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Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.

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Zweites Buch. §. 173.
tion des Eigenthümers entscheiden. 1 Daß aber ein neutraler Staat
auch über die Rechtmäßigkeit der von einem Kriegführenden gegen
einen dritten neutralen Staat gemachten Prise das Entscheidungs-
recht habe, kann selbst, wenn die Prise sich unter seiner Botmäßig-
keit befindet, als hergebracht nicht nachgewiesen werden; nur ein
provisorischer Schutz darf hier dem Weggenommenen angedeihen;
im Uebrigen ist die Sache zwischen dem Kriegführenden und neu-
tralen Staate auszutragen.

173. Das Verfahren bei den Prisengerichten der Kriegfüh-
renden ist auch den Neutralen gegenüber ein s. g. Reclameproceß,
wobei den reclamirenden Neutralen der Beweis der Unrechtmäßig-
keit der Captur aufgebürdet wird. 2 Sowohl die Form des Ver-
fahrens, wie auch die Grundsätze des Beweises und das Mate-
rielle der abzugebenden Entscheidung richten sich nach den Gesetzen
des Landes, dessen Behörden mit der Prisengerichtsbarkeit beauf-
tragt sind, wofern nicht Verträge mit den Neutralen im concreten
Fall ein Anderes mit sich bringen. 3 Im Allgemeinen sind jene
Proceduren und Entscheidungsnormen nichts weniger als günstig
für die Neutralen; sie sind politische Werkzeuge und Angeln des
Eigennutzes, wie man sich leicht schon aus dem Durchblättern der
Sammlungen von Prisengerichtsurtheilen überzeugen kann, trotz der
Bewunderung, welche Viele den "gelehrten Prisenrichtern" man-
cher Nationen gezollt haben! Häufig werden nur diejenigen Be-
weise zugelassen, welche bei der Captur eines Schiffes vorgefunden
werden; mit den Schiffspapieren werden die Aussagen der Schiffs-

1 Vgl. Jouffroy S. 295. v. Martens über Caper §. 36. Wheaton, intern.
L. IV,
3, §§. 6--10. u. IV, 2, §. 13. Jacobsen Seerecht S. 584.
2 v. Martens a. a. O. §. 27. Vertheidigt ist das Princip von Pinheiro
Ferreira in den Noten zu v. Martens Introduction, §. 317. Desgl. von
Jouffroy S. 296. Nach dem Grundsatz: spoliatus ante omnia restituen-
dus,
und nach Analogie des Arrestverfahrens sollte freilich wohl erst der
Captor nachweisen, daß er einen genügenden Grund zur Wegnahme gehabt
habe. Aber dies umgeht man!
3 Solche Verträge giebt es zur Zeit nur wenige. Die meisten beschrän-
ken sich darauf, eine unparteiische Justiz in Prisensachen gegenseitig zur
Pflicht zu machen, oder unverdächtige Richter zu postuliren (wie der eng-
lisch-russische Vertrag von 1801). Einige Verträge haben auch die Mit-
theilung der betreffenden Prisenurtheile stipulirt. So die Verträge der nord-,
mittel- und südamericanischen Republiken unter Einander.

Zweites Buch. §. 173.
tion des Eigenthümers entſcheiden. 1 Daß aber ein neutraler Staat
auch über die Rechtmäßigkeit der von einem Kriegführenden gegen
einen dritten neutralen Staat gemachten Priſe das Entſcheidungs-
recht habe, kann ſelbſt, wenn die Priſe ſich unter ſeiner Botmäßig-
keit befindet, als hergebracht nicht nachgewieſen werden; nur ein
proviſoriſcher Schutz darf hier dem Weggenommenen angedeihen;
im Uebrigen iſt die Sache zwiſchen dem Kriegführenden und neu-
tralen Staate auszutragen.

173. Das Verfahren bei den Priſengerichten der Kriegfüh-
renden iſt auch den Neutralen gegenüber ein ſ. g. Reclameproceß,
wobei den reclamirenden Neutralen der Beweis der Unrechtmäßig-
keit der Captur aufgebürdet wird. 2 Sowohl die Form des Ver-
fahrens, wie auch die Grundſätze des Beweiſes und das Mate-
rielle der abzugebenden Entſcheidung richten ſich nach den Geſetzen
des Landes, deſſen Behörden mit der Priſengerichtsbarkeit beauf-
tragt ſind, wofern nicht Verträge mit den Neutralen im concreten
Fall ein Anderes mit ſich bringen. 3 Im Allgemeinen ſind jene
Proceduren und Entſcheidungsnormen nichts weniger als günſtig
für die Neutralen; ſie ſind politiſche Werkzeuge und Angeln des
Eigennutzes, wie man ſich leicht ſchon aus dem Durchblättern der
Sammlungen von Priſengerichtsurtheilen überzeugen kann, trotz der
Bewunderung, welche Viele den „gelehrten Priſenrichtern“ man-
cher Nationen gezollt haben! Häufig werden nur diejenigen Be-
weiſe zugelaſſen, welche bei der Captur eines Schiffes vorgefunden
werden; mit den Schiffspapieren werden die Ausſagen der Schiffs-

1 Vgl. Jouffroy S. 295. v. Martens über Caper §. 36. Wheaton, intern.
L. IV,
3, §§. 6—10. u. IV, 2, §. 13. Jacobſen Seerecht S. 584.
2 v. Martens a. a. O. §. 27. Vertheidigt iſt das Princip von Pinheiro
Ferreira in den Noten zu v. Martens Introduction, §. 317. Desgl. von
Jouffroy S. 296. Nach dem Grundſatz: spoliatus ante omnia restituen-
dus,
und nach Analogie des Arreſtverfahrens ſollte freilich wohl erſt der
Captor nachweiſen, daß er einen genügenden Grund zur Wegnahme gehabt
habe. Aber dies umgeht man!
3 Solche Verträge giebt es zur Zeit nur wenige. Die meiſten beſchrän-
ken ſich darauf, eine unparteiiſche Juſtiz in Priſenſachen gegenſeitig zur
Pflicht zu machen, oder unverdächtige Richter zu poſtuliren (wie der eng-
liſch-ruſſiſche Vertrag von 1801). Einige Verträge haben auch die Mit-
theilung der betreffenden Priſenurtheile ſtipulirt. So die Verträge der nord-,
mittel- und ſüdamericaniſchen Republiken unter Einander.
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[292/0316] Zweites Buch. §. 173. tion des Eigenthümers entſcheiden. 1 Daß aber ein neutraler Staat auch über die Rechtmäßigkeit der von einem Kriegführenden gegen einen dritten neutralen Staat gemachten Priſe das Entſcheidungs- recht habe, kann ſelbſt, wenn die Priſe ſich unter ſeiner Botmäßig- keit befindet, als hergebracht nicht nachgewieſen werden; nur ein proviſoriſcher Schutz darf hier dem Weggenommenen angedeihen; im Uebrigen iſt die Sache zwiſchen dem Kriegführenden und neu- tralen Staate auszutragen. 173. Das Verfahren bei den Priſengerichten der Kriegfüh- renden iſt auch den Neutralen gegenüber ein ſ. g. Reclameproceß, wobei den reclamirenden Neutralen der Beweis der Unrechtmäßig- keit der Captur aufgebürdet wird. 2 Sowohl die Form des Ver- fahrens, wie auch die Grundſätze des Beweiſes und das Mate- rielle der abzugebenden Entſcheidung richten ſich nach den Geſetzen des Landes, deſſen Behörden mit der Priſengerichtsbarkeit beauf- tragt ſind, wofern nicht Verträge mit den Neutralen im concreten Fall ein Anderes mit ſich bringen. 3 Im Allgemeinen ſind jene Proceduren und Entſcheidungsnormen nichts weniger als günſtig für die Neutralen; ſie ſind politiſche Werkzeuge und Angeln des Eigennutzes, wie man ſich leicht ſchon aus dem Durchblättern der Sammlungen von Priſengerichtsurtheilen überzeugen kann, trotz der Bewunderung, welche Viele den „gelehrten Priſenrichtern“ man- cher Nationen gezollt haben! Häufig werden nur diejenigen Be- weiſe zugelaſſen, welche bei der Captur eines Schiffes vorgefunden werden; mit den Schiffspapieren werden die Ausſagen der Schiffs- 1 Vgl. Jouffroy S. 295. v. Martens über Caper §. 36. Wheaton, intern. L. IV, 3, §§. 6—10. u. IV, 2, §. 13. Jacobſen Seerecht S. 584. 2 v. Martens a. a. O. §. 27. Vertheidigt iſt das Princip von Pinheiro Ferreira in den Noten zu v. Martens Introduction, §. 317. Desgl. von Jouffroy S. 296. Nach dem Grundſatz: spoliatus ante omnia restituen- dus, und nach Analogie des Arreſtverfahrens ſollte freilich wohl erſt der Captor nachweiſen, daß er einen genügenden Grund zur Wegnahme gehabt habe. Aber dies umgeht man! 3 Solche Verträge giebt es zur Zeit nur wenige. Die meiſten beſchrän- ken ſich darauf, eine unparteiiſche Juſtiz in Priſenſachen gegenſeitig zur Pflicht zu machen, oder unverdächtige Richter zu poſtuliren (wie der eng- liſch-ruſſiſche Vertrag von 1801). Einige Verträge haben auch die Mit- theilung der betreffenden Priſenurtheile ſtipulirt. So die Verträge der nord-, mittel- und ſüdamericaniſchen Republiken unter Einander.

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Zitationshilfe: Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844, S. 292. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/316>, abgerufen am 23.11.2024.