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Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.

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Zweites Buch. §. 192.
a. der Regierung oder den Unterthanen des Staates, wozu auch
der Wiedernehmer gehört;
b. einem Bundesgenossen in demselben Kriege, oder
c. einem bloß hilfeleistenden Theile,

oder endlich

d. einem neutralen Staate hinsichtlich des kriegführenden Thei-
les, welcher die Wiedernahme bewirkt hat.

Es kann überdieß noch geschehen, daß die Reprise abermals dem
Wiedernehmer weggenommen wird.

Vor allen Dingen leuchtet ein, daß, wenn das wiedergenom-
mene Schiff zu demjenigen Staate gehört, seitens dessen die Wie-
dernahme geschehen ist, alsdann lediglich die Gesetze dieses Staa-
tes darüber entscheiden müssen, ob oder unter welchen Bedingun-
gen und Modalitäten das wiedergenommene Schiff und Gut sei-
nem früheren Eigenthümer verbleiben soll. Auf diesen Fall be-
schränken sich auch die Seegesetze der einzelnen Nationen fast al-
lein und die darin angenommenen Principien sind kein Theil des
Völkerrechts, noch weniger einer Critik desselben unterworfen. 1
Andererseits kann bei der Frage, wie es gehalten werden soll,
wenn das wiedergenommene Schiff einer dritten Nation zugehört,
die Entscheidung nicht lediglich von dem Staate des Wiederneh-
mers abhängig sein. Die Bestimmung muß hier vielmehr einem
gemeinsamen giltigen Grundsatz gemäß getroffen werden, widrigen-
falls der durch eine entgegenstehende Entscheidung verletzte Theil
dagegen auf völkerrechtlichem Wege reclamiren kann. Denn es han-
delt sich hier regelmäßig von einer Thatsache, welche außer dem
Bereiche der Gesetze der Einzelstaaten liegt, nämlich von einer That-
sache auf offener See. Nur wenn die Wiedernahme im eigenen
Seegebiet geschehen sollte, können die Gesetze dieses Staates wider
Jedermann als entscheidend betrachtet werden.

192. Was nun als gemeinsam giltiger Grundsatz des interna-
tionalen Rechts zu erklären sei, ist überaus zweifelhaft. Die Haupt-
sache, worauf es ankommt, ist, ob das wiedergenommene Schiff
wirklich schon dem ersten Captor beziehungsweise dessen Staat ei-
genthümlich verfallen war oder nicht. Dem römischen Recht, wel-
ches, wenn nicht alle, doch gewisse Arten von Schiffen dem Post-
liminium unterwarf, ohne Unterschied wie lange sie in Feindesge-

1 Eine Uebersicht davon findet sich bei v. Martens §. 60 ff.
Zweites Buch. §. 192.
a. der Regierung oder den Unterthanen des Staates, wozu auch
der Wiedernehmer gehört;
b. einem Bundesgenoſſen in demſelben Kriege, oder
c. einem bloß hilfeleiſtenden Theile,

oder endlich

d. einem neutralen Staate hinſichtlich des kriegführenden Thei-
les, welcher die Wiedernahme bewirkt hat.

Es kann überdieß noch geſchehen, daß die Repriſe abermals dem
Wiedernehmer weggenommen wird.

Vor allen Dingen leuchtet ein, daß, wenn das wiedergenom-
mene Schiff zu demjenigen Staate gehört, ſeitens deſſen die Wie-
dernahme geſchehen iſt, alsdann lediglich die Geſetze dieſes Staa-
tes darüber entſcheiden müſſen, ob oder unter welchen Bedingun-
gen und Modalitäten das wiedergenommene Schiff und Gut ſei-
nem früheren Eigenthümer verbleiben ſoll. Auf dieſen Fall be-
ſchränken ſich auch die Seegeſetze der einzelnen Nationen faſt al-
lein und die darin angenommenen Principien ſind kein Theil des
Völkerrechts, noch weniger einer Critik deſſelben unterworfen. 1
Andererſeits kann bei der Frage, wie es gehalten werden ſoll,
wenn das wiedergenommene Schiff einer dritten Nation zugehört,
die Entſcheidung nicht lediglich von dem Staate des Wiederneh-
mers abhängig ſein. Die Beſtimmung muß hier vielmehr einem
gemeinſamen giltigen Grundſatz gemäß getroffen werden, widrigen-
falls der durch eine entgegenſtehende Entſcheidung verletzte Theil
dagegen auf völkerrechtlichem Wege reclamiren kann. Denn es han-
delt ſich hier regelmäßig von einer Thatſache, welche außer dem
Bereiche der Geſetze der Einzelſtaaten liegt, nämlich von einer That-
ſache auf offener See. Nur wenn die Wiedernahme im eigenen
Seegebiet geſchehen ſollte, können die Geſetze dieſes Staates wider
Jedermann als entſcheidend betrachtet werden.

192. Was nun als gemeinſam giltiger Grundſatz des interna-
tionalen Rechts zu erklären ſei, iſt überaus zweifelhaft. Die Haupt-
ſache, worauf es ankommt, iſt, ob das wiedergenommene Schiff
wirklich ſchon dem erſten Captor beziehungsweiſe deſſen Staat ei-
genthümlich verfallen war oder nicht. Dem römiſchen Recht, wel-
ches, wenn nicht alle, doch gewiſſe Arten von Schiffen dem Poſt-
liminium unterwarf, ohne Unterſchied wie lange ſie in Feindesge-

1 Eine Ueberſicht davon findet ſich bei v. Martens §. 60 ff.
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[320/0344] Zweites Buch. §. 192. a. der Regierung oder den Unterthanen des Staates, wozu auch der Wiedernehmer gehört; b. einem Bundesgenoſſen in demſelben Kriege, oder c. einem bloß hilfeleiſtenden Theile, oder endlich d. einem neutralen Staate hinſichtlich des kriegführenden Thei- les, welcher die Wiedernahme bewirkt hat. Es kann überdieß noch geſchehen, daß die Repriſe abermals dem Wiedernehmer weggenommen wird. Vor allen Dingen leuchtet ein, daß, wenn das wiedergenom- mene Schiff zu demjenigen Staate gehört, ſeitens deſſen die Wie- dernahme geſchehen iſt, alsdann lediglich die Geſetze dieſes Staa- tes darüber entſcheiden müſſen, ob oder unter welchen Bedingun- gen und Modalitäten das wiedergenommene Schiff und Gut ſei- nem früheren Eigenthümer verbleiben ſoll. Auf dieſen Fall be- ſchränken ſich auch die Seegeſetze der einzelnen Nationen faſt al- lein und die darin angenommenen Principien ſind kein Theil des Völkerrechts, noch weniger einer Critik deſſelben unterworfen. 1 Andererſeits kann bei der Frage, wie es gehalten werden ſoll, wenn das wiedergenommene Schiff einer dritten Nation zugehört, die Entſcheidung nicht lediglich von dem Staate des Wiederneh- mers abhängig ſein. Die Beſtimmung muß hier vielmehr einem gemeinſamen giltigen Grundſatz gemäß getroffen werden, widrigen- falls der durch eine entgegenſtehende Entſcheidung verletzte Theil dagegen auf völkerrechtlichem Wege reclamiren kann. Denn es han- delt ſich hier regelmäßig von einer Thatſache, welche außer dem Bereiche der Geſetze der Einzelſtaaten liegt, nämlich von einer That- ſache auf offener See. Nur wenn die Wiedernahme im eigenen Seegebiet geſchehen ſollte, können die Geſetze dieſes Staates wider Jedermann als entſcheidend betrachtet werden. 192. Was nun als gemeinſam giltiger Grundſatz des interna- tionalen Rechts zu erklären ſei, iſt überaus zweifelhaft. Die Haupt- ſache, worauf es ankommt, iſt, ob das wiedergenommene Schiff wirklich ſchon dem erſten Captor beziehungsweiſe deſſen Staat ei- genthümlich verfallen war oder nicht. Dem römiſchen Recht, wel- ches, wenn nicht alle, doch gewiſſe Arten von Schiffen dem Poſt- liminium unterwarf, ohne Unterſchied wie lange ſie in Feindesge- 1 Eine Ueberſicht davon findet ſich bei v. Martens §. 60 ff.

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Zitationshilfe: Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/344>, abgerufen am 27.11.2024.