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Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.

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§. 221. Die Formen des völkerrechtlichen Verkehres.
e. Der Geistliche (Aumonier) und der Arzt der Gesandtschaft,
insofern sie bei derselben nicht blos Nebendienste leisten;

endlich

f. die Livreebedienten und Domestiken des Gesandten.

In älterer Zeit legte man größeren Werth auf dergleichen Gefolg-
schaften, als es jetzt die öffentliche Meinung thut und die Staats-
öconomie gestattet. Unfehlbar kann auch der fremde Staat, an
welchen die Mission geschieht, einer übertriebenen Vermehrung des
Personals Grenzen setzen, desgleichen genaue Mittheilung über die Per-
sonalien aus polizeilichen Rücksichten und im eigenen Interesse der
Gesandten verlangen, 1 endlich für den Eintritt von Unterthanen in
den Dienst eines Gesandten besondere Förmlichkeiten vorschreiben. 2

Außer Zweifel liegt jetzt, daß alle vorgenannten Personen, sogar
wenn sie Unterthanen des fremden Staates wären, in der Exter-
ritorialität des Gesandten selbst mitbegriffen und dadurch insbe-
sondere von der Straf- und bürgerlichen Gerichtsbarkeit des frem-
den Staates in gleicher Weise eximirt, mithin der Gerichtsbarkeit
des absendenden Staates unterworfen sind, soweit diese nicht dem
Gesandten selbst delegirt sein sollte. 3 (§. 214.) Nur bei zahlreich
besuchten Congressen hat man sich zuweilen vereinigt, daß die ge-
sandtschaftlichen Diener, welche keine wirklichen Beamten sind, der
Localobrigkeit untergeben sein sollten. 4 Ueberdies kann ein Ge-

1 Schon die goldene Bulle setzte den churfürstlichen Wahlgesandtschaften
hierin bestimmte Grenzen.
2 Vgl. wegen Nordamerica v. Martens Erzähl. II, 398.
3 Die neuere Staatenpraxis ist allgemein dafür. S. wegen England den Par-
lamentsact von 1709. B. de Martens Causes celebr. I, 59.; wegen
Frankreich und mehrerer anderer Staaten Merlin; wegen Preußen Allgem.
Ger. Ordn. Th. I, Tit. 2. §. 63. 67 ff. K. dänische Verordn. v. 8. Oct.
1708. (v. Martens Erzähl. I, 353.) ferner die nordamerican. Congreßacte
v. 1790 (ebend. II, S. 397.) -- Desgleichen die Auctorität der gewichtig-
sten Publicisten. Vgl. Ward, Enquiry II, 553 f. Merlin, sect. VI, n.
2 s.
Streitigkeiten, welche hierüber noch im J. 1790 am Pfälzischen Hofe
mit dem Preußischen Minister bei Gelegenheit eines Falles vorkamen, ob-
schon zu keinem Resultat gediehen, s. noch in B. de Martens Nouv. cau-
ses cel. II,
22 f. Dagegen auch wieder einen Fall, wo durch Repressa-
lien die Exterritorialität der Domestiken aufrecht erhalten ward in desselben
Causes celebr. I, 247.
4 Dies geschahe am Congreß zu Münster und zu Nimwegen. Wicquefort
I, c.
28.
§. 221. Die Formen des voͤlkerrechtlichen Verkehres.
e. Der Geiſtliche (Aumonier) und der Arzt der Geſandtſchaft,
inſofern ſie bei derſelben nicht blos Nebendienſte leiſten;

endlich

f. die Livreebedienten und Domeſtiken des Geſandten.

In älterer Zeit legte man größeren Werth auf dergleichen Gefolg-
ſchaften, als es jetzt die öffentliche Meinung thut und die Staats-
öconomie geſtattet. Unfehlbar kann auch der fremde Staat, an
welchen die Miſſion geſchieht, einer übertriebenen Vermehrung des
Perſonals Grenzen ſetzen, desgleichen genaue Mittheilung über die Per-
ſonalien aus polizeilichen Rückſichten und im eigenen Intereſſe der
Geſandten verlangen, 1 endlich für den Eintritt von Unterthanen in
den Dienſt eines Geſandten beſondere Förmlichkeiten vorſchreiben. 2

Außer Zweifel liegt jetzt, daß alle vorgenannten Perſonen, ſogar
wenn ſie Unterthanen des fremden Staates wären, in der Exter-
ritorialität des Geſandten ſelbſt mitbegriffen und dadurch insbe-
ſondere von der Straf- und bürgerlichen Gerichtsbarkeit des frem-
den Staates in gleicher Weiſe eximirt, mithin der Gerichtsbarkeit
des abſendenden Staates unterworfen ſind, ſoweit dieſe nicht dem
Geſandten ſelbſt delegirt ſein ſollte. 3 (§. 214.) Nur bei zahlreich
beſuchten Congreſſen hat man ſich zuweilen vereinigt, daß die ge-
ſandtſchaftlichen Diener, welche keine wirklichen Beamten ſind, der
Localobrigkeit untergeben ſein ſollten. 4 Ueberdies kann ein Ge-

1 Schon die goldene Bulle ſetzte den churfürſtlichen Wahlgeſandtſchaften
hierin beſtimmte Grenzen.
2 Vgl. wegen Nordamerica v. Martens Erzähl. II, 398.
3 Die neuere Staatenpraxis iſt allgemein dafür. S. wegen England den Par-
lamentsact von 1709. B. de Martens Causes célèbr. I, 59.; wegen
Frankreich und mehrerer anderer Staaten Merlin; wegen Preußen Allgem.
Ger. Ordn. Th. I, Tit. 2. §. 63. 67 ff. K. däniſche Verordn. v. 8. Oct.
1708. (v. Martens Erzähl. I, 353.) ferner die nordamerican. Congreßacte
v. 1790 (ebend. II, S. 397.) — Desgleichen die Auctorität der gewichtig-
ſten Publiciſten. Vgl. Ward, Enquiry II, 553 f. Merlin, sect. VI, n.
2 s.
Streitigkeiten, welche hierüber noch im J. 1790 am Pfälziſchen Hofe
mit dem Preußiſchen Miniſter bei Gelegenheit eines Falles vorkamen, ob-
ſchon zu keinem Reſultat gediehen, ſ. noch in B. de Martens Nouv. cau-
ses cél. II,
22 f. Dagegen auch wieder einen Fall, wo durch Repreſſa-
lien die Exterritorialität der Domeſtiken aufrecht erhalten ward in deſſelben
Causes célèbr. I, 247.
4 Dies geſchahe am Congreß zu Münſter und zu Nimwegen. Wicquefort
I, c.
28.
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[361/0385] §. 221. Die Formen des voͤlkerrechtlichen Verkehres. e. Der Geiſtliche (Aumonier) und der Arzt der Geſandtſchaft, inſofern ſie bei derſelben nicht blos Nebendienſte leiſten; endlich f. die Livreebedienten und Domeſtiken des Geſandten. In älterer Zeit legte man größeren Werth auf dergleichen Gefolg- ſchaften, als es jetzt die öffentliche Meinung thut und die Staats- öconomie geſtattet. Unfehlbar kann auch der fremde Staat, an welchen die Miſſion geſchieht, einer übertriebenen Vermehrung des Perſonals Grenzen ſetzen, desgleichen genaue Mittheilung über die Per- ſonalien aus polizeilichen Rückſichten und im eigenen Intereſſe der Geſandten verlangen, 1 endlich für den Eintritt von Unterthanen in den Dienſt eines Geſandten beſondere Förmlichkeiten vorſchreiben. 2 Außer Zweifel liegt jetzt, daß alle vorgenannten Perſonen, ſogar wenn ſie Unterthanen des fremden Staates wären, in der Exter- ritorialität des Geſandten ſelbſt mitbegriffen und dadurch insbe- ſondere von der Straf- und bürgerlichen Gerichtsbarkeit des frem- den Staates in gleicher Weiſe eximirt, mithin der Gerichtsbarkeit des abſendenden Staates unterworfen ſind, ſoweit dieſe nicht dem Geſandten ſelbſt delegirt ſein ſollte. 3 (§. 214.) Nur bei zahlreich beſuchten Congreſſen hat man ſich zuweilen vereinigt, daß die ge- ſandtſchaftlichen Diener, welche keine wirklichen Beamten ſind, der Localobrigkeit untergeben ſein ſollten. 4 Ueberdies kann ein Ge- 1 Schon die goldene Bulle ſetzte den churfürſtlichen Wahlgeſandtſchaften hierin beſtimmte Grenzen. 2 Vgl. wegen Nordamerica v. Martens Erzähl. II, 398. 3 Die neuere Staatenpraxis iſt allgemein dafür. S. wegen England den Par- lamentsact von 1709. B. de Martens Causes célèbr. I, 59.; wegen Frankreich und mehrerer anderer Staaten Merlin; wegen Preußen Allgem. Ger. Ordn. Th. I, Tit. 2. §. 63. 67 ff. K. däniſche Verordn. v. 8. Oct. 1708. (v. Martens Erzähl. I, 353.) ferner die nordamerican. Congreßacte v. 1790 (ebend. II, S. 397.) — Desgleichen die Auctorität der gewichtig- ſten Publiciſten. Vgl. Ward, Enquiry II, 553 f. Merlin, sect. VI, n. 2 s. Streitigkeiten, welche hierüber noch im J. 1790 am Pfälziſchen Hofe mit dem Preußiſchen Miniſter bei Gelegenheit eines Falles vorkamen, ob- ſchon zu keinem Reſultat gediehen, ſ. noch in B. de Martens Nouv. cau- ses cél. II, 22 f. Dagegen auch wieder einen Fall, wo durch Repreſſa- lien die Exterritorialität der Domeſtiken aufrecht erhalten ward in deſſelben Causes célèbr. I, 247. 4 Dies geſchahe am Congreß zu Münſter und zu Nimwegen. Wicquefort I, c. 28.

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Zitationshilfe: Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844, S. 361. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/385>, abgerufen am 15.05.2024.