduͤrfniſſe derſelben zu- erſt zu einem leeren Formalismus zu greifen. Die Anfoderung der Verarbeitung und Ausbildung des Stoffes wird nun um ſo dringender. Es iſt eine Pe- riode in der Bildung einer Zeit, wie in der Bildung des Individuums, wo es vornemlich um Erwerbung und Behauptung des Princips in ſeiner unentwickel- ten Intenſitaͤt zu thun iſt. Aber die hoͤhere Fode- rung geht darauf, daß es zur Wiſſenſchaft werde. Was nun auch fuͤr die Sache und fuͤr die Form der Wiſſenſchaft bereits in ſonſtiger Ruͤckſicht geſchehen ſeyn mag; die logiſche Wiſſenſchaft, welche die eigent- liche Metaphyſik oder reine ſpeculative Philoſophie aus- macht, hat ſich bisher noch ſehr vernachlaͤſſigt geſehen. Was ich unter dieſer Wiſſenſchaft und ihrem Stand- punkte naͤher verſtehe, habe ich in der Einleitung vorlaͤufig angegeben. Die Nothwendigkeit, mit dieſer Wiſſenſchaft wieder einmal von vorne anzufangen, die Natur des Gegenſtandes ſelbſt, und der Mangel an Vorarbeiten, welche haͤtten benutzt werden koͤnnen, moͤgen bey billigen Beurtheilern in Ruͤckſicht kommen, wenn auch eine vieljaͤhrige Arbeit dieſem Verſuche nicht eine groͤßere Vollkommenheit geben konnte. — Der weſentliche Geſichtspunkt iſt, daß es uͤberhaupt um

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0101_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0101_1812/13
Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,1. Nürnberg, 1812, S. VII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0101_1812/13>, abgerufen am 22.11.2024.